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13.10.2022 15:16

Bessere Hochwasserinformationen durch Erdbebensensoren

Thomas Richter Öffentlichkeitsarbeit
Georg-August-Universität Göttingen

    Sturzfluten sind schnell auftretende Überschwemmungen und stellen weltweit eine große und wachsende Gefahr dar. Mit den derzeit existierenden Systemen lassen sie sich nur schwer erfassen. Eine Lösung für dieses Problem könnten seismische Sensoren sein, die auch zur Früherkennung von Erdbeben eingesetzt werden. Ein Forschungsteam unter der Leitung der Universität Göttingen hat nun gezeigt, dass ein Seismometer ein Hochwasser wie das vom Juli 2021 im Ahrtal in bis zu 1,5 Kilometern Entfernung erkennen kann.

    Dies könnte auch der Frühwarnung von Hochwassern dienen, um Leben zu retten und Schäden zu begrenzen. Das Team fand außerdem heraus, dass die Messung des „seismischen Fußabdrucks“ des Hochwassers Informationen über dessen Wassermenge, Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung in Echtzeit liefert, die ebenfalls für den Hochwasserschutz genutzt werden könnten. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters erschienen.

    Seismische Stationen erfassen nicht nur Bodenerschütterungen durch Erdbeben, sondern auch Signale, die von der Oberfläche unseres Planeten ausgehen, wie Explosionen, Erdrutsche, Stürme und: Überschwemmungen. Für ihre Untersuchung verwandelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein bestehendes Erdbeben-Seismometer in der Nähe der Stadt Ahrweiler in ein Instrument zur Erkennung und Verfolgung von Hochwasser. Anhand der seismologischen Daten aus der Zeit der Flut rekonstruierten sie die fatale Ausbreitung des Hochwassers bis zu dem Zeitpunkt, als der Stromausfall den Datenstrom unterbrach.

    Sie fanden heraus, dass das Seismometer eine Stunde lang buchstäblich den Weg der Flut aufzeigte, während das Wasser durch das steile, gewundene Tal durch die Orte Rech, Dernau, Walporzheim und Ahrweiler in Deutschland strömte. Durch die Kombination mathematischer Modelle konnte das Team die Geschwindigkeit abschätzen, mit der sich das Hochwasser bewegte, und Informationen über den steigenden Wasserstand und die Menge des von der Flut mitgerissenen Gerölls – Schotter, Autos, Heizöltanks – gewinnen. Tatsächlich waren diese Daten die einzige systematische Informationsquelle über den Verlauf der Flut, da die drei vorhandenen Pegelstationen im Tal frühzeitig zerstört wurden.

    Die seismischen Daten liefern Informationen, die für die Optimierung von Modellen des Hochwasserverhaltens für Warn- und Rettungsmaßnahmen wertvoll sein könnten. „Wäre der Datenstrom dieser Station verfügbar gewesen und ausgewertet worden, wie unsere Forschung jetzt zeigt, hätten wir wichtige Echtzeitinformationen über das Ausmaß und die Geschwindigkeit des Hochwassers gehabt“, sagt der Geowissenschaftler Dr. Michael Dietze von der Universität Göttingen. „Da zehn Prozent der Fläche Europas anfällig für Sturzfluten in Tälern sind, sollten wir anfangen, über solche neuen Frühwarn-Ansätze nachzudenken. Das derzeitige Netz von Flusspegelstationen reicht nicht aus, um auf künftige Ereignisse angemessen vorbereitet zu sein.“

    Dietze und sein Team arbeiten derzeit an einem Plan, um weitere hochwassergefährdete Gebiete zu ermitteln und sie mit kostengünstigen „Wachturm“-Seismometern auszustatten – eine Initiative, die nur den Bruchteil eines Prozents der durch künftige Überschwemmungen verursachten Schäden kosten würde. „Das katastrophale Hochwasser im Ahrtal in Deutschland im Juli 2021 hat Anwohnern, Politikern, Rettungsdiensten und Wissenschaftlern gezeigt, wie viel wir noch lernen müssen, um die derzeitigen Hochwasserwarnsysteme zu verbessern“, so Dietze abschließend.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Michael Dietze
    Georg-August-Universität Göttingen
    Fakultät für Geowissenschaften und Geographie
    Telefon (0551) 39-4570
    E-Mail: michael.dietze@uni-goettingen.de
    Internet: http://www.playgroundearth.de


    Originalpublikation:

    Michael Dietze et al. A seismic approach to flood detection and characterization in upland catchments. Geophysical Research Letters 2022.
    https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2022GL100170


    Bilder

    Schäden am Abwassersystem in Sinzig nach dem Hochwasser im Juli 2021.
    Schäden am Abwassersystem in Sinzig nach dem Hochwasser im Juli 2021.
    Michael Dietze
    Universität Göttingen/Michael Dietze

    Haus in Walporzheim im Ahrtal mit Hochwassermarkierungen von 1804, 1910 und 2021.
    Haus in Walporzheim im Ahrtal mit Hochwassermarkierungen von 1804, 1910 und 2021.
    Michael Dietze
    Universität Göttingen/Michael Dietze


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Schäden am Abwassersystem in Sinzig nach dem Hochwasser im Juli 2021.


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    Haus in Walporzheim im Ahrtal mit Hochwassermarkierungen von 1804, 1910 und 2021.


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