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17.02.2023 09:30

Akademisierung der Therapieberufe: Deutschland droht, den Anschluss zu verlieren

Jan Thiemann Bereich Dialog und Veranstaltungen
CHE Centrum für Hochschulentwicklung

    International ist die akademische Ausbildung von Logopäd*innen, Ergo- und Physiotherapeut*innen mittlerweile Standard. Dagegen dominiert in Deutschland weiterhin die dreijährige Berufsausbildung an einer Berufsfachschule. Trotzdem hat sich mittlerweile eine Vielzahl von Studienangeboten für Therapieberufe an deutschen Hochschulen etabliert. Dies zeigt eine Auswertung des CHE Centrum für Hochschulentwicklung im Rahmen der Reihe „Spotlight“ in der aktuellen Ausgabe der Deutschen Universitätszeitung (DUZ). Am Beispiel der Schweiz zeigen die beiden Autorinnen, dass eine Vollakademisierung der drei Berufszweige gelingen kann, wenn es einen klaren politischen Willen zur Ausbildungsreform gibt.

    Die Hebammenausbildung erfolgt in Deutschland seit 2020 in Form eines praxisnahen Bachelorstudiums. Für die Therapieberufe fehlt jedoch weiterhin eine flächendeckende Lösung. Während international für Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie eine hochschulische Ausbildung seit Jahrzehnten Standard ist, gibt es in Deutschland weiterhin sowohl einen beruflichen als auch eine akademischen Ausbildungsweg.

    Eine Auswertung des CHE Centrum für Hochschulentwicklung im Rahmen eines Dossiers aus der Reihe DUZ Spotlight – Gute Praxis international zeigt für die bestehenden hochschulischen Angebote eine stark steigende Nachfrage. Zwischen den Wintersemestern 2005/2006 und 2021/2022 hat sich die Zahl der Studierenden in Studiengängen für nichtärztliche Heilberufe/Therapien fast verfünffacht. Aktuell sind in diesem Studienbereich rund 15.000 Studierende eingeschrieben.

    Für die Bereiche Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie gab es im vergangenen Jahr deutschlandweit 112 Studienangebote, die meisten davon in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Von diesen folgt fast die Hälfte einem dualen Ansatz und beinhaltet ein ausbildungsintegrierendes oder begleitendes Studium. 17 Studienangebote sind primärqualifizierend, d.h. die Berufsqualifizierung wird durch erfolgreiches Absolvieren eines Hochschulstudiums in Vollzeit erreicht. 70 Prozent der Studiengänge konzentrieren sich auf eines der drei Fächer, es gibt aber auch Angebote, die bis zu drei Fächer kombinieren.

    Fast drei Viertel aller Studiengänge werden von Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften angeboten, die sich oftmals in privater Trägerschaft befinden.„Trotz der steigenden Nachfrage nach Studienangeboten verharrt man in Deutschland politisch bei der Ausbildungsreform in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie in einer unentschlossenen Zwischenposition. Seit rund 15 Jahren wird über die Akademisierung diskutiert, aber eine klare Richtungsentscheidung fehlt “, bilanziert Sigrun Nickel.

    „Die Stagnation dürfte dabei sicher auch finanzielle Gründe haben“, vermutet die Leiterin Hochschulforschung beim CHE. Schließlich würden sich bei einer Vollakademisierung Teile der Ausbildungskosten vom Gesundheitssektor auf die Länder als Träger der Hochschulen verlagern. Auch steigende Durchschnittsgehälter in den Therapieberufen bei einem akademischen Abschluss könnten als Kostentreiber gesehen und das Vorhaben deshalb entsprechend ausgebremst werden.
    Dass es auch anders geht, zeigen die Dossier-Autorinnen Sigrun Nickel und Anna-Lena Thiele am Beispiel der Schweiz. Trotz ähnlicher politischer Diskussionen und einem ebenfalls starken und anerkannten Ausbildungssystem, verlagerten die Eidgenoss*innen seit den 2000er Jahren die Ausbildung von Logopädie, Physio- und Ergotherapie sukzessive an die Hochschulen. Mittlerweile ist der Akademisierungsprozess dort vollständig abgeschlossen und die Nachfrage nach entsprechenden Studienplätzen wächst weiter.

    Der Schwerpunkt zum Thema ist am 17. Februar im Rahmen der Ausgabe 02/2023 der DUZ erschienen und wurde von Sigrun Nickel und Anna-Lena Thiele erstellt. Das Dossier ist die zwölfte Ausgabe des gemeinsam von CHE und DUZ Deutsche Universitätszeitung entwickelten Formats „DUZ Spotlight – Gute Praxis international“, das in loser Folge in der DUZ und auf www.che.de veröffentlicht wird.

    Bereits erschienen sind Spotlight-Dossiers zum österreichischen Modell der lebensbegleitenden Matrikelnummer (Ausgabe 09/2017), dem britischen Professional Doctorate (01/2018), dem niederländischen Lehrführerschein (08/18), der Transfergemeinschaft nach Schweizer Vorbild (12/2018), der Etablierung wissenschaftlicher Weiterbildungszertifikate in der Schweiz (11/2019), Instructional Designern im Hochschulbetrieb (02/2020), Lernräumen der Zukunft (08/2020), zu Sozialen Innovationen vom Campus (11/2020), zur Gewinnung internationaler Promovierender (06/2021) sowie gerechten Regelungen beim Hochschulzugang (09/21), zu internationalen Medizinstudiengängen in Südosteuropa (02/22) sowie zu neuen Studienmodellen gegen den IT-Fachkräftemangel (11/22). Alle Publikationen sind online unter https://www.che.de/projekt/praxis-spotlight-international/ abrufbar.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Sigrun Nickel
    Tel. 05241 9761-23
    E-Mail: sigrun.nickel@che.de

    Anna-Lena Thiele
    Tel. 05241 9761-48
    E-Mail: Anna-Lena.Thiele@che.de


    Originalpublikation:

    Nickel, Sigrun; Thiele, Anna-Lena: DUZ Spotlight - Gute Praxis International: Akademisierung der Therapieberufe, in DUZ Ausgabe 02/2023, 16 Seiten


    Weitere Informationen:

    http://www.che.de/download/spotlight-therapieberufe/ - Link zur Publikation
    http://www.che.de/download/logopaedie_ergotherapie_physiotherapie_uebersicht_lae... - Link zur Übersicht der Studienangebote je Bundesland


    Bilder

    Starke Nachfrage nach akademischen Angeboten im Therapiebereich
    Starke Nachfrage nach akademischen Angeboten im Therapiebereich
    CHE
    CHE


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Wissenschaftler
    Ernährung / Gesundheit / Pflege
    überregional
    Forschungsergebnisse, Studium und Lehre
    Deutsch


     

    Starke Nachfrage nach akademischen Angeboten im Therapiebereich


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