Wissenschaftler vom Krebsregister des Saarlands und vom Deutschen Krebsforschungszentrum zeigen: 2020 wurden im Saarland insgesamt 17 Prozent weniger Darmkrebs-Neuerkrankungen gemeldet als im Vergleichszeitraum 2015 bis 2019. Hochgerechnet auf ganz Deutschland ist daher mit insgesamt etwa 10.000 verzögert diagnostizierten Darmkrebserkrankungen zu rechnen.
Bereits zu Beginn der COVID-19-Pandemie, Anfang des Jahres 2020, hatten Experten vor Verzögerungen in der Diagnostik und Therapie von Krebserkrankungen gewarnt. Als Ursachen dafür wurden zum einen die Überlastung der Kliniken und anderer medizinischer Einrichtungen genannt. Zum anderen war schon früh abzusehen, dass viele Menschen aus Sorge vor einer Ansteckung die Früherkennungsuntersuchungen mieden.
„Diese beiden Effekte halten wir bei Darmkrebs für besonders beunruhigend, einer sehr häufigen Krebserkrankung, für die eine wirksame Vorsorge zur Verfügung steht“, sagt Hermann Brenner, Epidemiologe im Deutschen Krebsforschungszentrum.
Bundesweite Krebsregister-Daten aus dem Zeitraum der Pandemie liegen noch nicht vor. Doch das Krebsregister des Saarlands hat nun erste Zahlen zur Entwicklung der Darmkrebs-Neuerkrankungen im Jahr 2020 vorgelegt. Das Team um Bernd Holleczek, Krebsregister des Saarlands, und Hermann Brenner verglich die Zahlen der neudiagnostizierten Darmkrebs-Fälle im Jahr 2020 mit dem Durchschnittswert der Jahre 2015 bis 2019.
Über alle Quartale des Jahres 2020 hinweg lag die Anzahl der Neudiagnosen um 17 Prozent unter der aus den Vorjahren zu erwartenden Zahl. Am stärksten ausgeprägt war der Einbruch im zweiten Quartal 2020, in dem fast ein Drittel weniger Darmkrebsfälle als im Vergleichszeitraum diagnostiziert wurden. Dieser Einbruch wurde auch in den folgenden Quartalen des Jahres 2020 nicht mehr kompensiert.
„Wenn wir die im Saarland erhobenen Zahlen bundesweit hochrechnen, müssen wir für das Jahr 2020 von insgesamt etwa 10.000 verzögert diagnostizierten Darmkrebserkrankungen in ganz Deutschland ausgehen. Als Folge dieser Verzögerungen ist mit einem deutlichen Anstieg an spät diagnostizierten Fällen von Darmkrebs in den Folgejahren zu rechnen. Da bei spät erkannten Erkrankungen die Chancen auf Heilung schlechter stehen als bei früh diagnostizierten Tumoren, lohnt es sich, verschobene oder anstehende Darmkrebs-Früherkennungsuntersuchungen so rasch wie möglich nachzuholen und anstehende Untersuchungstermine auf jeden Fall wahrzunehmen“, empfiehlt Bernd Holleczek.
Hermann Brenner, Rafael Cardoso, Thomas Heisser, Michael Hoffmeister, and Bernd Holleczek: Indications of substantial delay of colorectal cancer diagnoses due to COVID-19 in Germany
The Lancet Regional Health Europe 2022, DOI: https://doi.org/10.1016/j.lanepe.2022.100543
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
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