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11.02.2023 18:00

Zusammen mit der Deutschen Stiftung für Herzforschung verleiht die DGTHG 2023 den Dr. Rusche-Forschungsprojekt-Preis

Regina Iglauer-Sander Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V.

    Der Dr.-Rusche-Forschungsprojekt-Preis, dotiert mit 60.000 Euro, wird von der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie zusammen mit der Deutschen Stiftung für Herzforschung, einer Schwesterorganisation der Deutschen Herzstiftung, vergeben. Im Rahmen der 52. Jahrestagung der DGTHG 2023 in Hamburg, erhielt Dr. med. Hristian Hinkow (32), Assistenzarzt an der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Deutsches Herzzentrum der Charité, für seine Arbeit Die Effekte der Herz-Lungen-Maschine auf das intestinale Mikrobiom und die Relation zum postoperativen SIRS, den Forschungsprojekt-Preis. Übergeben wurde der Preis durch DGTHG-Sekretär Prof. Dr. Andreas Markewitz.

    Die Herz-Lungen-Maschine (HLM) hat die Herzchirurgie ermöglicht und ist seitdem ein unentbehrlicher Bestandteil bei der Mehrzahl von Herzoperationen. Trotz ihrer nahezu 70-jährigen Existenz und unzähligen Verbesserungen, repräsentiert ihre Anwendung eine der invasivsten Eingriffe in die physiologische Integrität des menschlichen Körpers. „Diese unerwünschten Effekte zeigen sich in Form eines systemisch-inflammatorischen Antwortsyndroms (SIRS), welches in gravierenden Immunreaktionen mit schwer beherrschbarer Kreislaufinstabilität und Organfunktionsstörungen münden kann, und demzufolge komplikationsträchtige und letale Behandlungsfolgen für das herzchirurgische Patient:innenkollektiv bedeuten können“, erklärt Dr. Hinkow. „Interessanterweise sind die Veränderungen des Mikrobioms (ehemals ungenau Darmflora) unter HLM-Anwendung nicht untersucht worden, obwohl es bekannt ist, dass ein ungestörtes Mikrobiom eine grundlegende, stabilisierende immunregulatorische Rolle hat, und die HLM wiederum potenziell viele Faktoren eines normalen Mikrobiommilieus schädigen kann. Unser Projekt zielt darauf ab, aufzuklären, wie sich das Mikrobiom, seine Stoffwechselprodukte und Botenstoffe (Metabolom) nach HLM-Anwendung verändern, und diese Erkenntnisse mit der Aktivierung verschiedener Inflammationsmechanismen und dem postoperativen Verlauf der Patient:innen in Zusammenhang zu setzen, um so eine weitere mechanistische Beziehung zu den bis dato bekannten SIRS-Entstehungsursachen aufzudecken. Die Identifizierung einer Verbindung zwischen spezifischer Mikrobiomveränderung und SIRS-Mechanismen kann in neuartige Therapieansätze zur SIRS-Bewältigung via Mikrobiom- bzw. Metabolommodulation, wie beispielsweise präoperative Festigung oder postoperative Wiederherstellung, münden. Des Weiteren können präoperative Mikrobiomprofile identifiziert werden, die mit einem höheren SIRS-Risiko assoziiert sind. Dies würde potenziell betroffenen Patient:innensubgruppen eine risikoadjustierte Therapieoptimierung anbieten können. Auf dieser Art und Weise könnte die HLM-Anwendung ein Stück sicherer gemacht und die Therapieergebnisse nach SIRS-Auftreten verbessert werden.“

