Sehr kleine ausgeatmete Tröpfchen, sogenannte Aerosol-Partikel, spielen eine bedeutende Rolle bei der Übertragung von Krankheitserregern wie dem Corona-Virus über die Luft. Wie genau die kleinen Tröpfchen im Kehlkopf beim Sprechen oder Singen entstehen, untersuchten Forschende im Fachgebiet Strömungsmechanik anhand eines Modells. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physics of Fluids berichtet das Team von den Ergebnissen. Die Erkenntnisse helfen nun, zielgerichtete Maßnahmen zu entwickeln, um Infektionsketten zu stoppen.
„Jeder Mensch verbreitet mit der ausgeatmeten Luft neben Gasen auch Aerosol-Partikel. Der Zusammenhang zwischen einer erhöhten Infektionsgefahr und Husten, Singen oder lautem Sprechen, lässt vermuten, dass bei diesen Tätigkeiten vermehrt Partikel ausgestoßen werden“, erklärt Prof. Rüdiger Schwarze, Experte für Strömungsmechanik an der TU Bergakademie Freiberg.
Wie und wo genau die Partikel im Kehlkopf entstehen, untersuchte das Team nun erstmals anhand eines Modells der menschlichen Stimmlippen. „Die Stimmlippen sind zum Schutz mit einer dünnen, gelförmigen Flüssigkeitsschicht, dem sogenannten Mukus, überzogen. Beim Sprechen werden sie durch die Kehlkopfmuskeln gespannt und mit der Ausatemströmung zum Schwingen gebracht. Je nach Anspannung und Luftstrom entstehen verschiedene Töne“, erklärt Erstautorin Lisa Fritzsche, die das verwendete Modell aus Plexiglas und Stimmlippen aus Silikon entwickelt hat.
Um realitätsnahe Eigenschaften der Silikon-Stimmlippen zu erhalten, wurden diese am Freiberger Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen (FILK Freiberg Institute gGmbH) oberflächenmodifiziert. Das Modell zeigt, wie der Mukus zwischen den schwingenden Stimmlippen einen Flüssigkeitsfilm bildet. Die ausgeatmete Luft formt aus dem Film eine Blase. Platzt diese Blase, entsteht eine Vielzahl von Tröpfchen, die mit dem Luftstrom in den Mund transportiert und dann als Aerosol ausgeatmet werden.
Detaillierte Messungen am Modell-Experiment
Mit hochauflösenden Kameras und einem speziellen optischen Aufbau konnten die Forschenden messen, wie unterschiedliche Schwingungen der Stimmlippen die Größenverteilung der Aerosol-Partikel beeinflussen. „Werden durch schnelle Schwingungen hohe Töne erzeugt, werden vor allem kleinere Aerosol-Partikel ausgeatmet, die etwa die Größe eines Staubkorns haben. Wird bei lauteren Tönen mehr Luft ausgeatmet, entstehen auch größere Aerosol-Partikel, die etwa so groß sind wie ein Sandkorn“, fasst Lisa Fritzsche zusammen.
Grundlage für gezielte Maßnahmen, die Infektionsketten durchbrechen
Die Ergebnisse zeigen, welche Mechanismen für die Ausbildung der Aerosole an den Stimmlippen verantwortlich sind und wie Sprechlautstärke und Tonhöhe die Größen der Tröpfchen beeinflussen. „Was wir nun also weiter untersuchen müssen, sind die Eigenschaften des Mukus und wie diese mit der Größe der ausgeatmeten Aerosol-Partikel zusammenhängen“, sagt Prof. Rüdiger Schwarze. Könnte der Mukus einer infizierten Person künftig beispielsweise durch Medikamente gezielt beeinflusst werden, ließe sich das Ansteckungsrisiko für Kontaktpersonen senken. In weiteren Studien will das Team außerdem den weiteren Weg der Aerosole im Rachenraum genauer untersuchen.
Prof. Dr. Rüdiger Schwarze, ruediger.schwarze@imfd.tu-freiberg.de
Lisa Fritzsche, Ruediger Schwarze, Frauke Junghans, Katrin Bauer: Toward unraveling the mechanisms of aerosol generation during phonation. Physics of Fluids (2022), https://doi.org/10.1063/5.0124944
Abbildung des Versuchsaufbaus der Messung am Modell-Experiment.
TU Bergakademie Freiberg
Grafik: TU Bergakademie Freiberg
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Maschinenbau, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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