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07.02.2023 10:32

Initiative gegen Medikamentenmangel

Lutz Ziegler Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Fehlende Wirkstoffe und hohe Abhängigkeit von globalen Lieferanten: Medikamentenmangel macht aktuell Schlagzeilen. Ein interdisziplinäres Projekt der Uni Würzburg will das Problem an der Wurzel packen.

    Die breite Öffentlichkeit war mit dem Thema Medikamentenmangel zuletzt durch Engpässe bei Fiebermitteln in Berührung gekommen. Doch auch lebenswichtige Arzneimittel wie Antibiotika oder Wirkstoffe, die für eine sogenannte „Last-Line-Therapie“ eingesetzt werden, können betroffen sein. Letzteres sind Mittel, die zwar nur wenige Menschen benötigen, die für diese aber im Zweifel lebensrettend sein können. Expertinnen und Experten warnen derweil schon seit Jahren – eine von Ihnen ist die Würzburger Professorin Ulrike Holzgrabe.

    Essential Therapeutics Initiative for Chemicals Sourcing for the European Union – kurz: EThICS. So heißt eine wissenschaftliche Initiative der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), die sich die Sicherung der Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln in Europa zum Ziel gesetzt hat.

    Entstanden ist das Projekt im Sommer 2022 auf Initiative Holzgrabes, Seniorprofessorin am Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie, und des Apothekers Dr. Uwe Weidenauer.

    Beide beschäftigen sich schon seit Jahren mit der Problematik der Mono-Struktur von Lieferketten bei Wirkstoffen und damit Arzneimitteln. Deren Produktion ist seit den 1970ern aus Europa in Richtung Indien und China abgewandert. Entstanden ist eine Abhängigkeit von diesen Produzenten. Sind die Lieferketten gestört, kommt es in Deutschland und Europa immer häufiger zu Engpässen.

    Pharmazeutische trifft auf wirtschaftliche Expertise

    EThICS versteht sich explizit nicht als Reaktion auf die neueste Notlage, die aktuell medial für reichlich Aufsehen sorgt. Es sei auch nicht Ziel, nun sämtliche Ad-hoc-Reaktionen aus der Politik zu bewerten – das betont Andrea Szczesny. Sie ist an der JMU Lehrstuhlinhaberin für BWL, Controlling und Interne Unternehmensrechnung und beschäftigt sich in ihrer Forschung mit gesundheitsökonomischen Fragestellungen. Auf sie und Professor Richard Pibernik vom Lehrstuhl für Logistik und Quantitative Methoden in der Betriebswirtschaftslehre waren Holzgrabe und Weidenauer zugegangen, um das Thema anzugehen.

    „Unser Fokus liegt explizit nicht auf kurzfristigen Maßnahmen, um Notstände zu überbrücken. Wir wollen vielmehr nachhaltige Lösungen für dieses Problem finden“, so Szczesny. Da dieses „nicht monokausal und äußerst komplex“ sei, sind grundlegende Änderungen an verschiedenen Stellen des Systems nötig.

    Kurz- und mittelfristig werden von der Forschergruppe ausgewählte Lieferketten lebenswichtiger Arzneimittel dokumentiert und analysiert – und zwar von der Rohstoffgewinnung über die verschiedenen Produktionsstufen hinweg bis zum Vertrieb.

    Vier Wirkstoffe im Fokus

    Hierfür hat sich das interdisziplinäre Team vier Wirkstoffe ausgesucht, die sowohl eine hohe therapeutische Relevanz als auch große Abhängigkeit von globalen Lieferanten aufweisen. Anhand dieser sollen, aufbauend auf der Analyse der Lieferketten, alternative Szenarien mit höherer Versorgungssicherheit entwickelt, ökonomische Implikationen für die nationalen Gesundheitssysteme quantifiziert und daraus schließlich Handlungsempfehlungen für die Politik abgeleitet werden.

    Klar ist: Die Versorgungssicherheit muss erhöht werden. Was uns diese Sicherheit wert ist, gelte es gesellschaftlich abzuwägen, da all diese Maßnahmen mit Kosten verbunden sein werden, so Andrea Szeczesny.

    Eine Facette des Problems ist die Verringerung der Abhängigkeit von einzelnen Ländern wie Indien und gerade China. „Es geht hier nicht darum, einzelnen Ländern etwas zu unterstellen oder zu fordern, sämtliche Produktion wieder nach Deutschland zu holen. Dies wäre weder ökonomisch noch gesellschaftlich sinnvoll.“ so Richard Pibernik, der Leiter der Initiative. Er erläutert, dass die Abhängigkeit von einzelnen Ländern auf solch essenziellen Gütermärkten und die damit verbundenen Risiken dringend reduziert werden müssten.

    Team aufbauen, Förderungen finden

    Noch steckt das Projekt im Aufbau. Um die geplanten Studien zu realisieren, will EThiCS zukünftig mehrere Stellen für Postdocs, Doktorandinnen und Doktoranden anbieten. Auch der Beirat mit Experten aus der Praxis soll noch um wichtige Stakeholder erweitert werden. Als Grundlage für eine Diskussion mit diesen sollen nach spätestens zwölf Monaten erste Ergebnisse präsentiert werden. Das Feedback will man anschließend nutzen, um die aussichtsreichsten Optionen für eine Neugestaltung der Lieferketten zu identifizieren und detailliert in Bezug auf ihre technische, politische und ökonomische Umsetzbarkeit zu evaluieren.

    Das Team schätzt den Finanzierungsbedarf auf 500.000 Euro pro Jahr. Derzeit suche man intensiv nach Unterstützung für die erste Phase des Projekts. Dabei sind auch kleinere Summen für die Ausarbeitung einzelner Aspekte hilfreich, um schnell wichtige Erkenntnisse zu generieren. Nach einem erfolgreichen Einstieg ins Vorhaben und ersten Erkenntnissen sind große Förderanträge bei Drittmittelgebern auf nationaler und internationaler Ebene geplant.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Richard Pibernik, Lehrstuhlinhaber für für Logistik und Quantitative Methoden in der BWL, Tel: 49 931 31 – 80243, E-Mail: bwl11@wiwi.uni-wuerzburg.de
    Prof. Dr Ulrike Holzgrabe, Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie, Tel: +49 (0) 931 / 31 – 85461, E-Mail: ulrike.holzgrabe@uni-wuerzburg.de
    Prof. Dr. Andrea Szczesny, Lehrstuhlinhaberin für BWL, Controlling und Interne Unternehmensrechnung, Tel: +49 931 31-80961, E-Mail: bwl9@wiwi.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Medizin, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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