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05.12.2022 14:13

Die Vermessung der pflanzlichen Widerstandskraft

Dipl.Biol. Sylvia Pieplow Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Pflanzenbiochemie

    Das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) wird im Januar 2023 ein neues interdisziplinäres Forschungsprogramm starten, das die vorhandenen Kapazitäten an analytischen Hochleistungsgeräten und auch die Expertisen in Naturstoffchemie, Metabolomics sowie der Chemo- und der Bioinformatik bündeln wird. Ziel des Program Center for Plant Metabolomics and Computational Biochemistry (MetaCom) ist ein umfassendes Verständnis der pflanzlichen Resilienz auf chemischer Ebene.

    Im Rahmen der Umsetzung von MetaCom hat das Institut einmalig die Möglichkeit, insgesamt 13 Wissenschaftler/innen, Datenmanager und Technische Assistenten/innen einzustellen. Das MetaCom-Center soll zudem eine sichtbare Hülle erhalten; geplant ist die Errichtung eines Multifunktionsgebäudes mit Büros und Laboren für Wissenschaftler und administrative Mitarbeiter.

    Pflanzen müssen aufgrund ihrer sesshaften Lebensweise über extrem gute Mechanismen der Abwehr und Anpassung verfügen, um genügend Nährstoffe zu bekommen oder Gefahren und Krankheiten zu trotzen. Da sie nicht weglaufen können, wehren sie sich auf chemischem Wege. Das Arsenal an Substanzen, die sie in der Lage sind zu produzieren, ist riesig und reicht von Farb-, Geruchs- und Geschmacksstoffen bis hin zu Vitaminen, Antibiotika und hochwirksamen Giften. All diese Naturstoffe sind Produkte des pflanzlichen Stoffwechsels, auch Metaboliten genannt.

    Jede Pflanzenart und sogar jede einzelne Pflanze hat ihr ganz eigenes Spektrum an Stoffwechselprodukten. Dieses Metabolitenprofil ist dabei keineswegs starr, sondern je nach vorherrschenden Umweltbedingungen einem ständigen Wandel unterlegen. So unterscheidet sich eine kranke Tomatenpflanze in ihrem Metabolitenspektrum erheblich von einer gesunden. Der Vergleich der beiden Stoffwechselprofile – krank versus gesund – kann demnach Hinweise zu Art und Ausprägung der Krankheit sowie zur Krankheitsentstehung und den Abwehrreaktionen der Pflanze liefern.

    Im Forschungsgebiet der Pflanzen-Metabolomics werden diese Informationen zum pflanzlichen Stoffwechsel zusammengetragen und ausgewertet. Dabei erfolgt zunächst eine generelle Bestandsaufnahme aller Metaboliten einer Pflanze, die in ihrer Gesamtheit das Metabolom der Pflanze bilden. Im Gegensatz zu DNA oder Proteinen sind Metaboliten sehr kleine Moleküle und jede einzelne Pflanze produziert mehrere tausend verschiedene dieser kleinen Moleküle. Die Erfassung dieser Vielzahl an verschiedenen Substanzen generiert enorme Datenmengen, deren Botschaft nur mit Hilfe der Bioinformatik entschlüsselt werden kann. Mit geeigneten Nachweis- und Isolationsmethoden können aus dem Konglomerat der Metaboliten die Schlüsselverbindungen interessanter Stoffwechselwege oder Abwehrreaktionen herausgepickt und deren chemische Struktur ermittelt werden. Mitunter entpuppt sich eine solche Schlüsselverbindung als neuartige Leitstruktur für neue Pflanzenschutzmittel, Kosmetika, Aromastoffe oder Medikamente.

    Am IPB forscht man seit 20 Jahren mit Hilfe von Metabolomics sowie der Bio- und Chemoinformatik an verschiedenen Fragestellungen. So vergleicht man die Metabolitenprofile der Ackerschmalwand mit jenen der Kartoffel, um herauszufinden, warum der Erreger der Kraut- und Knollenfäule die Kartoffelpflanze krank machen kann, während er bei der Ackerschmalwand schon beim Eindringen in die Blätter scheitert. Mit Metabolomics-Ansätzen versuchen die IPB-Wissenschaftler zu verstehen, welche speziellen Metaboliten in den Blatthaaren einer Wildtomaten-Art für die Resistenz dieser Pflanzen gegen Insektenfraß verantwortlich sind, während die Kulturtomate diese Abwehrstoffe nicht mehr bildet und entsprechend anfälliger gegen Fraßfeinde ist. Auf der Suche nach neuen pharmazeutisch relevanten Wirkstoffen erstellen die Chemiker des Instituts regelmäßig Metabolitenbestandsaufnahmen von Nutz- und Heilpflanzen aus aller Welt.

    Die Erfassung der Metabolomdaten erfordert leistungsfähige Geräte zur Isolation der Metaboliten und zur Auftrennung von Stoffgemischen in seine Einzelsubstanzen. Mit diesen Maschinen zur Stofftrennung wie Hochleistungsflüssigkeitschromatographen (HPLC) und Gaschromatographen (GC) ist das IPB hervorragend ausgestattet. Ebenso zahlreich vorhanden sind hochsensitive Nachweis- und Analysegeräte zur Strukturaufklärung von Einzelsubstanzen wie Massen- und Kernresonanzspektrometer (NMR). Das Institut hat sich im Laufe der Jahre umfangreiche stoffliche und digitale Substanzbibliotheken aufgebaut. Bioinformatische Methoden, Datenbanken und Tools werden ständig angepasst und weiterentwickelt.

    Die Voraussetzungen zum Erfolg des Program Centers sind demnach gegeben, zumal die vorhandenen Ressourcen durch Anwendung von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen für die Zukunft ertüchtigt werden sollen. Mit dem MetaCom-Projekt will sich das IPB zu einem internationalen Referenzzentrum für spezialisierte Naturstoffe und kleine Moleküle entwickeln. Das Institut wird damit einen sichtbaren Beitrag zur Lösung ak-tueller Herausforderungen wie Klimawandel, Pflanzengesundheit, Bekämpfung von Infektionskrankheiten und Ernährungssicherheit leisten.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Alain Tissier
    Geschäftsführender Direktor des IPB
    E-Mail: Alain.Tissier@ipb-halle.de


    Weitere Informationen:

    https://www.ipb-halle.de/oeffentlichkeit/aktuelles/artikel-detail/die-vermessung...
    https://www.ipb-halle.de/forschung/program-center-metacom/


    Bilder

    Das Logo des künftigen Program Centers MetaCom
    Das Logo des künftigen Program Centers MetaCom

    Graphik: IPB


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte, Organisatorisches
    Deutsch


     

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