idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
19.10.2022 09:00

„Village“-Programm entlastete Kinder

Theresa Mair Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Medizinische Universität Innsbruck

    „Village“-Projekt zur Unterstützung von Kindern psychisch erkrankter Eltern - Kinder, die mit psychisch erkrankten Eltern aufwachsen, übernehmen oft viel Ver-antwortung und sind selbst belastet. Im Projekt „Village“ entwickelte ein For-schungsteam mit Förderung der Medizinischen Universität Innsbruck und der Lud-wig Boltzmann Gesellschaft und unter Einbindung von Betroffenen sowie zahlrei-chen Organisationen ein Vorsorgeprogramm für betroffene Familien in Tirol. Nun wurde das Pilotprojekt erfolgreich abgeschlossen. Für eine nachhaltige Weiterfüh-rung des Programms wird dringend eine Finanzierung gesucht.

    Innsbruck, am 19. Oktober 2022: Schätzungen zufolge wächst jedes vierte Kind mit einem psychisch kranken Elternteil auf – und mit einem erhöhten Risiko, später selbst psychisch oder körperlich zu erkranken. Kinder von psychisch erkrankten Elternteilen leiden häufig mit – oft im Stillen. Viele übernehmen früh viel Verantwortung, fühlen sich minderwertig oder gar schuldig, und fürchten sich vor Stigmatisierung. In Tirol fehlt es bisher an einer flächendeckenden, niedrigschwelligen Präventionsstruktur für diese Kinder. Dies zu än-dern, machten sich die Verantwortlichen des Pilotprojekts „Village“ unter der Leitung der Sozialforscherin Jean Paul (Univ.-Klinik für Psychiatrie I) in den vergangenen fünf Jahren zur Aufgabe und etablierten Tirol ab 2018 als Modellregion. Nun ist das wissenschaftliche Projekt ausgelaufen.
    Im Vergleich zu den Kosten, die für die psychiatrische Behandlung von Kindern anfallen,
    wenn Prävention verabsäumt wird, ist das „Village“-Programm kostengünstig (rund € 1.130 pro Familie bzw. € 630 pro Kind für die Teilnahme). Eine nachhaltige flächendeckende Finanzierung ist bisher dennoch nicht gelungen „Unbestritten ist, dass es dringenden Handlungsbedarf zur frühzeitigen Unterstützung betroffener Familien gibt. Dazu bedarf es sektorenübergreifender Zusammenarbeit und es ist erforderlich, dass der Prävention poli-tisch jener Stellenwert eingeräumt wird, der international, u.a. von der WHO, schon lange gefordert wird“, betont Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Medizinischen Universität In-nsbruck.

    „Village“: Ein regionales Forschungs-Praxis-Programm
    Von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft und der Medizinischen Universität Innsbruck mit drei Millionen Euro Förderung ausgestattet, erarbeitete das Forschungsteam mit
    VertreterInnen von 14 Tiroler Organisationen sowie zwei Erwachsenen mit gelebter Erfah-rung auf Basis wissenschaftlicher Analysen zunächst ein Konzept für ein Unterstützungs-programm. Dabei stellten sie die direkte Beteiligung von Betroffenen und anderen Stake-holdern in den Mittelpunkt. Eine Gruppe junger Erwachsener, die mit psychisch erkrankten Elternteilen aufgewachsen sind, brachte während des gesamten Forschungsprozesses ihr Feedback ein.„Die Einbeziehung der Gesellschaft im Allgemeinen und Betroffenen im Be-sonderen machen diese wissenschaftlichen Projekte enorm wertvoll. Das Zusammenbrin-gen verschiedener Akteure erlaubt die Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven um ein Gesamtbild zu erhalten“, betonen Elvira Welzig und Marisa Radatz, Geschäftsführerin-nen der Ludwig Boltzmann Gesellschaft.
    Ziel war es, die Familien direkt in der psychiatrischen Praxis abzuholen. Sechs psychiatri-sche Krankenhausabteilungen und zehn niedergelassene ÄrztInnen beteiligten sich nach einer Schulung am Screening- und Zuweisungsprozess. Sie unterbreiteten psychisch er-krankten Müttern und Vätern von minderjährigen Kindern das Angebot, als Familie an dem kostenlosen Programm teilzunehmen. Bei darauffolgenden Familien- und Netzwerktreffen unter Anleitung von insgesamt zwölf geschulten KoordinatorInnen ging es darum, gemein-sam ein möglichst dichtes soziales Unterstützungsnetz – z.B. bestehend aus Verwandten, Nachbarn, LehrerInnen, TrainerInnen, Ehrenamtlichen, SozialarbeiterInnen – für die Kinder zu weben.

