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30.09.2022 12:30

„Living Guideline“ zu neurologischen Manifestationen bei COVID-19 ist S2k-Leitlinie/Ein Kapitel widmet sich Post-COVID

Dr. Bettina Albers Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

    Heute wurde eine neue Fassung der Leitlinie Neurologische Manifestationen
    bei COVID-19 publiziert, und zwar erstmal als S2k-Leitlinie. Zehn verschiedene Fachgesellschaften haben daran mitgearbeitet und den aktuelle Wissenstand zum Thema zusammengetragen. Ein Kapitel der Leitlinie widmet sich dem Post-COVID-Syndrom und bezieht Stellung zu immunmodulatorischen Therapien. Dazu gehören auch Aphereseverfahren, die derzeit ein hohes Medienecho erfahren. Außerdem empfiehlt die Leitlinie eine psychosomatische Mitbehandlung der Betroffenen, was immer wieder zu emotional aufgeladenen Diskussionen führt. Für diese Therapieempfehlung gibt es aber durchaus eine Rationale.

    Im August 2020 erschien bereits ein halbes Jahr nach Ausbruch der Pandemie die Erstveröffentlichung der DGN-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der „Neurologischen Manifestationen bei COVID-19“, im Dezember 2021 erfolgte eine umfassende Aktualisierung. Die bisherige S1-Leitlinie, die als „Living Guideline“ angelegt wurde, um die zahlreichen Publikationen und neuen Erkenntnisse schnell implementieren zu können, erfuhr nun ein Upgrade zur S2k-Leitlinie. Das „k“ steht für Konsens, d.h. jede Empfehlung wurde im Rahmen einer strukturierten Konsensfindung unter neutraler Moderation von den Vertreterinnen/Vertretern der beteiligten Fachgesellschaften diskutiert und abgestimmt. Beteiligt waren neben der DGN als federführenden Gesellschaft die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), die Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR), Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V., die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN), Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) e. V., die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e. V. (GTH), die Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI), die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. (DGHNO-KHC) und die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ).

    Leitlinienkoordinator Prof. Dr. med. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Berlin, betont die Wichtigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit bei dieser Leitlinie: „Alle beteiligten Fächer sind mit der Versorgung von betroffenen Patientinnen und Patienten betraut und daher ist es wichtig, einen Konsens herzustellen und das verfügbare Wissen und die klinischen Erfahrungen zu teilen, damit alle Ärztinnen und Ärzte davon partizipieren können und so möglichst alle Betroffenen die bestmögliche Therapie erhalten.“ Die Leitlinie gibt Handlungsempfehlungen für die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion hinsichtlich neurologischer Manifestationen, von neurologisch Erkrankten mit und ohne SARS-CoV-2-Infektion, von Betroffenen mit Post-COVID-Syndrom sowie für den Umgang mit möglichen Impfkomplikationen der SARS-CoV-2-Impfung. Die Leitlinie bildet den aktuellen Wissensstand zu all diesen Aspekten ab.

    Insbesondere das Kapitel „Neurologische Manifestationen bei Post-COVID-19-Syndrom“ der neuen Leitlinie wird auf ein breites Interesse stoßen, nicht zuletzt, weil Mitte August eine Folge von „Hirschhausen“ in der ARD [2] das Thema Long-COVID und mögliche Heilversuche erneut in den Fokus des öffentlichen Interesses rückte und eine Lanze für Apheresebehandlungen, allem voran die Lipidapherese, brach. Fakt ist aber: Die genauen pathophysiologischen Mechanismen des Post-COVID-19-Syndroms sind bislang noch unbekannt. Diskutiert werden Neurotransmitter-vermittelte Veränderungen, eine postinfektiös fortbestehende Entzündung sowie (virusgetriggerte) immunvermittelte Mechanismen. Wenn Hinweise auf einen autoimmunologischen Erkrankungsmechanismus bestehen (z.B. bestimmte Autoantikörper im Blut nachgewiesen werden), kann eine immunmodulatorische Therapie als individueller Heilversuch begonnen werden – so lautet die Empfehlung der Leitlinie. „Dazu würde dann das Verfahren der Immunadsorption zählen, die Lipidapherese, die Herr Dr. Hirschhausen im Selbstversuch durchgeführt hat, eher nicht“, so Prof. Berlit. „Wir möchten herausstellen: Es gibt derzeit keine kausale Therapie für Post-COVID mit den typischen neurologischen Beschwerden wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Fatigue, Kopfschmerzen, Myalgien und Neuropathien. Und es fehlt derzeit die Evidenz, um extrakorporale Verfahren breit zu empfehlen. Die Aufgabe der Medizin ist es nun, Studien aufzulegen, um Wirkung und Sicherheit dieser Therapie zu untersuchen – erste Studien wurden bereits in interdisziplinärer Zusammenarbeit an verschiedenen Universitätskliniken aufgelegt.“

    Des Weiteren empfiehlt die Leitlinie eine frühzeitige und parallelisiert eingeleitete psychosomatische Mitbehandlung der Betroffenen. „Das bedeutet aber nicht, dass wir die Beschwerden der Betroffene nicht ernst nehmen oder wir sie gar als eingebildet krank einstufen, wie häufig der Vorwurf in Internetforen lautet. In der Neurologie gibt es verschiedene Erkrankungen, bei denen wir ähnlich wie bei Post-COVID die auslösende Ursache nicht kennen und daher keine kausale Therapie anbieten können. Ein Beispiel sind chronische Schmerzsyndrome. Bei diesen Krankheitsbildern haben wir die Erfahrung gemacht, dass eine psychosomatische Mitbehandlung den Betroffenen hilft, besser mit den Beschwerden und der Krankheitssituation zurechtzukommen, und die Lebensqualität verbessert. Zum Nutzen gibt es zahlreiche Erhebungen. Warum sollten wir also Post-COVID-Betroffenen diese begleitende Therapieoption vorenthalten?“, so Prof. Berlit.

    Literatur
    [1] Berlit P. et al., Neurologische Manifestationen bei COVID-19, S2k-Leitlinie, 2022, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 30.09.2022)
    [2] https://www.daserste.de/information/ratgeber-service/hirschhausens-check-up/vide...

    Pressekontakt
    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    c/o Dr. Bettina Albers, albersconcept, Jakobstraße 38, 99423 Weimar
    Tel.: +49 (0)36 43 77 64 23
    Pressesprecher: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
    E-Mail: presse@dgn.org

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren über 11.000 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

    Präsident: Prof. Dr. med. Christian Gerloff
    Stellvertretender Präsident: Prof. Dr. Lars Timmermann
    Past-Präsidentin: Prof. Dr. med. Christine Klein
    Generalsekretär: Prof. Dr. Peter Berlit
    Geschäftsführer: David Friedrich-Schmidt
    Geschäftsstelle: Reinhardtstr. 27 C, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0)30 531437930, E-Mail: info@dgn.org


    Originalpublikation:

    https://dgn.org/leitlinien/neurologische-manifestationen-bei-covid-19/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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