idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
22.09.2022 02:30

Tweetende Politik: Wie vertrauenswürdig sind die von Politiker*innen geteilten Quellen?

Susanne Filzwieser Kommunikation und Marketing
Technische Universität Graz

    Eine Studie der TU Graz und der Universität Bristol zeigt: Insbesondere republikanische Mitglieder des US-Kongresses verbreiten auf Twitter zunehmend Nachrichten aus unseriö-sen Quellen. Die einzige europäische Partei, deren Quellenauswahl für Twitter-Postings jener der republikanischen Abgeordneten ähnelte, war die deutsche AfD.

    Eine Studie der TU Graz und der University of Bristol hat ergeben, dass republikanische Mitglieder des US-Kongresses im Vergleich zu ihren europäischen Kolleginnen und Kollegen zunehmend Nachrichten aus dubiosen Quellen verbreiten. Dafür haben die Forschenden rund 3,4 Millionen Tweets von Politikerinnen und Politikern analysiert.

    Was Menschen in der Politik auf Twitter teilen, prägt den medialen und öffentlichen Diskurs mit. „Der Anteil an unglaubwürdigen Informationen, die Politiker*innen in sozialen Medien teilen, nimmt gefühlt zu. Dieses Gefühl wollten wir mit Zahlen belegen und haben dafür Millionen Original-Tweets von Politikerinnen und Politikern aus den USA, Großbritannien und Deutschland ausgewertet“, erklärt Komplexitätsforscherin Jana Lasser von der TU Graz die Motivation hinter der Studie „Social media sharing of low quality news sources by political elites“, die aktuell in PNAS Nexus veröffentlicht wurde.

    Was in der österreichisch-britischen Studie besonders hervorsticht: Insbesondere Mitglieder der Republikanischen Partei im US-Kongress teilen zunehmend Links zu Websites, die als „nicht vertrauenswürdig“ eingestuft sind. In den USA stehen Midterm-Wahlen an, deren Wahlkampf sich in weiten Teilen auf Social Media Plattformen abspielt.

    Analyse von 3,4 Mio. Tweets

    Gemeinsam mit Stephan Lewandowsky, Almog Simchon und Fabio Carrella von der Universität Bristol sammelten Erstautorin Jana Lasser, Segun Aroyehun und David Garcia vom Institute of Interactive Systems and Data Science der TU Graz über 3,4 Millionen Tweets von Politiker*innen für den Zeitraum 2016 bis 2022. Konkret waren das 1,7 Mio. Tweets von Mitgliedern des US-Kongresses, 960.000 Tweets von britischen und 750.000 Tweets von deutschen Parlamentsabgeordneten. Die in den Tweets enthaltenen Links wurden mit einer Datenbank des Unternehmens NewsGuard verglichen, die die Glaubwürdigkeit und Transparenz von Nachrichten-Websites anhand von neun journalistischen Kriterien bewertet und relevante Details über die Eigentumsverhältnisse, die Finanzierung, die Glaubwürdigkeit und die Transparenzpraktiken der Website ermittelt.

    Die Forschenden aus Graz und Bristol haben herausgefunden, dass insbesondere Mitglieder der Republikanischen Partei über die Jahre deutlich mehr Links zu Websites teilen, die als „nicht vertrauenswürdig“ eingestuft werden: Im Vergleich zum Zeitraum 2016 bis 2018 hat sich die Anzahl von Links zu nicht vertrauenswürdigen Websites in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt. „Generell teilen Mitglieder von Parteien in der rechten Hälfte des politischen Spektrums in allen untersuchten Ländern mehr solcher Links – aber nur bei Republikaner*innen ist diese deutliche Zunahme zu beobachten. In den anderen Ländern bleibt der Anteil stabil“, führt Jana Lasser aus.

    Konkret hat sich der Anteil der von Republikaner*innen geposteten Links zu nicht vertrauenswürdigen Websites zwischen den Jahren 2016 bis 2018 und 2020 bis 2022 mehr als verdoppelt, von 2,4 Prozent auf 5,5 Prozent. Insgesamt posten republikanische Kongressabgeordnete rund neun Mal so viele solcher Links wie Abgeordnete der Demokraten, bei denen nur 0,4 Prozent der in Tweets enthaltenen Links auf nicht vertrauenswürdige Seiten verweisen.

    Nur AfD ähnlich wie Republikaner

    In Europa verlinkten die Parlamentarier*innen sogar noch seltener wenig vertrauenswürdige Seiten: Selbst bei den Konservativen waren nur 0,25 Prozent der Links, die von den britischen Tories geteilt wurden, und 0,18 Prozent der Links, die von Abgeordneten der deutschen CDU/CSU geteilt wurden, nicht vertrauenswürdig. Die einzige europäische Partei, deren Quellenauswahl für Twitter-Postings jenem der republikanischen Abgeordneten ähnelte, war die deutsche AfD.

    Auch die Wiederholung der Analyse mit einer zweiten, vergleichbaren Datenbank führte zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Bei solchen Analysen ist es wichtig, verschiedene Einschätzungen zur Glaubwürdigkeit von Nachrichtenquellen heranzuziehen, um Verzerrungen oder Parteilichkeit auszuschließen, ergänzt Lasser.

    „Politikerinnen und Politiker sind Teil der Bildungselite, ihr Verhalten ist eine Art Kompass, was gesellschaftlich akzeptabel ist und was nicht. Wenn Menschen in der Politik vermehrt Fehlinformationen oder Nachrichten aus wenig vertrauenswürdigen Quellen posten, dann halte ich das für sehr problematisch“, sagt Stephan Lewandowsky. „Trotz ihres hohen gesellschaftlichen Ansehens istes daher wichtig, auch von der Politik geteilte Informationen kritisch aufzunehmen und die Quellen zu hinterfragen.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Jana LASSER
    Dr.rer.nat. B.Sc. M.Sc.
    TU Graz | Institute of Interactive Systems and Data Science
    Tel.: +43 316 873 30689 (Mobilnummer auf Anfrage unter medieninfo@tugraz.at oder +43 664 60 873 4566 erhältlich)
    jana.lasser@tugraz.at

    Stephan LEWANDOWSKY
    BA(Wash.College), MA(Tor.), PhD(Tor.)
    University of Bristol | School of Psychological Science
    Tel.: +44 117 455 1011
    stephan.lewandowsky@bristol.ac.uk


    Originalpublikation:

    ‘Social media sharing of low quality news sources by political elites‘. Jana Lasser, Segun Taofeek Aroyehun, Almog Simchon, Fabio Carrella, David Garcia, Stephan Lewandowsky. PNAS Nexus, Sep-tember 2022. DOI: 10.48550/arXiv.2207.06313


    Bilder

    Komplexitätsforscherin Jana Lasser von der TU Graz
    Komplexitätsforscherin Jana Lasser von der TU Graz

    Timotheus Hell


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Gesellschaft, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Komplexitätsforscherin Jana Lasser von der TU Graz


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).