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27.10.2022 10:51

Von Bodybuilding zu Gedächtnistraining: Selbstoptimierung differenziert betrachten

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Stipendiatinnen und Stipendiaten des Graduiertenkollegs „Ethnographien des Selbst in der Gegenwart“ legen Sammelband zum aktuellen Thema Optimierung vor

    Das „Zeitalter der Selbstoptimierung“ – so wird das 21. Jahrhundert bisweilen schon bezeichnet. Ob Fitnessstudio, gesunde Ernährung, Schönheitsoperationen, Achtsamkeitsübungen oder Schlaf-App, das Streben nach Selbstverbesserung nimmt für viele einen festen Platz in ihrem Alltag ein. Doch das Phänomen wird häufig negativ bewertet und als neoliberaler Verbesserungszwang abgelehnt. „Diese Sichtweise ist jedoch etwas einseitig“, bemerkt die Kulturanthropologin Annabelle Schülein von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). „Der Ausbau der eigenen Kompetenzen kann auch als Chance verstanden werden und nicht nur individuell, sondern für die Gesellschaft insgesamt positive Effekte haben.“ Eine differenzierte Sicht auf das Phänomen bietet der Sammelband „Optimierung des Selbst“, der nun im transcript Verlag erschienen ist.

    Aussehen, Verhalten oder das Dasein an sich – Tendenz zur Optimierung aller Lebensbereiche

    Die Bandbreite der Phänomene, die unter dem Begriff „Selbstoptimierung“ zusammengefasst werden, ist immens. Sie reicht von der Körperformung mithilfe von Fitness und Ernährung bis hin zu Praktiken der Selbstverbesserung, wie sie unter dem Stichwort Neuro-Enhancement oder Hirndoping diskutiert werden. Das Streben nach einer Optimierung von mentalen Fähigkeiten, Persönlichkeitsmerkmalen, Gemütszuständen oder dem eigenen Verhalten spiegelt sich im Aufstieg der Psychoindustrie wider. Die Praktiken der Selbstoptimierung sind daher nicht nur körperlicher oder technischer Art, sondern umfassen auch Psychotherapien, Meditation, spirituelle Übungen oder Gedächtnistrainings. „Wir erleben einen Boom an Fachtagungen und wissenschaftlichen Publikationen sowie auch Sachbüchern für das Laienpublikum, die sich auf all diesen unterschiedlichen Gebieten mit dem Thema befassen“, so Annabelle Schülein, Doktorandin im Fach Kulturanthropologie und Mitherausgeberin des Sammelbandes.

    Aber es gibt auch Formen der Selbstoptimierung, die bisher kaum untersucht worden sind: etwa die Nutzung von Heilsteinen und Tagebüchern oder die Einstellung von Testosteronwerten. „Wir greifen diese Themen in unserem Sammelband auf und können zeigen, dass Selbstoptimierung mehrdeutiger und komplexer ist, als die öffentliche Debatte das oft darstellt. Eine nur kritische Betrachtung halten wir daher für unangemessen.“ Annabelle Schülein weist darauf hin, dass die gesellschaftliche und wissenschaftliche Diskussion bisher stark auf messbare Verbesserungen ausgerichtet ist, während qualitative Aspekte vernachlässigt werden. „Es geht nicht immer um eine Steigerungslogik oder die Selbstvermessung, sondern oft um ein eigenständiges oder solidarisches Leben.“ Wenn fachliche Kompetenz erweitert oder Stress durch Achtsamkeitsübungen reduziert wird, profitiert möglicherweise auch die Umwelt von einem intelligenteren, ausgeglicheneren Selbst, das seine optimierten Fähigkeiten für andere einsetzen kann.

    Einsicht durch interdisziplinäre Perspektiven und Vielschichtigkeit

    Das vielschichtige Thema kann nach Einschätzung der Autorinnen und Autoren des Sammelbandes erst durch eine interdisziplinäre Perspektive umfassend und angemessen erörtert werden. Daher wird ein weiter Bogen gespannt mit Beiträgen aus der Soziologie, der Rechtswissenschaft, der Evangelischen Theologie, Kunstwissenschaft, der empirischen Kulturwissenschaft und neueren Literaturwissenschaft. Populäre Praktiken wie der Breitensport oder Bodybuilding werden ebenso thematisiert wie neuere Aspekte der queeren Körpertechnologien. Der Sammelband ging aus der Tagung „Optimierung des Selbst“ hervor, die im März 2021 an der JGU stattgefunden hat. Die Herausgeberinnen und Herausgeber sind Stipendiatinnen und Stipendiaten des Graduiertenkollegs „Ethnographien des Selbst in der Gegenwart“, das von 2018 bis 2021 durch das Gutenberg Nachwuchskolleg (GNK) gefördert wurde.

    Bildmaterial:
    https://download.uni-mainz.de/presse/01_05_grk_selbstoptimierung.jpg
    Buchcover
    Foto/©: transcript

    Weiterführende Links:
    https://www.ethnographien.uni-mainz.de/ - Graduiertenkolleg „Ethnographien des Selbst in der Gegenwart“

    Lesen Sie mehr:
    https://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/4132_DEU_HTML.php - Pressemitteilung „JGU fördert neue Doktorandengruppen in Sozial- und Geisteswissenschaften mit 730.000 Euro“ (19.02.2018)


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Annabelle Schülein
    Graduiertenkolleg Ethnographien des Selbst in der Gegenwart
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    55099 Mainz
    Tel. +49 6131 39-21150
    E-Mail: annabelle.schuelein@uni-mainz.de
    https://www.ethnographien.uni-mainz.de/annabelle-schuelein/


    Originalpublikation:

    Loreen Dalski, Kirsten Flöter, Lisa Keil, Kathrin Lohse, Lucas Sand, Annabelle Schülein (Hg.)
    Optimierung des Selbst
    transcript Verlag, Oktober 2022
    ISBN: 978-3-8394-6134-1
    https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6134-7/optimierung-des-selbst/


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Philosophie / Ethik, Recht, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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