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28.05.2004 16:49

Bahnbrechender Erfolg in der Erforschung adulter Stammzellen

Dr. Johannes Ehrlenspiel Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    An der Universität zu Lübeck in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (St. Ingbert, Berlin) ist es der Arbeitsgruppe um Privatdozent Dr. Charli Kruse am Lehrstuhl von Professor Peter K. Müller gelungen, Zellen aus dem Drüsengewebe des Menschen und der Ratte zu gewinnen, die in hohem Maße die Merkmale adulter pluripotenter Stammzellen aufweisen. Das Besondere dieses Wissenschaftserfolges ist, dass sich nach dem Kruse-Verfahren erstmals sehr stabile und ergiebige Stammzellkulturen herstellen lassen, die viele Eigenschaften embryonaler Stammzellen, wie gute Vermehrbarkeit bei hohem Differenzierungspotential in die Zelltypen aller drei Keimblätter, aufweisen.

    Was trotz weltweiter intensiver Suche bisher nicht gelungen war, konnte in nur eineinhalb Jahren am Beispiel der Ratte aber auch des Menschen wiederholt gezeigt werden. Die vor mehr als einem Jahr aus verschiedenen Spendergeweben, unter anderem auch aus einem 74-jährigen Patienten, gewonnenen Stammzellen vermehren sich sehr gut in stabilen in vitro-Kulturen. Eine der angelegten Stammzelllinien befindet sich inzwischen in der 25. Kultur-Passage und blieb ohne Co-Kultur mit anderen Zellen oder die Differenzierung unterdrückender Zusätze undifferenziert und stabil in ihren Eigenschaften. Die Stammzellen erweisen sich dabei bisher als sehr gut vermehrbar und kryokonservierbar.

    Die Wissenschaftler konnten darüber hinaus zeigen, dass über geeignete Kultivierungsschritte sehr definiert die Differenzierung der Zellen induziert werden kann. Wie sonst bei embryonalen Stammzellkulturen beobachtet, bilden die Lübecker Zellkulturen "organoide Gewebekörper" aus, die ihrerseits wieder in stabile sich selbst vermehrende Differenzierungskulturen überführt werden konnten. Bemerkenswert ist, dass diese Gewebeschichtungen in den Kulturschalen über Monate weiter wachsen und Gewebekomposite von einigen Millimetern Größe hervorbringen, in denen sich Zellen und Zellformationen mit Eigenschaften des Meso-, Ekto- und Entoderms finden. Organbildungen (Blutkreislauf, Herz, Niere etc.), wie sie für Embryonen charakteristisch sind, treten in den Gewebekörpern hingegen nicht auf.

    Die Ergebnisse besitzen höchste Bedeutung für die Stammzellforschung, da nunmehr im Körper leicht zugängliche Quellen gefunden wurden, um nahezu aus jedem Wirbeltier aber auch aus dem Menschen, ungeachtet des Geschlechts und des Alters, hochpotente Stammzellen zu gewinnen, die vor allem für medizinische aber auch biotechnologische Zwecke einsetzbar sind. Weitere Prüfungen und Absicherungen der Ergebnisse müssen folgen.

    Man ist der Vision, von vielen Tieren aber auch dem Menschen ein Stammzelldepot ausreichender Größe für eine spätere landwirtschaftliche, biotechnologische bzw. individuell-medizinische Nutzung anlegen zu können, einen großen Schritt näher gekommen. Auch für das Tissue Engineering stehen damit in Kürze neue adulte Stammzelllinien verschiedenster Herkunft zur Verfügung.

    Eine weitere biotechnologisch und medizinisch außerordentlich wichtige Eigenschaft der Lübecker Stammzelllinien ist ihre gute Konservierbarkeit bei Temperaturen des flüssigen Stickstoffs (Siedepunkt -196 °C). Das ermöglicht die frühzeitige Ablage und Lebendlagerung der Zellen für Tage, Monate oder Jahre bis zum späteren Einsatz. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT wurden speziell gestaltete Substrate (Mikrocontainer) zur Aufnahme von Stammzellsuspensionen aber auch "organoiden Körpern" entwickelt, in denen eine zeitlich unbegrenzte Lagerung der wertvollen Zellen und Aggregate ohne Verlust der Vitalität möglich ist.

    In der Mikrocontainer-Kryobank des Fraunhofer IBMT in Sulzbach (Saarland) wurde auf der Basis der in den letzten Jahren entwickelten Kryotechnologieplattform des Fraunhofer IBMT der Kern einer Stammzellsammlung angelegt, in die die Kruse'schen Stammzelllinien bereits eingegliedert wurden und als Referenz für zukünftige Untersuchungen zur Verfügung stehen.

    Die Bundesrepublik Deutschland erlangt durch Dr. Kruses Forschungsergebnisse eine Schlüsselposition in der adulten Stammzellforschung. Es gilt nun, diesen Vorsprung Deutschlands zu nutzen und durch gleichzeitige Verstärkung der Grundlagen- und Anwendungsforschung auszubauen. Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Ergebnisse hat das Fraunhofer IBMT - vertreten durch seinen Direktor Professor Günter R. Fuhr - zu Beginn des Jahres mit der Universität zu Lübeck - vertreten durch den Rektor Professor Alfred X. Trautwein - die IBMT-Arbeitsgruppe "Zelldifferenzierung & Zelltechnologie" am Multifunktionszentrum auf dem Lübecker Hochschul-Campus gegründet und installiert. Auf diese Weise konnte der Leiter der Arbeitsgruppe, Privatdozent Dr. Charli Kruse, ohne Unterbrechung und verbunden mit einer sofortigen finanziellen Anschubförderung seine Forschungsarbeiten fortsetzen und intensivieren. Die Arbeitsgruppe ist in Anbetracht des hohen biotechnologisch-medizinischen Potenzials der Ergebnisse in ein Integriertes Projekt der Europäischen Union "CellPROM" einbezogen worden, dessen Ziel die definierte oberflächenbasierte Induktion der Differenzierung von Zellen ist.

    Die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung wurden vorab über die Ergebnisse informiert und in die strategische Forschungsplanung einbezogen. Die Universität zu Lübeck, das Fraunhofer IBMT (St. Ingbert bei Saarbrücken) und das Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie (Göttingen) haben auf Initiative des Fraunhofer IBMT eine Forschungsallianz gebildet, die die Ergebnisse adulter Stammzellgewinnung prüft, bewertet und ausbaut.

    Diese Initiative zwischen Universität, Grundlagen- und Anwendungsforschung ist ein gelungenes Beispiel für integriertes Vorgehen zum Ausbau zukunftsträchtiger Forschungsfelder und daraus resultierender wirtschaftlicher Erfolge im Lande. Sie belegt - entgegen vielen Behauptungen - anschaulich die Handlungsfähigkeit und hohe Flexibilität der deutschen Forschungsinstrumente und stärkt die Bedeutung des Universitätsstandortes Lübeck mit seiner Fokussierung auf biomedizinische Forschung.

    Presse und Öffentlichkeitsarbeit am IBMT:
    Dipl.-Phys. Annette Eva Maurer
    Telefon 0 68 94 / 9 80-1 02, Fax -4 00, annette.maurer@ibmt.fraunhofer.de


    Weitere Informationen:

    http://www.ibmt.fraunhofer.de
    http://www.fraunhofer.de/presseinfo


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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