- Wissenschaftliche Sammlungen aus weltweit größten Naturkundemuseen in Datenbank zusammengeführt
- Zoologische Museum der Kieler Universität unter den 73 beteiligten Museen aus 28 Ländern
- Forschungspublikation im Fachmagazin Science beschreibt neu entwickelte Methode und Ergebnisse der Erfassung der globalen Sammlungsbestände
- Studie geleitet vom Smithsonian National Museum of Natural History in Washington DC, vom American Museum of Natural History in New York City und dem Natural History Museum in London
Sie haben sich nicht weniger vorgenommen, als die globale Inventarisierung der Bestände aus den bedeutendsten Naturkundemuseen der Welt. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, schlossen sich 73 Häuser aus 28 Ländern zusammen. Die gemeinsame Anstrengung soll den grenzüberschreitenden Zugang zu einzigartigen, wissenschaftlichen Objekten ermöglichen. Die Datenbank erschließt den Zugang zu mehr als einer Milliarde Objekte und eröffnet neue Ansätze zur Bewältigung weltweiter Herausforderungen wie Klimawandel, Ernährungssicherheit, Pandemien oder den Schutz der Artenvielfalt. Dieses erste Inventar sowie die Methode zur Erfassung und Bereitstellung der Daten veröffentlichten die internationalen Forschenden unter Kieler Beteiligung in der renommierten Fachzeitschrift Science.
Naturkundemuseen der ganzen Welt organisieren nicht nur Ausstellungen, sie sind auch die Hüterinnen eines beispiellosen Archivs der Geschichte unseres Planeten und unserer Gesellschaft. Darüber hinaus gewinnen sie zunehmend an Relevanz, um Vorhersagen für unsere Zukunft zu treffen. Bisherige Bestandsübersichten von Sammlungen wurden überwiegend nur auf nationaler Ebene oder für einzelne Einrichtungen aufgebaut. Nun steht eine Zusammenführung der weltweiten Bestände im bislang größten Umfang bevor. Den Anfang machen 73 Häuser, weitere sollen folgen.
„Wir sind sehr stolz, Teil dieser bedeutenden Initiative zu sein“, betont Prof. Dirk Brandis, Direktor des Zoologischen Museums der Kieler Universität und Co-Autor der Studie. „Das wir als relativ kleines Museum in einer Reihe mit den großen internationalen Häusern stehen, unterstreicht die Bedeutung unserer einzigartigen Sammlung in Kiel. Wir haben hier rund 6 Millionen Objekte aus drei Jahrhunderten. Darunter befinden sich zum Beispiel marine Zeitreihen, die Veränderungen der Meeresfauna seit dem 19. Jahrhundert und den Einfluss der Erderwärmung auf die Meere nachvollziehbar machen.“ Aber auch die weltberühmte 8.000 Exemplare umfassende Sammlung von Johann Christian Fabricius aus dem 18. Jahrhundert ist Teil des Kieler Bestandes. Allein diese Sammlung enthält 3.100 Typusexemplare von Käfern und marinen Krebsen. „Das bedeutet, jede entsprechende taxonomisch-systematische wissenschaftliche Untersuchung weltweit muss auf diese Typusexemplare auch heute noch zurückgreifen können“, ergänzt der Insektenforscher Professor Michael Kuhlmann, ebenfalls Co-Autor aus dem Zoologischen Museum Kiel. Zudem zeige die Science-Publikation, so Kuhlmann, dass „die Sammlungs- und Forschungsschwerpunkte des Zoologischen Museums im Bereich mariner und terrestrischer Zeitreihen sowie der Taxonomie von Insekten in einen wissenschaftlich bedeutenden, aber international oft unterrepräsentierten Bereich fallen und somit dazu beitragen, eine Wissenslücke zu schließen“.
Innovativ und einfach: Erde in 16 terrestrische und marine Regionen aufgeteilt
Die internationalen Organisatoren der Studie entwickelten für dieses Vorhaben eine neue Methode, mit der die Sammlungsbestände der Museen schnell inventarisiert werden konnten. Sie basiert auf einem gemeinsamen Vokabular, das zwischen 19 Sammlungstypen unterscheidet. So konnte die Gesamtheit der biologischen, geologischen, paläontologischen und anthropologischen Sammlungen erfasst werden. Die Erde teilten sie dafür in 16 terrestrische und marine Regionen auf.
„Wir wollten zunächst einen schnellen Weg finden, um den Umfang und die Zusammensetzung der weltweiten Sammlung einschätzen zu können. Auf dieser Grundlage können wir eine gemeinsame Strategie für die Zukunft entwickeln”, sagt Hauptautor der Studie Kirk Johnson, Sant Director des Smithsonian National Museum of Natural History. Johnson leitete das Projekt zusammen mit Ian F. P. Owens (ehemals am Natural History Museum in London und jetzt geschäftsführender Direktor des Cornell Laboratory of Ornithology) in Zusammenarbeit mit mehr als 150 Museumsdirektorinnen und -direktoren sowie Forschenden der 73 naturkundlichen Museen und Herbarien.
