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19.05.2004 11:28

Erfinderforum: Magnetische Zwerge und dreibeinige Wächter

Dipl. Biol. Barbara Ritzert Pressearbeit
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    (Wiesbaden) Radiologen präsentieren auf dem 85. Deutschen Röntgenkongress in Wiesbaden neueste Entwicklungen aus der Mikro- und Nanotechnologie: ein magnetischer Kunststoffträger soll in Zukunft Medikamente direkt zum Wirkungsort transportieren. Für die Langzeitüberwachung von Hochdruckpatienten entwickelten die Forscher einen winzigen implantierbaren elektrinischen Wächter.

    Was im "Erfinderforum" auf dem Deutschen Röntgenkongress in Wiesbaden vorgestellt wird, sind keine Kuriositäten, sondern Beispiele zukunftsträchtiger Schlüsseltechnologien aus den Bereichen Mikrosystemtechnik und Nanotechnologie. Die "Aachener Zwerge" sind unsichtbare Arzneimittellieferanten: Magnetische Polymerträger schleusen als so genanntes "drug-release System" Wirkstoffe in den menschlichen Organismus ein und setzen sie am gewünschten Ort frei. Ihr äußerer Durchmesser beträgt 100 Nanometer, das sind 100 millionstel Millimeter.

    Die Kunststoffteilchen werden mit Eisenoxidpartikeln beladen. Das Metall hat zwei Funktionen: zum einen bringt es - von einem äußeren Magneten gelenkt - den Träger zum gewünschten Einsatzort. Es wird aber auch anschließend benötigt, um den Wirkstoff freizusetzen. "Wir werden in diese Nanoteilchen Tumormedikamente einbauen und können den Wirkstoff über ein äußeres Magnetfeld genau dort platzieren, wo Tumoren zerstört werden sollen", erklärt Professor Thomas Schmitz-Rode von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Dazu muss ein Magnet auf die vom Tumor befallene Körperregion gerichtet werden.

    Ein anderer Ansatz, um den Wirkstoff an den gewünschten Ort zu bringen, ist der Einsatz von Antikörpern, die Spürhunden ähnlich die Polymerträger zum Tumor führen: Die Forscher hängen an den Nanoträger Antikörper an, die spezifische Eiweißstrukturen, so genannte Antigene, auf den Zelloberflächen von Tumorzellen erkennen. Das hoffnungsvolle interdisziplinäre Projekt wird von dem Chemiker Dr. Detlef Müller-Schulte bearbeitet und über das Aachener Kompetenzzentrum für Medizintechnik vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

    Ein unsichtbarer Schalter. Sind die Wirkstoffträger mit Hilfe von Magneten oder Antikörpern am Ort, wo sie die eingebauten Wirkstoffe freisetzen sollen, werden die Eisenoxidpartikel über ein äußeres Hochfrequenz-Magnetfeld auf über 45 Grad Celsius erwärmt. Die wärmeempfindliche Kunststoffhülle, in deren Poren der Wirkstoff eingelagert ist, schrumpft und gibt den Wirkstoff frei. "Der elektromagnetische Impuls kann von außen so gezielt gesetzt werden, dass er wie ein Schalter die Abgabe des Medikamentes reguliert", präzisiert Schmitz-Rode. Bisher haben die Wissenschaftler das neu entwickelte Verfahren jedoch nur im Reagenzglas erprobt. Sie bauten verschiedene Nachweissubstanzen mit dem gleichen Molekulargewicht wie übliche Tumormedikamente in die Kunststoffträger ein. Im Laborexperiment konnten sie zeigen, dass die Modellsubstanzen innerhalb von zwei bis fünf Minuten freigesetzt werden. Als erstes sollen die Nanoträger an großen Lebertumoren getestet werden.

    Der dreibeinige Blutdruckwächter: die Aachener Kapsel. Ein weiteres Produkt der Aachener Wisssenschaftler ist die so genannte "Aachener Kapsel". Etwa 100 000 Risiko-Hochdruckpatienten könnten in Deutschland von dieser Neuentwicklung profitieren. Das neuartige System zur Dauerüberwachung von Blutdruck und Herzfrequenz besteht aus einer Silikonkapsel. Diese enthält einen speziell entwickelten Mikrochip mit Drucksensor, der die eingehenden Signale über eine Antenne an eine externe Lesestation überträgt.

    Über die Hüftarterie pflanzten Wissenschaftler um Schmitz-Rode acht Minischweinen je drei dieser 2,3 Millimeter großen Silikonkapseln ein. Der in der Kapsel befindliche, mit Drucksensoren und Transponderelektronik versehene Mikrochip sollte den Forschern sechs Monate lang über eine Antenne ununterbrochen Blutdruck- und Pulswerte der Tiere übermitteln. Das Kapselende statteten die Wissenschaftler mit drei Beinchen aus, die sich in der Arterienaufzweigung von selbst aufstellen.

    Das DFG-geförderte Gemeinschaftsprojekt der Universitätsklinik Aachen, des Duisburger Fraunhofer Instituts für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme (IMS) und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule, verlief erfolgreich: die Kapsel blieb über sechs Monate am Verankerungsort stehen und lieferte die gewünschten Daten. Blutdruck und Pulsschlag wichen nur maximal fünf Prozent von den konventionell gemessenen Vergleichswerten ab.

    Ruhige Nächte für Bluthochdruckpatienten. Von rund zehn Millionen Bluthochdruckkranken in Deutschland kommen etwa 100 000 für eine Langzeitüberwachung in Frage, damit die Einstellung mit Medikamenten auf lange Sicht optimiert werden kann. "Dauerüberwachte Hochdruckpatienten wachen häufig nachts auf, wenn sich die Blutdruckmanschette zusammenzieht", weiß Schmitz-Rode. "Das neue System ermöglicht diesen Patienten eine Überwachung ohne Beeinträchtigungen". Weitere Experimente müssen jedoch noch die Unbedenklichkeit der Methode unter Beweis stellen. "Bei drei Kapseln hatten sich kleine Thrombosen gebildet", räumt der Aachener Ingenieur und Mediziner ein. "Zwar führten diese Blutgerinnsel nicht zum Verschluss der Arterie, doch wir müssen das System noch perfektionieren."

    Unruhige Nächte für Forscher. Die Einsatzgebiete für das neue Kapsel-Sensor-System sind nahezu universell. Auch im Aufzweigungsbereich der Lunge könnte es als Frühwarnsystem für Herzkranke funktionieren. Prinzipiell ist der Drucksensor gegen andere Sensoren austauschbar, beispielsweise gegen einen Sensor, der die Blutgerinnungs- oder Blutzuckerwerte übermittelt. Zukunftsvisionen hat Schmitz-Rode jetzt schon. "Die Weiterentwicklung dieses Systems ist das "intelligente Implantat". Wenn es uns gelingt, per Blutzuckersensor die Insulinwerte zu messen und gleichzeitig eine Mikropumpe einzubauen, mit der wir das Insulin regulieren können, würden wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Diagnostik und Therapie mit einer Technologie." Solche halbdaumenkuppengroßen "Mikrocomputer" könnten schon in wenigen Jahren Diabetikern das Leben leichter machen.

    Pressestelle
    Barbara Ritzert, ProScience Communications GmbH, Andechser Weg 17, 82343 Pöcking
    Tel. 08157/9397-0, Fax: 08157/9397-97, ritzert@proscience-com.de
    Pressestelle während der Tagung:
    Regine Schulte Strathaus, Büro 3, II. OG., Rhein-Main-Hallen
    Tel: 0611/144-203, Fax: 0611-144-403


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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