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28.04.2023 14:55

Nachwirkungen des Nationalsozialismus: Frauenliebende Frauen im deutschen Südwesten

Marietta Fuhrmann-Koch Kommunikation und Marketing
Universität Heidelberg

    Welche Nachwirkungen hatte der Nationalsozialismus für frauenliebende Frauen nach 1945? Diese Frage steht im Mittelpunkt eines interdisziplinären Forschungsprojekts von Wissenschaftlerinnen der Universitäten Heidelberg und Freiburg. Anhand von Biographien lesbischer Frauen wollen sie ergründen, ob und inwiefern die Zeit nach dem Ende der NS-Diktatur als Umbruch für lesbische Lebenswelten zu sehen ist. Dabei werden sie sich der zeitlich drängenden Aufgabe widmen, Zeitzeugnisse lesbischer Frauen im Südwesten Deutschlands zu sichern. Sie sollen die Zeitspanne von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die frühen 1980er Jahre umfassen.

    Pressemitteilung
    Heidelberg, 28. April 2023

    Nachwirkungen des Nationalsozialismus: Frauenliebende Frauen im deutschen Südwesten
    Interdisziplinäres Forschungsvorhaben befasst sich mit lesbischen Lebenswelten in der Zeit von 1945 bis in die 1980er Jahre

    Welche Nachwirkungen hatte der Nationalsozialismus für frauenliebende Frauen nach 1945? Diese Frage steht im Mittelpunkt eines interdisziplinären Forschungsprojekts von Wissenschaftlerinnen der Universitäten Heidelberg und Freiburg. Anhand von Biographien lesbischer Frauen wollen sie ergründen, ob und inwiefern die Zeit nach dem Ende der NS-Diktatur als Umbruch für lesbische Lebenswelten zu sehen ist. Dabei werden sie sich der zeitlich drängenden Aufgabe widmen, Zeitzeugnisse lesbischer Frauen im Südwesten Deutschlands zu sichern. Sie sollen die Zeitspanne von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die frühen 1980er Jahre umfassen. Das baden-württembergische Wissenschaftsministerium fördert das Projekt unter der Leitung von Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern und Prof. Dr. Karen Nolte (Heidelberg) sowie Prof. Dr. Sylvia Paletschek (Freiburg) über eine Laufzeit von zwei Jahren mit rund 660.000 Euro.

    Mit dem Forschungsprojekt „Zwischen Unsichtbarkeit, Repression und lesbischer Emanzipation – Frauenliebende* Frauen im deutschen Südwesten 1945 bis 1980er Jahre“ verfolgen die Wissenschaftlerinnen das Ziel, neben den Nachwirkungen des Nationalsozialismus den bislang noch nicht erforschten Alltag homosexueller Frauen, ihre Lebensbedingungen sowie den politischen Aufbruch der Lesbenbewegung sichtbar zu machen. Das Vorhaben ist die Fortsetzung eines Vorläuferprojekts, das ebenfalls vom Wissenschaftsministerium gefördert wurde und sich lesbischen Lebenswelten zwischen 1920 und 1945 widmete. Es gliedert sich in drei Teilvorhaben, die inhaltlich an die Forschungsergebnisse anknüpfen. „Unsere Arbeiten haben gezeigt, dass Frauen, die zeitgenössische Normen von Weiblichkeit nicht erfüllten, auch im deutschen Südwesten sanktioniert wurden – durch gesellschaftliche Ächtung, behördliche Aufsicht und erzwungene medizinische Intervention. Und dennoch haben Frauen in allen politischen Systemen den Repressionen getrotzt und ihr Leben jenseits der Heteronorm gelebt“, betont Prof. Patzel-Mattern. „Diese Aspekte wollen wir nun vertiefen, indem wir durch Interviews mit Zeitzeuginnen den Betroffenen eine Stimme geben und damit ihre Erfahrungen als wichtigen Teil der Geschichte der Bundesrepublik sichern.“

    Anhand von Biographien lesbischer Frauen in Politik, Gesellschaft und Kultur wollen Prof. Paletschek und Muriel Lorenz vom Historischen Seminar der Universität Freiburg die Leistungen und Errungenschaften frauenliebender, nicht-heteronormativ lebender Frauen in diesen Bereichen sichtbar machen. Mit der Wahrnehmung der Heteronorm, die die Heterosexualität als soziale Norm bestimmt, und ihrer rechtlichen Durchsetzung beschäftigen sich Prof. Patzel-Mattern und Elena Mayeres, die Projektmitarbeiterin Mirijam Schmid nachfolgt. Sie gehen insbesondere der Frage nach, welchen Vorwürfen sich Frauen, Mütter, Mädchen und Töchter ausgesetzt sahen, die nicht nach dieser Norm lebten. Die Wissenschaftlerinnen forschen am Historischen Seminar der Universität Heidelberg. In welcher Weise weibliche Homosexualität in Psychiatrien dokumentiert wurde und inwiefern es nach 1945 zu einem Bruch im Umgang mit nicht-heteronormativ lebenden Frauen in psychiatrischen Einrichtungen kam, werden Prof. Nolte und Steff Kunz rekonstruieren. Sie gehören dem Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Ruperto Carola an.

    Während für die Zeit des Nationalsozialismus im Vorläuferprojekt keine Zeitzeuginnen mehr mit der Methode der Oral History – offene Interviews mit dem Fokus auf Erinnerungen und biographischer Geschichte – befragt werden konnten, ist dies für die Nachkriegszeit bis in die frühen 1980er Jahre noch möglich und drängend, da diese Generation inzwischen ebenfalls ein hohes Alter erreicht hat. Die Wissenschaftlerinnen suchen darum Zeitzeuginnen, die sich als Interviewpartnerinnen für das Forschungsvorhaben zur Verfügung stellen.

    Unterstützt wird das Projekt vom Amt für Chancengleichheit der Stadt Heidelberg, das unter anderem eine begleitende Veranstaltungsreihe finanziert. Die Reihe wird in Zusammenarbeit der beteiligten Forschungseinrichtungen, dem Queer Festival, dem Runden Tisch sexuelle und geschlechtliche Vielfalt und der Koordinationsstelle LSBTIQ+ erarbeitet.

    Kontakt:
    Universität Heidelberg
    Kommunikation und Marketing
    Pressestelle, Telefon (06221) 54-2311
    presse@rektorat.uni-heidelberg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-heidelberg.de/fakultaeten/philosophie/zegk/histsem/mitglieder/pat... – Projektseite
    http://lesbenwelt.hypotheses.org – Blog zum Forschungsprojekt


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

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