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03.06.2004 09:35

Professor Dr. Erich Pelzer (Mannheim) zur Bedeutung des 8. Juni

Achim Fischer Abteilung Kommunikation
Universität Mannheim

    Am 8. Juni 2004 jährt sich der Todestag des französischen Kronprinzen Ludwigs XVII., des Sohnes von Königin Marie Antoinette und König Ludwig XVI. zum 209. Mal. Der ungerade Jahrestag erfährt dadurch Belang, dass das Kinderherz an diesem Tag in die Königsgruft von Saint Denis bei Paris umgebettet werden wird.

    Welche Bedeutung kommt diesem eigentümlichen Gedenktag in Frankreich zu, und warum erinnert die Fünfte Republik an einen König, der in Wirklichkeit keiner war? Dr. Erich Pelzer, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Mannheim, erklärt das überraschend hohe Interesse mit den Umständen seines frühen Todes im Pariser Gefängnis Le Temple im Alter von zehn Jahren und der Odyssee seines obduzierten Herzens. Erich Pelzer ist Experte für die Erforschung der elementaren Umbruchszeit von der Französischen Revolution bis zum Ende des napoleonischen Zeitalters.

    Nach der Hinrichtung seiner Eltern, Ludwigs XVI. und der Habsburgerin Marie Antoinette, im Jahre 1793 hatte der Revolutionsführer Robespierre es für ratsam gehalten, den überlebenden Spross der Bourbonenfamilie auf einen bürgerlichen Beruf vorzubereiten. Mit der revolutionären Umerziehung wurde der grobschlächtige Schuster Simon betraut. Doch bevor das kränkliche Königskind sich mit selbstgefertigten Stiefeln in den Dienst der Revolution stellen konnte, starb es am 8. Juni 1795 an Tuberkulose.

    Bei der Leichenschau gelang es dem Chirurgen Philippe-Jean Pelletan das Herz des toten Ludwig beiseite zu schaffen. Der Rest des Leichnams wurde zusammen mit anderen in einem Massengrab verscharrt. Die royale Reliquie überstand alle weiteren Revolutionswirren und gelangte schließlich auf abenteuerlichen Umwegen in den Besitz des spanischen Zweigs der Bourbonendynastie. Nach dem Ende der Franco-Diktatur 1975 wurde das Herz schließlich in die Basilika von Saint-Denis überführt.

    Die Authentizität des Kinderherzens konnte jedoch erst durch moderne Genetik (DNA-Analyse) festgestellt werden, nachdem sich ganze Historikergenerationen in mehr als 800 Büchern an diesem Rätsel der Geschichte abgearbeitet hatten. Nachdem die Genanalyse den Nachweis der Echtheit des Herzens ans Licht gebracht hatte, entschloss sich jüngst das französische Kulturministerium, 209 Jahre nach dem Tod Ludwigs XVII., zu einer symbolischen Grablegung in der Königsgruft der französischen Könige nördlich von Paris.

    In Frankreich ist dieser symbolische Akt posthumer Gedächtnispflege nicht unumstritten. Die Erinnerung an die Königsherrschaft löst in dem Land, das sich im öffentlichen Leben der Tradition von Revolution und Republik verpflichtet fühlt, nach wie vor Turbulenzen im politischen Körper aus. Mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der jüngeren monarchischen Vergangenheit Frankreichs beschäftigen sich deshalb weniger französische Historiker als vielmehr Historiker aus Deutschland und der angelsächsischen Welt.

    Professor Dr. Erich Pelzer ist Spezialist für die Geschichte Westeuropas und im besonderen der Erforschung der elementaren Umbruchszeit von der Französischen Revolution bis zum Ende des napoleonischen Zeitalters. Sein wissenschaftlicher Ansatz zielt auf die kultur-, symbol- und historiographiegeschichtliche Dimension des modernen Frankreich. Im Juni diesen Jahres erscheint ein von ihm herausgegebener Sammelband "Revolution und Klio. Die Hauptwerke zur Französischen Revolution".

    Darüber hinaus schreibt er an einer neuen Napoleon Biographie, die im Spätherbst unter dem Titel "Napoleon Bonaparte. Biographie eines europäischen Monarchen" auf den Markt kommt. In Zusammenarbeit mit den Deutschen Historischen Instituten in Paris, Washington und Warschau sowie Historikerkollegen und -kolleginnen an der Technischen Universität in Berlin und der University of York bereitet Pelzer zur Zeit ein internationales Forschungsprojekt über "Nations, Borders and Identities" vor, dessen erste Tagung im Oktober 2005 in Mannheim stattfinden wird.

    Weitere Informationen:
    Prof. Dr. Erich Pelzer
    Seminar für Neuere Geschichte
    E 7, 16-21,
    68131 Mannheim
    Tel.: 0621/181-2229
    E-Mail: Erich.Pelzer@phil.uni-mannheim.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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