Waldbewohnende Fledermäuse benötigen komplexe Waldstrukturen, um im Sommer erfolgreich zu brüten. Neue Forschungsergebnisse eines internationalen Teams des Ukrainian Bat Rehabilitation Center (UBRC) und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) aus der Region Charkiw (Ostukraine) zeigen, dass große Bestände von mindestens 90 Jahre alten Wäldern die Brutaktivitäten von Fledermäusen, die Häufigkeit ihres Vorkommens und die Artenvielfalt verbessern. Das zahlenmäßige Vorkommen und die Vielfalt der Fledermausarten stiegen von Hochlandflächen, die von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben sind, zu Flächen am Fluss oder am Wasser mit hohem Waldanteil deutlich an.
Die Arbeit wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „Forests“ veröffentlicht.
Alte Laubwälder werden wegen der hohen potenziellen Einnahmen aus dem Holzverkauf auf internationalen Märkten am häufigsten abgeholzt. Die mit diesen Waldbeständen verbundene biologische Vielfalt ist daher weltweit bedroht. Eine stark betroffene Gruppe von Arten sind die in Europa vielfach gesetzlich geschützten Fledermäuse. Ein Team um Erstautoren Dr. Anton Vlaschenko vom UBRC und Dr. Viktoriia Radchuk vom Leibniz-IZW untersuchte, wie die Fledermausvielfalt durch die Gestaltung des Lebensraums und das Alter der Waldbestände in der Region Charkiw beeinflusst wird. Die Region Charkiw liegt im Nordosten der Ukraine und markiert den Übergang zwischen der Waldsteppe und der Steppenzone. Die fragmentierten Laubwälder, die für diese Region typisch sind, treten in gemäßigten Zonen regelmäßig auf, aber die Beziehung zwischen Fledermausvielfalt, Gestaltung des Lebensraumes und der Waldstruktur ist noch weitgehend unerforscht. Das Verständnis dieser Zusammenhänge ist von großer Bedeutung für die Gestaltung effizienter Schutzmaßnahmen für Fledermäuse.
Die Ergebnisse des Teams zeigen, dass die Intensität der Abholzung in der Untersuchungsregion von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich war und nicht mit dem Anteil alter Wälder im jeweiligen Bezirk zusammenhing. So konnten die Wissenschaftler:innen untersuchen, wie das Vorkommen von Fledermäusen durch den Anteil der Kahlschläge und der alten Wälder in der Landschaft beeinflusst wurden. „Das auffälligste Ergebnis war ein deutlicher Anstieg der Fledermausvielfalt in der Nähe von Flusslebensräumen, der durch das Vorhandensein von Altwäldern mit einem Durchschnittsalter von mehr als 90 Jahren noch verstärkt wurde“, sagt Ko-Autor Dr. Yehor Yatsiuk von der Universität Tartu (Estland). „Alte Wälder sind in der Region Charkiw relativ häufig, 22 Prozent der Wälder haben ein Alter von mehr als 90 Jahren. Jedoch stehen diese nur selten in der Nähe von Gewässern. Somit bedecken die von uns identifizierten idealen Lebensräume für Fledermäuse auf regionaler Ebene sehr viel kleinere Flächen.“
Erstautor Anton Vlaschenko, Co-Leiter des UBRC, sagt: „Wir sammelten die Felddaten, die in dieser Untersuchung verwendet werden, über einen langen Zeitraum von mehr als zehn Jahren. Es war eine kontinuierliche Anstrengung und harte Feldarbeit in mehr als zehn Sommern. Wir kampierten in Zelten und verbrachten Hunderte von schlaflosen Nächten in der Nähe von Netzen. Später hatten wir auch einige Herausforderungen bei der Analyse dieser Daten. Ende 2021 waren wir kurz davor, das Manuskript fertig zu stellen. Durch die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Leibniz-IZW und mit Hilfe des dreimonatigen Stipendiums, welches das Leibniz-IZW ab dem 24. Februar 2022 für mich und unsere Teammitglieder zur Verfügung stellte, konnten wir diese Arbeit abschließen.“
„Das erste Mal habe ich 2009 als Studentin an der Feldforschung zu Fledermäusen teilgenommen“, fügt Koautorin Dr. Kseniia Kravchenko vom UBRC und Leibniz-IZW hinzu. „Die damals gesammelten Daten sind in die aktuelle Publikation eingeflossen. Seitdem sind Fledermäuse zu meiner großen Leidenschaft geworden und bilden den Schwerpunkt meiner aktuellen Forschung. Indem wir die ökologischen Bedürfnisse dieser Tiere untersuchen, können wir die ökologischen Zusammenhänge in der Natur besser verstehen.“ Dr. Yehor Yatsiuk fährt fort: „Meine Forschung konzentriert sich auf Zusammenhänge zwischen der historischen Verteilung der Wälder und der Bewirtschaftung mit Tierarten in der Ostukraine. In den letzten Jahrzehnten haben wir eine Zunahme der Intensität des Kahlschlags in dieser Region beobachtet. Unser Ziel ist es, den Schutz der Artenvielfalt in den Wäldern zu gewährleisten. Vor zehn Jahren haben wir eine Reihe von Projekten initiiert, die darauf abzielen, die ältesten und größten Wälder hier zu untersuchen, wobei der Schwerpunkt auf mehreren Gruppen gefährdeter Arten liegt, von Landschnecken über Raubvögel bis hin zu Fledermäusen.“
„Unsere Untersuchung zeigt, dass sich alte Wälder und Flusslebensräume positiv auf die Brutaktivitäten von Fledermäusen, die Häufigkeit einzelner Fledermausarten und die Zusammensetzung der Artengemeinschaften insgesamt auswirken. Die Tatsache, dass wir auf allen Ebenen der ökologischen Organisation die gleiche Reaktion auf die Landschaftsstruktur feststellen, unterstreicht die Bedeutung des Schutzes von alten Eichenbeständen und Flusslebensräumen für die Erhaltung der Fledermausvielfalt in der Region“, fügt Erstautorin Dr. Viktoriia Radchuk, Wissenschaftlerin in der Leibniz-IZW-Abteilung für Ökologische Dynamik, hinzu. „Die Zusammenarbeit mit den Fledermausforschern aus Charkiw hat mir sehr viel Spaß gemacht, ihr Enthusiasmus und ihr Gruppengeist haben mich inspiriert.“
Dr. Viktoriia Radchuk
Wissenschaftlerin in der Abteilung für Ökologische Dynamik
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
Tel.: +49 30 5168-454
E-Mail: radchuk@izw-berin.de
Dr. Anton S. Vlaschenko
Leiter des Ukrainian Bat Rehabilitation Center (UBRC)
Tel.: +380678031533
E-Mail: anton.vlaschenko@gmail.com
Vlaschenko A, Kravchenko K, Yatsiuk Y, Hukov V, Kramer-Schadt S, Radchuk V (2022): Bat Assemblages Are Shaped by Land Cover Types and Forest Age: A Case Study from Eastern Ukraine. Forests 2022, 13, 1732. DOI: 10.3390/f13101732
Alte Wälder und Flusslebensläufe in der Ost-Ukraine
Yehor Yatsiuk
Yehor Yatsiuk (UBRC, Leibniz-IZW)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Gesellschaft, Politik, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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