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31.01.2023 12:14

Wie einfache Salzlösungen wertvolle Museumsexponate vor Luftschadstoffen schützen

Claudia Ehrlich Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    Die Methode verbraucht keinen Strom, ist umweltfreundlich, günstig und schlicht: Um Exponate in Museumsvitrinen vor Schäden durch Luftschadstoffe zu schützen, setzen Forscherinnen und Forscher aus Stuttgart und Saarbrücken auf Salze und Wasser. Wie die Konzentration typischer Schadstoffe in Vitrinen durch verschiedene Salzlösungen abnimmt, untersuchen der Experte für Gasmesstechnik Professor Andreas Schütze von der Universität des Saarlandes und der Stuttgarter Spezialist für Konservierung und Restaurierung Professor Gerhard Eggert. Ihr Forschungsprojekt gemeinsam mit der Kunstsammlung Veste Coburg als Praxispartner fördert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt DBU mit 125.000 Euro.

    Ob Goldmaske des Tutanchamun, römischer Paradehelm oder Sammlungen kostbarer Glaspokale und Papyri – in Museumsvitrinen werden unwiederbringliche Zeugnisse ihrer Zeit aufbewahrt. Gut verschlossen sind die empfindlichen Preziosen darin geschützt vor zu neugierigen Fingern. Doch die Gefahr lauert auch hinter dem Vitrinenglas. Hier kann es für die alten Schätze zu feucht oder zu trocken werden. Aber auch Schadstoffe in der Luft setzen den Kleinodien zu. So sehr, dass sie sichtbaren Schaden nehmen oder gar zerstört werden können.

    „Aus anderen Ausstellungsstücken können Gase entweichen, zum Beispiel emittiert aus Eichenholz Essigsäure. Auch das Material, mit dem restauriert wurde, kann ausdünsten. Formaldehyd, schwefelhaltige oder saure Gase und andere schädliche Verbindungen gelangen so in die Luft im Inneren der Vitrine“, erklärt der emeritierte Professor für Konservierung und Restaurierung Gerhard Eggert von der Kunstakademie Stuttgart. Die Folge: Auf kalkhaltigen Materialien entstehen Ausblühungen, Silber läuft an, Kupfer bekommt hässliche schwarze Flecken, auch andere Legierungen werden angegriffen. Für altes Glas sind solche Luftschadstoffe ebenso heikel: „In Anwesenheit von Luftfeuchtigkeit verursachen sie beim Kontakt von Glas zu Metall Korrosion“, erläutert Gerhard Eggert.

    Der Stuttgarter Physikochemiker besinnt sich zum Schutz der Kunstschätze unter Glas auf ein altes Mittel: die gesättigte Salzlösung. Diese kam in früheren Zeiten bisweilen in Museen schon zum Einsatz, geriet dann aber mehr und mehr in Vergessenheit. Gemeinsam mit dem Gasmesstechniker Professor Andreas Schütze von der Universität des Saarlandes will Eggert nachweisen, dass eine offene Schale mit gesättigter Salzlösung im Vitrinenboden nicht nur fast temperaturunabhängig für konstante Luftfeuchtigkeit sorgt, sondern auch bestens Schadstoffe absorbiert – viel besser als moderne Methoden etwa auf Basis des Feuchteregulators Silikagel, dem man im Alltag oft als Trockenmittel in Beutelchen bei neu gekauften Produkten begegnet.

    In dem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Forschungsprojekt „Salz in der Vitrine“ untersucht Andreas Schützes Saarbrücker Forschungsteam hierfür, inwieweit verschiedene Salzlösungen die zerstörerischen Schadgase aus der Luft absorbieren und unschädlich machen. Sie messen mithilfe aufwändiger Laboranalytik sowie mit Gassensorsystemen, wie die Lösungen den Schadstoffgehalt in der Luft jeweils beeinflussen.

