Forscherinnen und Forscher des Hector Instituts für Translationale Hirnforschung (HITBR) am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim untersuchen molekulare Netzwerke, die zur Langlebigkeit menschlicher Nervenzellen führen.
Im Wesentlichen haben alle menschlichen Gewebe und Organe die Fähigkeit zu heilen, Zellen zu erneuern, die durch schädliche Einflüsse beschädigt oder getötet wurden. Das menschliche Gehirn verhält sich in diesem Zusammenhang grundlegend anders. Die überwiegende Mehrheit der Nervenzellen wird vor der Geburt angelegt und die Regenerationsfähigkeit des postnatalen menschlichen Gehirns ist auf sehr wenige Regionen beschränkt. Infolgedessen ist das Durchschnittsalter von Nervenzellen bei Erwachsenen viel höher als das von jedem anderen Zelltyp des menschlichen Körpers. Aber wie schützen sich menschliche Nervenzellen vor versehentlichem Zelltod und bewahren ein hohes Maß an Funktionalität über die gesamte Lebensspanne eines Menschen?
Neuronale Resilienz
Das Team vom Hector Institut für Translationale Hirnforschung (HITBR) am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim hat nun zelluläre Anpassungen in menschlichen Nervenzellen untersucht, die neuronale Resilienz garantieren. Sie verwendeten menschliche induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen), um menschliche Nervenzellen in der Kulturschale zu erzeugen. Diese reiften über die Zeit, so dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Entwicklungsmodell hatten, in dem sie junge, neugeborene Nervenzellen direkt mit ihren älteren, reiferen Gegenstücken vergleichen konnten. Die Studie wurde jetzt im Fachjournal „Cell Death & Disease“ veröffentlicht.
„Wenn Zellen gestresst oder geschädigt werden, versuchen sie normalerweise, sich an diese Bedingungen anzupassen, indem sie beispielsweise reaktive Reparaturprogramme aktivieren. Ab einem bestimmten Schädigungsgrad wird ein Zelltodprogramm namens Apoptose aktiviert, um die geschädigte Zelle oder das geschädigte Gewebe zu eliminieren. Dieser programmierte Zelltod wird durch mehrere molekulare Signalwege streng kontrolliert“, erklärt Prof. Philipp Koch, verantwortlicher Wissenschaftler der Studie und Leiter des HITBR. „Wir haben festgestellt, dass die Schwelle für den Eintritt in den Zelltod bei menschlichen Nervenzellen besonders hoch ist.“
Komplexe und redundante Präventivstrategien gegen Stress und Zelltod
Tatsächlich zeigten die Mannheimer Forscher, dass menschliche Nervenzellen, sobald sie ausgereift sind, mit komplexen und redundanten Präventivstrategien ausgestattet werden, um sich vor Stress und Zelltod zu schützen. Unter anderem werden wichtige Komponenten der Zelltodmaschinerie wie Caspasen stark herunterreguliert oder vollständig abgeschaltet, während Schutzwege wie anti-apoptotische Proteine der Bcl-2-Familie oder Inhibitoren von Apoptose Proteine (IAPs) hochreguliert werden. „Es scheint, dass das Gehirn ein sehr ausgeklügeltes, komplexes und komplementäres Netzwerk zum Schutz vor Zelltod entwickelt hat, wahrscheinlich eine evolutionäre Anpassung an seine reduzierte Regenerationsfähigkeit. Diese Schutzmechanismen in reifen Nervenzellen können auch teilweise erklären, warum die meisten neurodegenerativen Erkrankungen meist über viele Jahrzehnte hinweg abwehrbar sind und erst im fortgeschrittenen Alter auftreten. Die Manifestation neurodegenerativer Erkrankungen könnte das Ergebnis von jahrelang angesammeltem Zellstress und -schädigung in Kombination mit einer Schwächung der Schutzmechanismen sein“, verdeutlicht Koch.
Wilkens, R., Hoffrichter, A., Kleinsimlinghaus, K. et al. Diverse maturity-dependent and complementary anti-apoptotic brakes safeguard human iPSC-derived neurons from cell death. Cell Death Dis 13, 887 (2022). https://doi.org/10.1038/s41419-022-05340-4
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Biologie, Medizin
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