idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
05.10.2022 11:18

Internationales Team unter Leitung der TU Darmstadt misst Größe eines exotischen Nickel-Isotops

Michaela Hütig Science Communication Centre - Abteilung Kommunikation
Technische Universität Darmstadt

    Eine internationale Forschungskooperation unter Leitung eines Kernphysik-Teams der TU Darmstadt hat den Ladungsradius des Isotops Nickel-56 bestimmt. Damit lässt sich erstmals der Verlauf des Ladungsradius entlang einer Isotopenkette über einen neutronenarmen doppelt-magischen Kern hinweg verfolgen. Das Ergebnis war für die Forschenden überraschend, liegt aber in guter Übereinstimmung mit den Ergebnissen modernster Kerntheorien. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Zeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

    Das Isotop Nickel-56 ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Es ist ein sogenannter Spiegelkern, weil er aus genauso vielen Protonen wie Neutronen (N=Z=28) besteht. Außerdem handelt es sich bei 28 um eine sogenannte „magische“ Zahl, bei der im Schalenmodell des Atomkerns gerade eine Schale vollständig besetzt ist und der Kern damit eine erhöhte Stabilität besitzt. Solche doppelt-magischen Kerne sind kugelförmig und lassen sich nur schwer verformen. Für Nickel-56 trifft dies allerdings nur zum Teil zu. Das Isotop lässt sich beispielsweise leichter verformen als sein ebenfalls doppelt-magischer „Verwandter“, das Isotop Calcium-48, das ebenfalls 28 Neutronen, aber nur 20 Protonen besitzt. Die „Güte“ oder „Stärke“ des Schalenabschlusses bei N=28 ist für Calcium-48 also höher als bei Nickel-56. Ziel der Messung war es festzustellen, ob sich diese „Stärke“ auch im Verlauf der Ladungsradien ablesen lässt.

    Erhöht man die Zahl der Neutronen eines Kerns, wächst in den meisten Fällen auch der Ladungsradius – also die mittlere Größe der Verteilung der positiv geladenen Protonen – gleichmäßig an. Erreicht man allerdings eine magische Neutronenzahl, so wächst der Ladungsradius beim weiteren Hinzufügen von Neutronen sehr viel rascher an als zuvor. Diese abrupte Änderung der Steigung äußert sich in einem „Knick“ im Verlauf der Ladungsradien. Dies ist für alle herkömmlichen magischen Zahlen, bei denen die Ladungsradien bislang gemessen wurden (N=28, 50, 82, 126) mit Ausnahme von N=20, experimentell belegt. Allerdings handelt es sich dabei in allen Fällen um Schalenabschlüsse in neutronenreichen Kernen, da diese leichter zu produzieren sind. Durch die Messung der Ladungsradien von Nickel-56 und Nickel-55 sollte jetzt erstmals ein direkter Vergleich eines neutronenreichen und eines neutronenarmen doppelt-magischen Isotops erreicht werden, um festzustellen, ob sich die Güte des Schalenabschlusses auch anhand der Ladungsradien bestimmen lässt.

    Am National Superconducting Cyclotron Laboratory an der Michigan State University (NSCL/MSU) fanden die Forscherenden exzellente Bedingungen zur Erzeugung und laserspektroskopischen Messung der Ladungsradien dieser Isotope am Experiment BECOLA (Beam Cooling and Laser spectroscopy). „Zu unserer Überraschung stellten wir fest, dass der Knick in den Ladungsradien bei Nickel-56 exakt genauso stark ist wie bei Calcium-48,“ erläutert Felix Sommer, der als Doktorand in der Arbeitsgruppe von Professor Wilfried Nörtershäuser die Daten analysiert hat und Erstautor der Veröffentlichung ist.

    Theoretische Berechnungen dieser Kerne wurden sowohl mit ab-initio-Theorien – also auf Basis individueller Neutronen und Protonen – durchgeführt (Arbeitsgruppen von Professor Achim Schwenk und Professor Robert Roth, TU Darmstadt) als auch mit Dichtefunktionalrechnungen, die auf kontinuierlichen Dichte- und Stromverteilungen der Nukleonen beruhen (Professor P.-G. Reinhardt, Universität Erlangen-Nürnberg). In beiden Fällen ergab sich eine exzellente Übereinstimmung mit den experimentellen Daten. Damit weisen die experimentellen und die theoretischen Ergebnisse darauf hin, dass die Steigungsänderung der Ladungsradien am magischen Schalenabschluss nicht unmittelbar als Maß der Güte des Schalenabschlusses herangezogen werden kann.

    Der Betrieb des NSCL an der MSU wurde mittlerweile eingestellt und durch die neue Anlage FRIB (Facility for Radioactive Ion Beams) ersetzt, die in Zukunft noch exotischere Isotope erzeugen wird. Die Kernphysikerinnen und Kernphysiker der TU Darmstadt planen bereits weitere Arbeiten, mit denen sie die neuen Forschungsmöglichkeiten nutzen können.

    Die Experimente am NSCL/MSU sind Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereiches „Nuclei: From Fundamental Interactions to Structure and Stars“ (SFB 1245).

    Über die TU Darmstadt

    Die TU Darmstadt zählt zu den führenden Technischen Universitäten in Deutschland und steht für exzellente und relevante Wissenschaft. Globale Transformationen – von der Energiewende über Industrie 4.0 bis zur Künstlichen Intelligenz – gestaltet die TU Darmstadt durch herausragende Erkenntnisse und zukunftsweisende Studienangebote entscheidend mit.
    Ihre Spitzenforschung bündelt die TU Darmstadt in drei Feldern: Energy and Environment, Information and Intelligence, Matter and Materials. Ihre problemzentrierte Interdisziplinarität und der produktive Austausch mit Gesellschaft, Wirtschaft und Politik erzeugen Fortschritte für eine weltweit nachhaltige Entwicklung.
    Seit ihrer Gründung 1877 zählt die TU Darmstadt zu den am stärksten international geprägten Universitäten in Deutschland; als Europäische Technische Universität baut sie in der Allianz Unite! einen transeuropäi-schen Campus auf. Mit ihren Partnern der Rhein-Main-Universitäten – der Goethe-Universität Frankfurt und der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz – entwickelt sie die Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main als global attraktiven Wissenschaftsraum weiter.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Wilfried Nörtershäuser
    Experimental Atomic and Nuclear Physics of Radioactive Nuclides
    Technische Universität Darmstadt
    Institut für Kernphysik
    Tel: +49(0)6151-16-23575
    E-Mail: wnoertershaeuser@ikp.tu-darmstadt.de


    Originalpublikation:

    F. Sommer et al., „Charge Radii of 55,56Ni Reveal a Surprisingly Similar Behavior at N=28 in Ca and Ni Isotopes “, Phys. Rev. Lett. 129, 132501 (2022)
    https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.129.132501


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).