    Ergebnisse: Verbesserungen für Familien, Stigmatisierung bleibt Problem
    Insgesamt wurden im Verlauf des Projekts 96 Familien zugewiesen, von denen 30 das Programm mit vorangehender und abschließender Befragung absolvierten. COVID-19 bedingt wurde für einzelne Elemente eine Onlineversion entwickelt.

    Die vor Programmbeginn erhobenen Daten geben Hinweise auf eine erhebliche Belastung der befragten Kinder und Eltern, was z.B. Gesundheitszustand, Stigmatisierung und über-mäßige Verantwortung im Haushalt betrifft. Nach Programmende zeigten sich Verbesse-rungen bei Kindern und Eltern hinsichtlich Gesundheitszustand, Wissen und Kommunika-tion über psychische Krankheit innerhalb und außerhalb der Familie. Ebenso verbesserten sich die Eltern-Kind-Beziehung und die Bereitschaft der Eltern, Unterstützung anzuneh-men. „Die Eltern waren mit dem Programm sehr zufrieden, die Kinder gaben gemischte Zufriedenheitswerte an“, resümiert Jean Paul. Das Ausmaß der Stigmatisierung und die Bewertung der Lebensqualität änderten sich jedoch kaum. Bereits die zu Projektbeginn angestellten Analysen ergaben, dass in Tirol ein hohes Maß an gesellschaftlicher Stigma-tisierung besteht. Das Forschungsteam setzte dahingehend während der gesamten Lauf-zeit begleitende Maßnahmen zur Sensibilisierung für das Thema, etwa mit Beiträgen in klassischen und sozialen Medien.

    Zur Forschungsarbeit:
    Zechmeister-Koss, Ingrid, et.al: „Practices to support co-design processes: A case-study of co-designing a program for children with parents with a mental health problem in the Austrian region of Tyrol”. In:International Journal of Mental Health Nursing, Oct 13, 2022,
    DOI: https://doi.org/10.1111/inm.13078.

    Auf der Village-Website sind alle Publikationen aus dem Forschungsprojekt einsehbar
    https://village.lbg.ac.at/research#WissenschaftlichePublikationen

    Pressebilder zum Herunterladen: https://www.i-med.ac.at/pr/presse/2022/44.html
    Medienkontakt:
    Medizinische Universität Innsbruck
    Public Relations & Medien
    Theresa Mair
    Innrain 52, 6020 Innsbruck, Austria
    Telefon: +43 512 9003 71833,
    public-relations@i-med.ac.at, www.i-med.ac.at

    Ludwig Boltzmann Gesellschaft
    Werner Fulterer
    PR & Communications
    Nußdorfer Straße 64, 1090 Wien
    Tel. 01 513 27 50-28
    werner.fulterer@lbg.ac.at, www.lbg.ac.at

    Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
    Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.200 MitarbeiterInnen und ca. 3.400 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
    Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden. Seit Herbst 2022 bieten die Medizinische Universität Innsbruck und die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck gemeinsam ein englischsprachiges Masterstudium „Pharmaceutical Sciences“ an, in dem die Studierenden eine fundierte Ausbildung im Bereich der Arzneimittelentwicklung erwerben können.

    Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Jean Paul BA BSc PhD
    Universitätsklinik für Psychiatrie I
    E-Mail: Jean.Paul@i-med.ac.at

    Philipp Schöch MSc
    Universitätsklinik für Psychiatrie I
    E-Mail: Philipp.Schoech@i-med.ac.at


    Originalpublikation:

    Zechmeister-Koss, Ingrid, et.al: „Practices to support co-design processes: A case-study of co-designing a program for children with parents with a mental health problem in the Austrian region of Tyrol”. In:International Journal of Mental Health Nursing, Oct 13, 2022,
    DOI: https://doi.org/10.1111/inm.13078.


    Weitere Informationen:

    http://Auf der Village-Website sind alle Publikationen aus dem Forschungsprojekt einsehbar
    https://village.lbg.ac.at/research#WissenschaftlichePublikationen


    Bilder

    Projektleiterin Jean Paul von der Med Uni Innsbruck
    Projektleiterin Jean Paul von der Med Uni Innsbruck
    David Bullock
    MUI


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Projektleiterin Jean Paul von der Med Uni Innsbruck


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).