Lücken schließen und über die westliche Welt hinausblicken
Die Ergebnisse der Studie geben einen wichtigen Überblick, seien aber nur der erste Schritt zur Erfassung der weltweiten Sammlungen, zu der diese Datenerhebung aus 73 Häusern ausgebaut werden soll. Diese enthalte bereits einen Bestand von mehr als 1,1 Milliarden Objekten, die von mehr als 4.500 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie fast 4.000 Freiwilligen verwaltet werde. Trotz dieses gewaltigen Umfangs gebe es, wie die Studie zeigt, auffällige Lücken in den Sammlungen, etwa für Tropen- und Polarregionen, bestimmte marine Systeme und in Bezug auf die unentdeckte Vielfalt von Gliederfüßern (insbesondere Insekten) und Mikroorganismen. Anhand dieser Lücken könne eine „Roadmap“ für koordinierte Sammlungsbemühungen erarbeitet werden. So haben die Projektorganisatoren mit dieser Studie einen Rahmen geschaffen, in dem das globale Netzwerk der Museen künftig besser zusammenarbeiten und Aktivitäten koordiniert werden können.
Die Autorinnen und Autoren der Studie betonen außerdem, dass sich die historische Konzentration auf die großen Museen in Nordamerika und Europa als ein Hindernis für den Wissensaustausch erweisen kann und Machtungleichgewichte aufrechterhält, die in der kolonialen Geschichte der Museumswissenschaften begründet sind. Zukünftig sei es deshalb besonders wichtig, dass die globale Datensammlung auch die Museen in anderen Teilen der Welt sichtbar macht und unterstützt.
Originalpublikation:
“A Global Approach for Natural History Museum Collections. Integration of the world’s natural history collections can provide a resource for decision-makers”. KIRK R. JOHNSON, IAN F. P. OWENS, AND THE GLOBAL COLLECTION GROUP. <DOI: 10.1126/science.adf6434>
Weiterführende Informationen:
Die Veröffentlichung bezieht auch verschiedene Anwendungsfelder für die sammlungsbasierte Forschung mit ein und konzentriert sich dabei auf Fallstudien. In diesen wird untersucht, wie naturhistorische Sammlungen von Museen zur Erforschung der Pandemieprävention, des globalen Wandels, der biologischen Vielfalt, invasiver Arten, des kolonialen Erbes und der Museomik (u.a. DNA-Untersuchung von Sammlungen) genutzt werden können.
Zu den Fallstudien: http://www.science.org/doi/suppl/10.1126/science.adf6434/suppl_file/science.adf6434_sm.pdf
Gesamtübersicht der weltweiten Sammlungen:
https://rebrand.ly/global-collections
Fotos stehen zum Download bereit:
http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/portraitbilder/dirk-brandis.jpg
Dirk Brandis präsentiert die Königskrabbe Paralithodes camtschaticus (Tilesius, 1815).
© Jutta Drabek-Hasselmann, Zoologisches Museum Kiel
http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/portraitbilder/michael-kuhlmann.jpg
Archivbild. Professor Michael Kuhlmann bei Feldarbeiten in Südafrika.
© privat
http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2023/077-fabricius-ausstellung.jpg
Öffentliche Ausstellung der Fabricius-Sammlung im Zoologischen Museum Kiel.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel
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Ein Labormitarbeiter scannt den 2D-Barcode auf dem Etikett einer Probe, der mit einer digitalen Darstellung der gleichen Probe verknüpft ist.
© Nico Garstman, Naturalis Biodiversity Center
http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2023/077-nassmagazin-zoologisches-museum-kiel.jpg
Die Nass-Sammlungen in Kiel sind ein weltweit wissenschaftliches Highlight: Zeitserien dokumentieren die regionale Fauna bis ins 18. Jahrhundert.
© Jutta Drabek-Hasselmann, Zoologisches Museum Kiel
http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2023/077-archiv-zoologisches-museum-kiel.jpg
Blick in das Nass-Magazin des Zoologischen Museums Kiel.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel
http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2023/077-trockenmagazin-zoologisches-museum-kiel.jpg
Von Fabricius bis zu weltberühmten Expeditionen: Die Kieler Trockensammlungen sind einzigartige Archive der Vergangenheit.
© Jutta Drabek-Hasselmann, Zoologisches Museum Kiel
http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2023/077-fabricius-ausstellung-2.jpg
Die wertvollen Typusexemplare aus der Kieler Sammlung stehen der Wissenschaft zur Verfügung.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
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Link zur Meldung:
http://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/077-globale-datenbank
“A Global Approach for Natural History Museum Collections. Integration of the world’s natural history collections can provide a resource for decision-makers”. KIRK R. JOHNSON, IAN F. P. OWENS, AND THE GLOBAL COLLECTION GROUP. <DOI: 10.1126/science.adf6434>
https://www.si.edu/newsdesk/releases/global-natural-history-initiative-builds-gr...
Öffentliche Ausstellung der Fabricius-Sammlung im Zoologischen Museum Kiel.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Geschichte / Archäologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Kooperationen, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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