    (Laienverständliche Erklärung)
    „Das Ziel des Forschungsprojektes ist, zu identifizieren, ob die Anwendung der Herz-Lungen-Maschine (HLM) im Rahmen von herzchirurgischen Operationen einen negativen Einfluss auf die Zusammensetzung und Vielfalt der Darmmikrobioms (Darmflora) hat, und durch diese Schädigung einen zusätzlichen Entstehungsmechanismus für das postoperative systemisch-entzündliche Antwortsyndrom (SIRS) nach HLM-Anwendung darstellt“, erklärt Dr. Hinkow. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Bedeutung des Mikrobioms für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben im letzten Jahrzehnt enorm zugenommen. „Heutzutage ist bekannt, dass der Mensch und sein Mikrobiom im gesunden Zustand harmonisch im Gleichgewicht koexistieren. Diese sogenannte Eubiose kann durch verschiedene Einflüsse gestört werden und in den gesundheitlich ungünstigen Zustand der Dysbiose übergehen. Die Dysbiose ist charakterisiert durch eine Minderung der Anzahl und Vielfalt der normalen Mikrobiomorganismen, welche als Konsequenz die dortige Ansiedlung von potenziellen Krankheitserregern hat und dies wiederum zur Aktivierung und Unterhaltung entzündlicher Prozesse führen kann.“
    Ein Schlüsselfaktor für die Selbstregulation des Mikrobiommilieus ist eine normale Darmdurchblutung und die HLM beeinflusst dies. Gleichzeitig ist die HLM ein unentbehrlicher Bestandteil der Mehrzahl herzchirurgischer Operationen. Die negativen Effekte der HLM auf Patient:innen manifestieren sich häufig als Erhöhung von entzündlichen Blutparametern, und das klinische Bild des system-inflammatorischen Antwortsyndroms. Dieses resultiert häufig in ernsthafter Kreislaufinstabilität mit bedrohlichen Folgen wie Nieren- oder Multiorganversagen und bedeutet in vielen Fällen ein komplikationsträchtiges Therapieergebnis und protrahierten intensivmedizinischen Aufenthalt bis hin zur Todesfolge. „Gegenwärtig wird der Kontakt des menschlichen Blutes mit den künstlichen Oberflächen der HLM, sowie andere, auf weiteren Blutkomponenten basierten Interaktionen mit den HLM-Bestandteilen als Hauptursache des SIRS nach Herz-OP angesehen“, betont Hinkow. „Die Effekte der HLM auf das Mikrobiom sind bis dato kaum untersucht worden. Unsere Arbeitsgruppe will die wissenschaftliche Hypothese erforschen, dass eine HLM-verursachte Darmdurchblutungsänderung die Zusammensetzung des Mikrobioms zugunsten entzündungsfördernder Mikroorganismen ändert, und dadurch das SIRS mitverursacht. Wenn diese Annahme korrekt ist, würden unsere Forschungsergebnisse eine entscheidende Grundlage für die Entwicklung prophylaktischer und therapeutischer Strategien, basiert auf Festigung des Mikrobioms bzw. regenerativer Mikrobiommodulation, als neuartiges Behandlungskonzept des SIRS nach HLM in der Herzchirurgie liefern.“

    Die konkrete Projektplanung sieht vor, zwei Gruppen von jeweils 40 Patient:innen in die Studie einzuschließen. „Die eine Patient:innengruppe soll aus Patient:innen bestehen, die eine aorto-koronare Bypass-Operation mit HLM erhalten. Die zweite Patient:innengruppe, die als Kontrollgruppe dient, besteht aus Patient:innen, die die gleiche Art von Bypässen, jedoch ohne HLM-Unterstützung erhalten“, erklärt Hinkow. „Über einen longitudinalen Verlauf, einschließend Zeitpunkte vor der OP, unmittelbar nach der OP, während des Krankenhausaufenthaltes, sowie eine poststationäre Visite sechs Monate nach Entlassung in die Häuslichkeit, werden Blut- und Stuhlproben erhoben. Das Vorgehen wird die vergleichende Analyse von akuten und Langzeitveränderungen der Mikrobiomzusammensetzung erlauben und ihre Interpretation im Kontext der Bestimmung von Entzündungsparametern und Immunzellen im Blut ermöglichen. In der Zusammenschau mit den jeweiligen, in einer Datenbank dokumentierten klinischen postoperativen Verläufen, sowie seitens der Patient:innen dokumentierten qualitativen Therapieergebnisaspekte werden die Analysen hinsichtlich ihrer klinischen Auswirkung gewertet.“

    8.173 Zeichen inkl. Leerzeichen


    Weitere Informationen:

    https://www.dgthg.de/de/pressemeldungen


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Sportwissenschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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