    Die Gassensorikexperten der Universität des Saarlandes sind spezialisiert auf Gasmesstechnik mit mikrostrukturierten Halbleiter-Gassensoren. Diese Sinnesorgane für die Technik messen sehr feinfühlig unter anderem flüchtige organische Verbindungen. Andreas Schützes Forschungsgruppe entwickelt in zahlreichen großen Forschungsprojekten neuartige Gassensorsysteme, mit denen sie die Luftreinheit in Innenräumen überwachen, Brände oder Undichtigkeiten erkennen oder die Qualität von Lebensmitteln bewerten können. Schützes Team arbeitet daran, die künstlichen Sinnesorgane immer feinfühliger, genauer und empfindlicher schnuppern zu lassen: Ihre Verfahren sind inzwischen so ausgereift, dass sie in der Raumluft einzelne Schadstoffmoleküle unter einer Milliarde Luftmolekülen ausfindig machen. Auflösung und Empfindlichkeit ihrer Verfahren erreichen damit Konzentrationsbereiche, die bislang ausschließlich der Analytik vorbehalten war.

    Im Rahmen des Projekts „Salz in der Vitrine“ statten die Ingenieure Vitrinen im Labor und auch in der Kunstsammlung der Burg Veste Coburg mit verschiedenen gesättigten Salzlösungen aus. Dabei kommen zum Einsatz Magnesiumnitrat, also das als Pflanzendünger bekannte Magnesiumsalz der Salpetersäure, oder Kaliumcarbonat: Das Kaliumsalz der Kohlensäure wird landläufig auch als Pottasche bezeichnet und als Backpulver für Lebkuchen verwendet. Diese Lösungen geben selbst keine korrosiven Gase ab, werden also nicht selbst zur Gefahr für die Museumsstücke. Die Saarbrücker Forscherinnen und Forscher untersuchen, wie die Konzentration der Luftschadstoffe sich durch die Salzlösungen verändert. Im Labor versetzen sie die Innenluft hierzu gezielt mit typischen Schadstoffen. „Wir haben Gasmischanlagen entwickelt, mit denen wir bis zu 16 Gase sowie Feuchte und Sauerstoffgehalt unabhängig einstellen können“, erklärt Andreas Schütze. Zugrunde liegt dabei die Annahme, dass wasserlösliche Luftschadstoffe zum großen Teil in der Salzlösung gebunden werden und damit die Luft von ihnen gereinigt wird.

    Parallel zu den Versuchen im Labor und in Coburg sollen Museen im In- und Ausland den praktischen Einsatz der Salzlösungen in Vitrinen erproben. Die Federführung hierfür liegt bei der Kunstsammlung der Veste Coburg. Ab sofort können sich interessierte Museen mit jeweils ein oder zwei Vitrinen beteiligen. Ein entsprechendes Merkblatt ist verfügbar.

    Kontakt für Museen: Prof. Dr. Gerhard Eggert: gerhard.eggert@abk-stuttgart.de

    Weitere Pressefotos finden Sie unter
    https://www.uni-saarland.de/aktuell/salz-in-der-vitrine-26213.html


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Andreas Schütze:
    Tel.: (0681) 302 4663; E-Mail: schuetze@lmt.uni-saarland.de


    Weitere Informationen:

    https://www.lmt.uni-saarland.de - Lehrstuhl für Messtechnik an der Universität des Saarlandes


    Bilder

    Instabiles Glas bewirkt Kontaktkorrosion am Messinggehäuse einer Uhr: Durch Formaldehyd aus Holzwerkstoffen entstehen Formiate des Kupfers (grün) und des Zinks (weiß).
    Instabiles Glas bewirkt Kontaktkorrosion am Messinggehäuse einer Uhr: Durch Formaldehyd aus Holzwerk ...
    Foto: Andrea Fischer
    ABK Stuttgart

    Professor Andreas Schütze und sein Team sind Spezialisten für neuartige Gassensorsysteme.
    Professor Andreas Schütze und sein Team sind Spezialisten für neuartige Gassensorsysteme.
    Foto: Oliver Dietze
    Universität des Saarlandes


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Chemie, Elektrotechnik, Geschichte / Archäologie, Kunst / Design, Maschinenbau
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Instabiles Glas bewirkt Kontaktkorrosion am Messinggehäuse einer Uhr: Durch Formaldehyd aus Holzwerkstoffen entstehen Formiate des Kupfers (grün) und des Zinks (weiß).


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    Professor Andreas Schütze und sein Team sind Spezialisten für neuartige Gassensorsysteme.


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