Forscher*innen des Nationalen Referenzzentrums für Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (NRZ-TSE) an der Universitätsmedizin Göttingen gelingt erstmalig Nachweis von krankhaft verändertem Prion-Protein in Tränenflüssigkeit von Patient*innen mit Creutzfeldt-Jakob Krankheit und anderen Prionerkrankungen. Veröffentlicht in The New England Journal of Medicine.
(umg) Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) wird wie andere Prionerkrankungen durch krankhaft verändertes Prion-Eiweiß, das sogenannte Prion Protein Scrapie (PrPSc), verursacht. Die Erkrankung des Gehirns führt meist innerhalb weniger Monate zum Tod, weil es bisher keine wirksame Therapie gibt. Aktuell sind jedoch neue medikamentöse Ansätze in der Erprobung. Diese können voraussichtlich nur effektiv sein, wenn in besonders frühen Krankheitsstadien mit der Therapie begonnen wird. Insbesondere in diesem Zusammenhang werden sichere und schonende Methoden zur frühen Diagnostik zunehmend wichtiger. Krankhaft veränderte Proteine in Körperflüssigkeiten nachzuweisen, war bisher nur im Nervenwasser (Liquor) möglich.
Forscher*innen der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) ist es nun gelungen, die aktuell verwendete Testmethode zur Diagnose von Prionerkrankungen, die sogenannte „Real Time Quaking-Induced Conversion (RT-QuIC)“, zu verbessern und so abnormales Prion-Eiweiß in Tränenflüssigkeit nachzuweisen. Im Rahmen einer Pilotstudie gelang ihnen die korrekte Diagnose bei 16 von 19 Patient*innen mit Creutzfeldt-Jakob Krankheit und familiären Prionerkrankungen. Bei 94 Patient*innen mit anderen neurologischen Erkrankungen blieb der Test hingegen negativ. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Mai 2023 in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „The New England Journal of Medicine“ veröffentlicht.
Diagnose von Prionerkrankungen mittels Tränenflüssigkeit
Mit der RT-QuIC Methode können Eiweiße mit bestimmten krankhaften Eigenschaften angereichert werden. So lassen sich auch kleinste Mengen solcher Eiweiße z.B. im Nervenwasser nachweisen. In Deutschland wird diese Untersuchung zur Diagnose der CJK bisher nur durch das Nationale Referenzzentrum für Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (NRZ-TSE) an der UMG angeboten. Mit RT-QuIC gelingt die Diagnose einer CJK mit großer Zuverlässigkeit. Um Nervenwasser zu entnehmen, ist jedoch eine Lumbalpunktion nötig. Dabei wird mit einer speziellen Nadel im Bereich der Lendenwirbel eine kleine Menge Flüssigkeit aus dem Wirbelkanal entnommen. Die Prozedur kann für die Patient*innen unangenehm sein und ist auch nicht völlig frei von möglichen Komplikationen.
Als Alternative zum Nervenwasser wird schon seit längerem nach einfach zu sammelnden Körperflüssigkeiten gesucht, in denen die RT-QuIC-Methode funktioniert. „Tränenflüssigkeit ist eigentlich ideal geeignet. Sie ist vergleichsweise leicht zu sammeln und enthält nur wenig störende Faktoren, wie z.B. Blutzellen. Doch die Konzentration an Eiweißen, die wir nachweisen wollen, ist sehr gering“, sagt Prof. Dr. Inga Zerr, Senior-Autorin der Publikation und Leiterin der Prionforschungsgruppe in der Klinik für Neurologie der UMG. „Um abnormale Prion-Eiweiße in Tränenflüssigkeit nachweisen zu können, mussten wir den bekannten Test verändern. Es ist uns gelungen, die Sensitivität – also die Empfindlichkeit, mit der man Erkrankte richtig identifizieren kann – deutlich zu steigern“, sagt Priv.-Doz. Dr. Matthias Schmitz, einer der Erst-Autor*innen der Publikation vom NRZ-TSE an der UMG. Die Forscher*innen gehen davon aus, dass die Analyse von Tränenflüssigkeit in Zukunft auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen, wie z.B. der Parkinson- und Alzheimer-Krankheit, an Bedeutung gewinnen wird.
CJK und andere Prionerkrankungen
Prionerkrankungen sind durch veränderte Eiweiße (PrPSc) hervorgerufene Erkrankungen des Gehirns. Prionerkrankungen führen meist innerhalb weniger Monate zum Tod. Die häufigste Form ist die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK). Jedes Jahr sind etwa 150 bis 180 Menschen in Deutschland betroffen. Die Diagnostik CJK kann herausfordernd sein: Die Symptome der Erkrankung ähneln oft anderen neurodegenerativen Demenzen oder auch entzündlichen Erkrankungen des Gehirns. Ähnlich wie z.B. die Alzheimer-Krankheit tritt die CJK meist sporadisch, d.h. ohne klar nach-vollziehbares Verteilungsmuster auf. Außerdem gibt es noch erbliche und extrem seltene „übertragene“ Formen der CJK (z.B. durch Transplantation von Hirnhaut). Deshalb wird die CJK in vielen Ländern mittels sogenannter „Surveillance Centers“ überwacht. Diese Tätigkeit wird in Deutschland durch die Prionforschungsgruppe in der Klinik der Neurologie der UMG ausgeübt.
Nationales Referenzzentrum für Transmissible Spongiforme Enzephalopathien
Die Prionforschungsgruppe in der Klinik der Neurologie der UMG wurde 2006 vom Robert-Koch-Institut zum Nationalen Referenzzentrum für Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (NRZ-TSE) ernannt. Es hat die Aufgabe, Prionerkrankungen in Deutschland epidemiologisch zu überwachen und zu erforschen, sowie Ärzt*innen in Deutschland hinsichtlich Diagnostik, Behandlung und Hygienemaßnahmen zu beraten.
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Nationales Referenzzentrum für transmissible spongiforme Enzephalopathien (NRZ-TSE)
Dr. Peter Hermann
Klinik für Neurologie
Telefon: 0551 / 39-68401
peter.hermann@med.uni-goettingen.de
www.cjd-goettingen.de
Schmitz M, Silva Correia S, Hermann P, Maass F, Goebel S, Bunck T, Correia A, Lingor P, Fischer A, Zerr I: Detection of Prion Protein Seeding Activity in Tear Fluids: N Engl J Med 388;19 (2023). DOI: https://doi.org/10.1056/NEJMc2214647
Sammeln von Tränenflüssigkeit mit einem Papierstreifen, sogenannter „Schirmer-Test“.
Foto: umg
Senior-Autorin der Publikation: Prof. Dr. Inga Zerr, Leiterin der Prionforschungsgruppe in der Klini ...
Foto: umg / fskimmel
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Sammeln von Tränenflüssigkeit mit einem Papierstreifen, sogenannter „Schirmer-Test“.
Foto: umg
Senior-Autorin der Publikation: Prof. Dr. Inga Zerr, Leiterin der Prionforschungsgruppe in der Klini ...
Foto: umg / fskimmel
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