Prof. Dr. Daniel Deimel, Suchtforscher an der Katholischen Hochschule NRW am Standort Aachen, sieht ein Problem von nationaler Tragweite und fordert ein abgestimmtes Vorgehen der Bundesländer.
Im Jahr 2022 sind 1.990 Menschen in Folge ihres Substanzkonsums gestorben, was einen Anstieg von 9 Prozent zum Vorjahr darstellt. Dies ist ein Höchststand an Drogentoten seit 20 Jahren. Der überwiegende Teil der Drogentoten steht mit dem Konsum von Opioiden wie Heroin oder Methadon in Verbindung.
„Die aktuellen Entwicklungen sind besorgniserregend. Es handelt sich um ein Problem von nationaler Tragweite und ist nicht lediglich ein lokales Phänomen. Damit dieser Trend gestoppt wird, bedarf es einem abgestimmten Vorgehen der Bundesländer“, so Prof. Dr. Daniel Deimel, Suchtforscher an der Katholischen Hochschule NRW am Standort Aachen.
Es müssen dringend Drug Checkings aufgebaut werden, insbesondere in den Drogenkonsumräumen. Drug Checking, also die Testung von psychoaktiven Substanzen auf Wirkgehalt und Verunreinigungen, ist ein wirksames und international etabliertes Mittel, um Risiken des Substanzkonsums zu reduzieren und bietet eine Möglichkeit des Drogenmonitorings. So können bei hochpotenten Befunden frühzeitig Warnungen an Konsument_innen ausgesprochen werden und Überdosierungen vermieden werden. Drug Checking wird bereits erfolgreich in den Niederlanden, Österreich und der Schweiz durchgeführt.
Damit Drug Checking in Drogenkonsumräumen durchgeführt werden kann, bedarf es einer Änderung des § 10a des BtMG. Denn hier wird ausdrücklich die Analyse von Drogen durch das dort tätige Personal untersagt. „Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist gefordert, zügig eine Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen“, so Deimel.
Zudem bedarf es einen flächendeckenden Ausbau von Drogenkonsumräumen und den Ausbau von Naloxon-Programmen. Bisher existieren bundesweit 30 Drogenkonsumräume. Dagegen sind in den Bundesländern Bayern, Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern keine solcher Einrichtungen zu finden. Naloxon ist ein Medikament, dass bei Opioidüberdosierungen verabreicht wird und kann als Nasenspray auch durch medizinische Laien vergeben werden. Diese Angebote müssen ebenfalls ausgebaut werden.
Neben diesen strukturellen Maßnahmen muss die Entkriminalisierung von Drogenkonsument_innen vorangetrieben werden. Dies geht mit einem Rückgang von Drogentoten einher, wie sich in Portugal zeigt. Das Land hat 2001 den Besitz von Drogen für die Endkonsument_innen nicht mehr unter Strafe gestellt.
„Inwiefern die Zunahme der Drogentoten in Verbindung mit der Pandemie steht, können wir kausal nicht abbilden. Es ist jedoch auffallend, dass mit dem Beginn der Pandemie ein Anstieg der Toten um 42 Prozent zu verzeichnen ist“, so Prof. Dr. Daniel Deimel.
Gerade opioidkonsumierende Menschen befinden sich häufig in Multiproblemlagen und stellen eine vulnerable Personengruppe dar. Sie sind durch die Corona-Pandemie stark belastet worden, da neben der erhöhten psychischen Belastung während des Lockdowns Beratungs- und Unterstützungsangebote nur reduziert oder gar nicht verfügbar waren.
Prof. Dr. Daniel Deimel ist Diplom-Sozialarbeiter, Suchttherapeut und Gesundheitswissenschaftler. Er ist Professor für Klinische Sozialarbeit an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) am Standort Aachen sowie am Deutschen Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP). Er ist zudem Gastwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen und dem LVR Klinikum Essen, Abteilung für Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten. Deimels Forschungsschwerpunkte liegen in der sozialwissenschaftlichen Suchtforschung, der HIV-/Aids-Forschung sowie der Evidenzbasierten Sozialarbeit.
Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Aachen,
Prof. Dr. Daniel Deimel, T: 0177 31 33 500, d.deimel@katho-nrw.de
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