Die Persönlichkeit wird vom Erbgut und der Prägung durch Umwelteinflüsse bestimmt, so der bisherige Wissensstand. Wenn genetisch identische Individuen unter gleichen Bedingungen aufwachsen, sind diese Individuen vollkommen identisch? Bei dieser Frage stieß die Zwillingsforschung bislang an ihre Grenzen. Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und des Exzellenzclusters „Science of Intelligence“ der Humboldt-Universität zu Berlin konnte nun an natürlich klonalen Fischen zeigen, dass sich genetisch identische Individuen bereits am ersten Lebenstag in ihren Charaktereigenschaften unterscheiden.
Bislang geht man davon aus, dass Unterschiede im Erbgut und den Umweltbedingungen die entscheidende Rolle bei der Ausbildung von Unterschieden in der Persönlichkeit spielen. „Es gab bisher auch keine experimentellen Ansätze, diese beiden Faktoren komplett auszuschließen“, erklärt Studienleiter Dr. Max Wolf vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei und dem Exzellenzcluster Science of Intelligence. „Unser Experiment zeigt, wie sich Verhaltensindividualität ohne jegliche genetische und umweltbedingte Variation entwickeln kann".
Max Wolf und sein Team konnten zeigen, dass Tiere mit identischem Erbgut und identischen Umweltbedingungen bereits ab dem ersten Lebenstag unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale ausbilden, die sich im Laufe ihres Lebens weiter verstärken und stabilisieren. Die Forschenden untersuchten das Verhalten von Amazonenkärpflingen (Poecilia formosa). Diese Fische pflanzen sich auf natürliche Weise klonal fort. Die Nachkommen sind also Kopien der Mutter und damit genetisch gleich. Da die Tiere lebend geboren werden, findet auch keine Brutpflege statt. Sie lassen sich also ab dem ersten Tag unter identischen Bedingungen halten.
Mithilfe eines hochauflösenden Tracking-Systems wurde das Verhalten der Amazonenkärpflinge, die unmittelbar nach der Geburt in identischen Umgebungen gehalten wurden, über die ersten 10 Wochen ihres Lebens aufgezeichnet.
Individuelle Persönlichkeit bereits ab Tag 1 nach der Geburt:
„Wir haben festgestellt, dass starke Verhaltensindividualitäten bereits am ersten Tag nach der Geburt vorhanden sind – sich die Tiere beispielsweise systematisch in ihren Aktivitätsmustern unterscheiden. Diese Unterschiede in individuellen Verhaltensmustern blieben über die gesamten zehn Wochen des Experiments bestehen und verstärkten sich sogar allmählich“, erläutert Dr. David Bierbach, einer der beiden Erstautoren der Studie und ebenfalls Wissenschaftler im Exzellenzcluster Science of Intelligence und am IGB.
Das Team von David Bierbach und Max Wolf konnte schon in einer vorangegangenen Studie von 2017 (ebenfalls Nature Communications) an Amazonenkärpflingen zeigen, dass sich Verhaltensindividualität trotz identischer Gene und identischer Umwelt herausbildet. In dem aktuellen Experiment konnten die Forscher nun nachweisen, dass diese Verhaltensindividualität bereits am Tag 1 nach der Geburt vorhanden ist.
„Dies sind die ersten experimentellen Nachweise dafür, dass Individualität im späteren Leben stark von Faktoren vor der Geburt geprägt sein kann, wie der Versorgung im Mutterleib, der Epigenetik und Entwicklungsbedingungen vor der Geburt“, resümiert David Bierbach.
Dr. Max Wolf
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Email: max.wolf@igb-berlin.de
Laskowski, K.L., Bierbach, D., Jolles, J.W. et al. The emergence and development of behavioral individuality in clonal fish. Nat Commun 13, 6419 (2022). https://doi.org/10.1038/s41467-022-34113-y
https://www.igb-berlin.de/en/news/experimentelle-zwillingsforschung-personlichke...
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Gesellschaft, Medizin, Pädagogik / Bildung, Psychologie, Tier / Land / Forst
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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