Die Progression einer chronischen Nierenkrankheit (CKD), an der mehr als zehn Prozent der Weltbevölkerung leiden, lässt sich bisher kaum aufhalten. Sie ist von einer zunehmenden Vernarbung der Niere gekennzeichnet und mündet meist in ein Herz-Kreislauf- oder Nierenversagen. In seiner Nachwuchsgruppe an der RWTH Aachen decodiert PD Dr. Christoph Kuppe (37) durch Analysen des Epigenoms, Transkriptoms und Proteoms einzelner Nierenzellen die molekularen Ursprünge dieser Krankheit. Auf diese Art hat er entdeckt, in welchen Nierenzellen die Vernarbung ihren Ausgang nimmt. Gestern Abend verlieh ihm die Aventis Foundation dafür einen Life Sciences Bridge Award.
Gesunde Nieren halten die Homöostase des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts aufrecht, indem sie täglich bis zu 180 Liter Primärharn aus dem Blut abfiltern, den sie durch Rückresorption auf weniger als zwei Liter Urin pro Tag konzentrieren. Bei der chronischen Nierenkrankheit (CKD) sinkt diese Filtrationsrate unter die Hälfte des Normwertes ab. Mit den derzeitigen Standardtherapien ist die Progression dieser häufigen Krankheit kaum aufzuhalten. Sie geht mit einer zunehmenden Vernarbung des Nierengewebes einher und mündet über kurz oder lang in ein Herz-Kreislauf- oder Nierenversagen.
An der Narbenbildung sind hauptsächlich sogenannte Myofibroblasten beteiligt. Deren Ursprung war bisher nicht genau bekannt, auch weil die Niere mit 26 verschiedenen Zelltypen eine sehr hohe zelluläre Heterogenität aufweist. Deshalb unterzogen Christoph Kuppe und sein Team rund 100.000 Zellen aus gesunden und kranken Nieren einer Einzelzell-RNA-Sequenzierung (scRNA-seq). Sie bestimmten also in jeder dieser Zellen, welche Gene darin aktiv sind. Besonders achteten sie dabei auf die Expression von Kollagen und anderen Bindegewebsproteinen. Die Ergebnisse verzeichneten sie mit bioinformatischen Methoden in einem zeitlich differenzierten Koordinatensystem – einer Art Aktivitätslandkarte des Nierengewebes. So bewiesen sie, dass Fibroblasten und Perizyten die zellulären Quellen der Nierenfibrose sind, und entdeckten, dass das Protein NKD2 dabei als Signalmolekül eine Rolle spielt und ein Angriffspunkt für medikamentöse Therapien sein könnte.
Aufbauend auf dieser Arbeit hat Christoph Kuppe als Leiter einer Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe die Analyse der Signalwege der diabetischen bedingten Nierenkrankheit (DKD) in Angriff genommen, die rund ein Drittel aller CKD-Patienten betrifft, und in ihren vielfältigen Ursachen erst unzureichend verstanden ist. „Mein Ziel ist es, die Heterogenität dieser Patienten auf molekularer Ebene zu verstehen, um sie so individuell wie möglich behandeln zu können.“ Um dieses Ziel zu erreichen, hat Kuppe im Projekt Decode DKD ein mehrschichtiges Sequenzierungsmodell für Einzelzellen etabliert. In diesem Multi-Level Single-Cell Omics-Verfahren zeichnet er nicht nur das Transkriptom und das Proteom jeder beobachteten Zelle nach, sondern auch deren Epigenom, also den Zustand und die Zugänglichkeit des Chromatins, in dem die DNA in jedem Zellkern kompakt aufgewickelt ist.
Gekoppelt mit Auswertungsmethoden, die sich künstlicher Intelligenz bedienen, haben Kuppe und seine Kollegen von der RWTH Aachen dieses Mehrschicht-Omik-Verfahren in einer Kooperation mit dem Universitätsklinikum Heidelberg dazu genutzt, die zellulären Vorgänge bei der Remodellierung des Herzmuskels nach einem Herzinfarkt zu untersuchen – differenziert nach verschiedenen Zelltypen und deren jeweiliger Entfernung vom Zentrum des Infarktgeschehens. Aus dieser Arbeit resultierte im August seine zweite Erstautor-Publikation in Nature innerhalb von zwei Jahren.
„Christoph Kuppe kombiniert seine klinische Tätigkeit mit herausragender Grundlagenforschung“, sagt Prof. Werner Müller-Esterl, Vorsitzender der Jury des Life Sciences Bridge Award. „Die Erkenntnisse, die seine technologisch brillanten Einzelzellanalysen ermöglichen, haben ein enormes translationales Potential. Wir möchten ihm mit diesem Preis über die Brücke zu einer unbefristeten Professur helfen.“
Der Life Sciences Bridge Award ist einer der höchstdotierten Nachwuchspreise Deutschlands. Er wird jährlich an drei Preisträger:innen vergeben, die an deutschen Universitäten forschen. Sie erhalten jeweils 100.000 Euro. Zehn Prozent davon dürfen sie für persönliche Zwecke nutzen, der Rest ist der Finanzierung ihrer Forschung vorbehalten.
Die Aventis Foundation ist eine unabhängige, gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Frankfurt am Main. Sie dient der Förderung von Kunst und Kultur sowie von Wissenschaft, Forschung und Lehre.
PD. Dr. med. Christoph Kuppe
Institut für Experimentelle Innere Medizin und Systembiologie
Klinik für Innere Medizin und Nephrologie
Universitätsklinikum Aachen
Pauwelsstrasse 30
52074 Aachen
Tel. 0241-8037308
Web: www.kuppelab.org
Kuppe, C.*, Ibrahim, M.M.*, Kranz, J., Zhang, X., Ziegler, S., Perales-Paton, J., Jansen, J., Reimer, K.C., Smith, J.R., Dobie, R., et al. (2021). Decoding myofibroblast origins in human kidney fibrosis. Nature 589, 281-286. 10.1038/s41586-020-2941-1.
Kuppe, C.*, Ramirez Flores, R.*, Li, Z.*, Hayat, S., Levinson, R., Liao, X., Hannani, M., Tanevscki, J., Wünnemann, F., Nagai, J., et al. (2022). Spatial multi-omic map of human myocardial infarction. Nature. 10.1038/s41586-022-05060-x
PD Dr. med. Christoph Kuppe (RWTH Aachen) wurde gestern von der Aventis Foundation mit einem Life Sc ...
Uwe Dettmar
Aventis Foundation
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Informationstechnik, Medizin
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