Für ihren langjährigen Einsatz in der Erforschung der Tiefsee und deren Einfluss auf Stoffkreisläufe, Lebensvielfalt und das weltweite Klimageschehen erhält die Bremerhavener Meeresforscherin und Mikrobiologin Prof. Dr. Antje Boetius den Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis. Die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung des Stifterverbandes und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina wird für Beiträge zur wissenschaftlichen Bearbeitung gesellschaftlich wichtiger Herausforderungen verliehen. Sie ist damit die deutsche Auszeichnung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Gebiet der wissenschaftsbasierten Politikberatung.
"Antje Boetius leistet mit ihren Forschungen Pionierarbeit auf dem Gebiet der Tiefsee- und Polarforschung", sagt der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Prof. (ETHZ) Dr. Gerald Haug. "Ihre Arbeiten in den Weltmeeren, von den methanzehrenden Mikrobengemeinschaften der Tiefsee bis zu den ökologischen Folgen des Meereisrückgangs in der Arktis, spiegeln die hohe Diversität ihres wissenschaftlichen Einsatzes wider. Sie baut Brücken zwischen Biologie, Chemie und Erdsystemforschung und trägt somit wesentlich zur Entwicklung der neuen Disziplin Biogeochemie bei."
"Neben ihrer äußerst erfolgreichen wissenschaftlichen Arbeit ist auch ihr gesellschaftliches Engagement hervorzuheben", sagt Prof. Dr. Michael Kaschke, Präsident des Stifterverbandes. "Es ist Antje Boetius ein besonderes Anliegen, den disziplinübergreifenden Dialog innerhalb wie außerhalb der Wissenschaft zu fördern sowie Diskussionen über kontroverse Themen der Forschung anzuregen. Dabei befasst sie sich auch intensiv mit der Vielfalt und Qualität von Formaten der Wissenschaftskommunikation."
Die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, beschäftigt sich derzeit vor allem mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Biogeochemie und Biodiversität des Arktischen Ozeans. Boetius erforscht Mikroorganismen, die Teile des Meeresbodens besiedeln und langfristig großen Einfluss auf das Erdsystem haben. So entstehen in der Tiefsee große Mengen Methan, das in Form von Methanhydraten im Meeresboden lagert oder auch als Gas entweicht. Boetius entdeckte mikrobielle Lebensgemeinschaften, die den größten Teil dieses Methans abbauen, ohne dafür Sauerstoff zu benötigen. Dieser Prozess hat sowohl für Methanflüsse im Meer als auch für das Klimasystem eine hohe Bedeutung. Denn die mikrobiellen Lebensgemeinschaften verhindern, dass große Mengen des Treibhausgases, das 25-mal stärker wirkt als CO2, in die Atmosphäre entweichen. Diesem Prozess der anaeroben Oxidation von Methan, kurz AOM, konnte Boetius als Erste bis dahin unbekannte Mikroorganismen zuordnen. Aktuell beschäftigt sie sich mit der Erforschung der Vielfalt von Tiefseegemeinschaften unter dem arktischen Eis und den Auswirkungen der Gewinnung von polymetallischen Knollen auf das Ökosystem des Meeresbodens.
Antje Boetius studierte Biologie an der Universität Hamburg und Biologische Ozeanographie an der University of California in San Diego/USA. 1996 wurde sie an der Universität Bremen promoviert und 2001 zur Professorin für Mikrobiologie an die International University Bremen berufen. Seit 2008 leitet sie die von der Helmholtz-Gemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft gemeinsam getragene Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und -Technologie am AWI und dem MPI für Marine Mikrobiologie in Bremen. Seit 2009 ist sie Professorin für Geomikrobiologie an der Universität Bremen und seit 2017 Direktorin des AWI in Bremerhaven. Antje Boetius ist für ihre wissenschaftliche Arbeit und ihr gesellschaftliches Engagement mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt worden, unter anderem 2009 mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 2011 mit dem Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates. 2018 erhielt sie den Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Stifterverbandes sowie den Deutschen Umweltpreis. Die Leopoldina wählte Antje Boetius 2009 zu ihrem Mitglied in der Sektion Geowissenschaften, sie ist zudem Mitglied einer Reihe von deutschen und internationalen Akademien.
Der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis ist der Wissenschaftspreis des Stifterverbandes und mit 50.000 Euro dotiert. Er wird gemeinsam mit der Leopoldina alle zwei Jahre an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder Forscherteams vergeben, die einen Beitrag zur wissenschaftlichen Bearbeitung gesellschaftlich wichtiger Probleme geleistet haben. Den ersten Weizsäcker-Preis erhielt im Jahr 2009 der Wissenschaftler und Bürgerrechtler Prof. Dr. Jens Reich. Preisträger 2020 war der Ökonom Prof. Dr. Christian Dustmann.
Die Preisverleihung findet am Montag, 12. Dezember 2022, in Halle (Saale) im Rahmen der traditionellen Weihnachtsvorlesung der Leopoldina statt, die die Preisträgerin zum Thema "Leben im Ozean" hält. Während der Veranstaltung wird auch der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Sonderpreis an den Hämatologen, Onkologen und Immunologen Prof. Dr. Christoph Huber verliehen. Die Verleihung des Sonderpreises sollte bereits 2021 stattfinden, wurde jedoch pandemiebedingt verschoben.
Weitere Informationen zum Programm der Weihnachtsvorlesung finden Sie unter:
https://www.leopoldina.org/weihnachtsvorlesung-2022
Über die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina:
Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesen Veröffentlichungen werden Handlungsoptionen aufgezeigt, zu entscheiden ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik. Die Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen verfassen, arbeiten ehrenamtlich und ergebnisoffen. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien, unter anderem bei der wissenschaftsbasierten Beratung der jährlichen G7- und G20-Gipfel. Sie hat 1.600 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern und vereinigt Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Sie wurde 1652 gegründet und 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Die Leopoldina ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.
Über den Stifterverband:
Im Stifterverband haben sich rund 3.000 Unternehmen, Unternehmensverbände, Stiftungen und Privatpersonen zusammengeschlossen, um Bildung, Wissenschaft und Innovation gemeinsam voranzubringen. Mit Förderprogrammen, Analysen und Handlungsempfehlungen sichert der Stifterverband die Infrastruktur der Innovation: leistungsfähige Hochschulen, starke Forschungseinrichtungen und einen fruchtbaren Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Biologie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wettbewerbe / Auszeichnungen
Deutsch
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