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28.10.2022 10:50

Wirtschaftssanktionen: Koordiniertes Vorgehen steigert Kosten für Zielland und senkt eigene Lasten

Guido Warlimont Kommunikation
Kiel Institut für Weltwirtschaft

    Welche Rolle spielen Koalitionen bei der Durchsetzung von Sanktionen? In einer jetzt veröffentlichten Studie analysieren Forscher des IfW Kiel und des DIW Berlin die wirtschaftlichen Folgen der gemeinsamen Umsetzung von Strafmaßnahmen im Fall der Iran- und Russland-Sanktionen von 2012 und 2014. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Koalitionen zwei entscheidende Zwecke erfüllen: Sie erhöhen die wirtschaftlichen Kosten, die dem Zielland auferlegt werden, und reduzieren die eigenen Kosten für die sanktionierenden Staaten.

    Die Forscherinnen und Forscher haben in einer Modellsimulation untersucht, wie die Sanktionen gegen Russland im Jahr 2014 und den Iran im Jahr 2012 den Wohlstand in den beiden Ländern und in den sanktionierenden Ländern verändert haben. Das Modell berücksichtigt dafür die Merkmale der globalisierten Wirtschaft, wie zum Beispiel internationale Lieferketten, und den Umfang der Handelsbeziehungen zwischen praktisch allen Ländern der Welt. Das Jahr vor der Verhängung der jeweiligen Sanktionen ist der Vergleichszeitraum für die Berechnungen.

    Die Simulation kommt zum Ergebnis, dass die Sanktionen spürbar gewirkt haben: Russische Exporte fielen in der Folge dauerhaft um 36 Prozent und die Importe um über 30 Prozent niedriger aus, als es vor den Sanktionen der Fall war. Das führt zu einem Wohlstandsverlust von 1,5 Prozent oder von 10 Prozent der Handelsgewinne des Landes. Für den Iran fiel das Minus mit 41 Prozent der Exporte und 83 Prozent der Importe noch deutlicher aus. Das Land erlitt einen dauerhaften Wohlstandsverlust von 1,7 Prozent oder von 12 Prozent der Handelsgewinne. Die Wirkung der Sanktionen trat ein, obwohl es keine geschlossene, weltweite Koalition für die Sanktionen gab.

    Auch kleinere Koalitionen zeigen Wirkung

    Die Studie vergleicht die eingetretenen Effekte mit jenen, die eine hypothetische globale Koalition mit den gleichen Sanktionen hätte erreichen können. Ergebnis ist, dass auch die kleinere Gruppe sanktionierender Länder sowohl im Falle Russlands als auch des Irans rund 60 Prozent des Effekts erzielen konnte, den eine globale Sanktionskoalition hätte erreichen können. „Selbst wenn in einer globalen Koalition wichtige Länder fehlen, können gemeinsam verhängte Sanktionen das betroffene Land erheblich schwächen“, sagt Julian Hinz, Mitglied im Forschungszentrum Handelspolitik des IfW Kiel und einer der Autoren der Studie.

    Die Simulationen zeigen auch, welche weiteren Länder besonders wirksam zu den Sanktionen hätten beitragen können, wären sie der Koalition beigetreten: Im Fall Russlands wären das insbesondere China, Vietnam, Belarus, die Türkei und Südkorea. Hätten sie sich an den Sanktionen beteiligt, wäre der wirtschaftliche Schaden für Russland besonders stark gewachsen. Die Iran-Sanktionen hätten ebenfalls vor allem durch eine Beteiligung Chinas und auch der Vereinigten Arabischen Emirate, Indiens, Singapurs und Brasiliens deutlich an Durchschlagskraft gewonnen. China hat in beiden Fällen eine herausgehobene Rolle. Das Land stellt sich bei Sanktionen gegen den Iran und Russland als neutral dar. Seine Teilnahme an den Sanktionen hätte die Kosten für den Iran und Russland deutlich in die Höhe treiben können, wobei China selbst kaum Wohlstandseinbußen zu verkraften gehabt hätte. „Große, sich entwickelnde Länder wie China, Indien, Brasilien und Vietnam sind wichtige Alliierte, will man die Kosten von Sanktionen für den Iran und Russland nach oben treiben“, sagt Hinz.

    Wer die Sanktionslasten trägt

    Mit Hilfe der Simulation lässt sich auch untersuchen, welche der sanktionierenden Länder jeweils die höchsten Lasten in Form eigener Wohlstandverluste tragen. Insgesamt sind die Kosten der Russland-Sanktionen deutlich höher als die der Iran-Sanktionen. Im Fall Russland tragen gemessen an ihren Wohlstandsverlusten insbesondere kleinere Länder wie Lettland, Litauen und Estland hohe Kosten, aber auch die Ukraine. Absolut gesehen sind die Lasten für Deutschland, Polen und die Ukraine am höchsten. Die niedrigsten Kosten absolut gesehen tragen die USA, Großbritannien, Japan, Kanada und Australien. „Diese Sanktionskosten könnten auch als Äquivalent zu den NATO-Ausgaben betrachtet werden. Ein Ausgleichsmechanismus zwischen Ländern mit niedrigen und hohen Kosten durch die Sanktionen könnte Sanktionskoalitionen dauerhafter und widerstandsfähiger machen“, sagt Hinz.

    „Unsere Simulationen zeigen deutlich, dass in Koalitionen verhängte Sanktionen die Kosten für die betroffenen Länder deutlich erhöhen. Gleichzeitig senkt das gemeinsame Vorgehen die Lasten für einzelne sanktionierende Länder. Koalitionen sind also bilateralen Sanktionen vorzuziehen. Auch mit Blick auf die in diesem Jahr gegen Russland verhängten Sanktionen ist relevant, dass erhebliche Wohlstandsverluste beim sanktionierten Land auch dann eintreten, wenn nicht alle weltweit wirtschaftlich bedeutenden Länder mitziehen“, sagt Hinz.

    Jetzt lesen: Brothers in arms: The value of coalitions in sanctions regimes (https://www.ifw-kiel.de/index.php?id=17690)

    Medienansprechpartner:
    Guido Warlimont
    Leiter Kommunikation
    T +49 431 8814-629
    guido.warlimont@ifw-kiel.de

    Kiel Institut für Weltwirtschaft
    Kiellinie 66 | 24105 Kiel
    T +49 431 8814-774
    F +49 431 8814-500
    www.ifw-kiel.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Julian Hinz
    Handelspolitik
    T +49 431 8814-507
    julian.hinz@ifw-kiel.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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