Schwangerschaftsabbrüche gehören zur gesundheitlichen Versorgung in Deutschland, deren Beratung, Betreuung und Versorgung evidenzbasiert und interdisziplinär erfolgen sollte. Um diesem Qualitätsanspruch gerecht zu werden, hat die AWMF unter Federführung der DGGG die erste S2k-Leitlinie zu diesem Thema veröffentlicht.
Berlin, im Januar 2023 – Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland ein relativ häufiger Eingriff. Laut Statistischem Bundesamt werden derzeit pro Jahr etwa 100.000 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Prinzipiell kann eine Schwangerschaft medikamentös oder operativ abgebrochen werden. Während in manchen anderen Ländern Leitlinien vorliegen, waren die medizinischen Verfahren und Vorgehensweisen bei Schwangerschaftsabbruch auf nationaler Ebene bisher nicht in einer evidenzbasierten Leitlinie geregelt.
Leitlinie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums erstellt
Um dem abzuhelfen, wurde nun nach den Regularien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) die erste S2k-Leitlinie zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum veröffentlicht.
Erarbeitet wurde die Handlungsempfehlung unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) und Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde sowie zahlreicher weiterer Fachgesellschaften, Organisationen und Vereine. Dazu zählen u.a. der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) und die Akademie Ethik in der Medizin e.V. (AEM) sowie die Bundesverbände donum vitae und pro familia.
Ziel dieser Leitlinie ist die Vereinheitlichung von Beratung, Durchführung und Nachsorge beim Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten, unabhängig von dessen Indikation, für den ambulanten und stationären Bereich. Die Empfehlungen richten sich an Ärztinnen und Ärzte, die selbst Schwangerschaftsabbrüche durchführen, und an jene Professionen, die in die Betreuung und Beratung von Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen wollen, einbezogen sind.
„Schwangerschaftsabbrüche sind sowohl für die betroffenen Frauen als auch für die diesen durchführenden bzw. begleitenden Ärztinnen und Ärzte eine in der modernen Medizin einzigartige Maßnahme. Im Spannungsfeld zwischen Schutz des ungeborenen Lebens und Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau sind Schwangerschaftsabbrüche aus ethisch-moralischen und rechtlichen Gründen mit keiner anderen ärztlichen Handlung vergleichbar.“
Prof. Dr. Matthias David (Berlin)
DGGG-Leitlinienkoordinator
Schwangerschaftsabbruch gilt als sichere medizinische Behandlung
Um betroffene Frauen zu befähigen, eine informative und selbstbestimmte Entscheidung zu treffen, sei der Zugang zu evidenzbasierten Informationen essenziell. Auch beteiligte Fachkräfte sollten die vorhandenen Informationsquellen kennen und bedürfnisgerecht anbieten können. Bevor ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wird, sollte die Schwangerschaft und deren Dauer ärztlich festgestellt werden. Grundsätzlich gilt ein Schwangerschaftsabbruch als sichere medizinische Behandlung. Ob eine Schwangerschaft medikamentös oder operativ beendet wird, sollte die Frau – nach Aufklärung über die unterschiedlichen Voraussetzungen und Folgen – nach den persönlichen Präferenzen entscheiden. Spezifischen Empfehlungen zur Durchführung und Nachkontrolle eines operativen und eines medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs widmen die AutorInnen jeweils ein eigenes Kapitel. Nach operativen und medizinischen Verfahren wird eine frauenärztliche Nachuntersuchung empfohlen. Auch eine Beratung zu individuellen Verhütungsmethoden sowie das rechtzeitige Erkennen von psychischen Problemen im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch werden thematisiert.
„Ein Schwangerschaftsabbruch kann für Frauen eine seelische und körperliche Herausforderung darstellen. Umso wichtiger ist es, den Fachkräften und somit auch den betroffenen Frauen eine informative Beratung und evidenzbasierte Behandlung nach aktuell bestem medizinischem Wissen zu ermöglichen.“
Prof. Dr. Stephanie Wallwiener (Heidelberg)
DGPFG-Leitlinienkoordinatorin
Die Leitliniengruppe setzte sich aus 15 mandatstragenden Fachgesellschaften und Organisationen zusammen. Von einer unabhängigen Epidemiologin wurde ein Bericht zu Übersichtsarbeiten und methodisch hochwertigen Leitlinien erstellt. Die Empfehlungen wurden unter neutraler Moderation mittels strukturiertem Konsensverfahren verabschiedet. Nach Erstellung einer Entwurfsfassung konnte die Leitlinie öffentlich kommentiert werden, die Leitliniengruppe hat die Kommentare berücksichtigt. Finanziert wurde dieses Leitlinienprojekt durch das Leitlinienprogramm der DGGG e.V.
Die Besonderheit liegt in der raschen Aktualisierung mit einer Anhebung der methodischen Stufenklassifikation auf S3-Niveau. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) wird – entsprechend der gesetzlichen Möglichkeit seit 2020 – für sechs Fragestellungen der Leitlinie spezifische Evidenzberichte erstellen. Die Leitliniengruppe trifft sich danach, um die Empfehlungen neu zu diskutieren.
„Der DGGG-Vorstand ist dankbar, dass die Leitlinie für dieses sensible Thema nun auf den Weg gebracht wurde. Damit existiert für Deutschland endlich auch eine evidenzbasierte Handlungsempfehlung für alle Medizinerinnen und Mediziner, die Schwangerschaftsbrüche vornehmen.“
Prof. Barbara Schmalfeldt,
Präsidentin der DGGG e.V.
Das AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement begleitet Leitlinienvorhaben methodisch und durch Moderation. Im AWMF-Leitlinienregister werden Leitlinien nur nach Anmeldung und abschließender formaler Prüfung auf die Einhaltung der Regeln publiziert.
Leitlinien sind Handlungsempfehlungen. Sie sind rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung.
Pressekontakt
Sara Schönborn | Heiko Hohenhaus I Katja Mader
Pressestelle Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V.
Jägerstraße 58-60
10117 Berlin
Telefon: +49 (0)30-514 88 3333
E-Mail: presse@dggg.de
Internet: www.dggg.de
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-094
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Recht
überregional
Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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