Der Kinderwunsch ist ein wichtiges Thema für junge Krebsbetroffene. Zum Zeitpunkt der Diagnose gibt die Aussicht auf Familienplanung eine Zukunftsperspektive. In der Nachsorge trägt sie ihren Teil zur Rückkehr in die Normalität und den Alltag bei. Dabei spielt die Kryokonservierung von Keimzellen sowie Keimzellgewebe eine entscheidende Rolle.
Leider sind diese fertilitätserhaltenden Maßnahmen nicht bei allen jungen Betroffenen möglich. In manchen Fällen müssen die Therapien umgehend beginnen und es bleibt keine Zeit, in anderen Fällen, wie bei jungen Gebärmutterhalskrebserkrankten, sind die Betroffenen nach der Therapie körperlich nicht mehr in der Lage, Kinder auszutragen. Entsprechend setzt sich die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs auch für Alternativen zur Kryokonservierung ein.
Im Koalitionsvertrag der „Ampel“ wurde 2021 festgehalten, dass die Regierungsparteien in dieser Legislaturperiode „[…] eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin ein[setzen], die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft prüfen wird“.
Als Organisationen, für deren Mitglieder und Betroffene eine mögliche Legalisierung der Eizellspende und Leihmutterschaft ein Herzenswunsch ist, begrüßen wir die Vorstöße aus der Politik. Ende März 2023 trat die „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ erstmals zusammen. Sie ist ein interdisziplinär zusammengesetztes Gremium, das aus 18 Expertinnen und Experten besteht und wissenschaftliche Expertise insbesondere aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaften bündelt.
Wichtig ist aus unserer Sicht jedoch nicht nur Expertinnen und Experten in dieser Debatte zu Wort kommen zu lassen, sondern auch diejenigen anzuhören, die von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen sind und für die die zu treffenden gesetzlichen Regelungen neue Perspektiven eröffnen sollen. Leider hat diese Einbindung im Rahmen der Kommission nicht stattgefunden.
Aus diesem Grund haben die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs und der Verein zur Förderung der Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland e.V. (VFLLD) die Allianz zur Legalisierung der Leihmutterschaft und Eizellspende (A.L.L.E.) ins Leben gerufen. Gemeinsam erhoffen wir uns einen bewussten Blick auf die Lebensrealität deutscher Wunscheltern oder ‘Betroffenen‘ und einen Perspektivwechsel mit Fokus auf das entstehende Kind. Wir möchten eine ganzheitliche Betrachtung erwirken, wie Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland legalisiert und geregelt werden können.
Am 12. Mai 2023 luden beide Organisationen zu einem ersten hybriden Symposium „Zukunft Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland“ in Berlin und online ein. Das Symposium soll Impulse für die Ausgestaltung von Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland geben und weitere Schritte aufzeigen, wie eine Legalisierung erreicht werden kann.
In einem ersten großen Panel kamen zunächst sieben Personen zu Wort, die aus unterschiedlichsten Gründen von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen sind oder waren (zurückliegende Krebserkrankung, Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser (MRKH)-Syndrom, angeborener Herzfehler, Endometriose, vorzeitiges Eintreten der Wechseljahre, homosexuelle Männer-Paare). Sie schilderten den insgesamt ca. 100 Teilnehmenden vor Ort und online ihre persönlichen Erfahrungen und wiesen auf die Bedeutung einer Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft hin.
Direkt im Anschluss gab Prof. Dr. rer. nat. Ralf Dittrich, Leiter des IVF- und Endokrinologischen Labors der Frauenklinik der Universitätsklinik Erlangen, einen Überblick über Möglichkeiten der assistierten Reproduktion, während Dr. Nadia Primc, wiss. Mitarbeiterin am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, die ethischen Aspekte der Eizellspende und Leihmutterschaft erläuterte und dabei die menschliche Reproduktion im Spannungsfeld zwischen Spender:in, Empfänger:in, und Spenderkind beleuchtete.
Vor der Mittagspause präsentierte Dr. Anika König, Ethnologin und Projektleiterin des Projekts „Children in Between: Disruptions of Transnational Surrogacy in the Time of Covid-19 and its Aftermath“ an der Freien Universität Berlin, Ergebnisse aus der empirischen Forschung zu Leihmutterschaft. Dabei legte sie einen Fokus auf die Perspektiven der Leihmütter, der Wunscheltern und der Kinder.
Nach dem Mittag schlossen sich Vorträge zu den Gestaltungsmöglichkeiten von Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland an. Dabei erläuterten Tobias Devooght vom VFLLD e.V. und Marion Leuchtmann vom FE-Netz e.V. Beispiele aus dem europäischen und nicht-europäischen Ausland. In einer Gegenüberstellung verschiedener Modelle wurden die Vor- und Nachteile der einzelnen Regelungen dargestellt und abgewogen. Im Anschluss widmete sich Dr. Petra Thorn, Sozialarbeiterin, Sozial- und Familientherapeutin, gesellschaftlichen und psychosozialen Fragestellungen der Eizellspende, der Embryonenspende und der Leihmutterschaft. Dabei betonte sie die Bedeutung der Beratung der Betroffenen, die im Falle einer Legalisierung ebenfalls mit bedacht werden muss.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein Podiumsgespräch zu den rechtlichen Herausforderungen für Wunscheltern in Deutschland. Dabei gaben die Rechtsanwälte und Familienrechtsexperten Thomas Oberhäuser und Dr. Marko Oldenburger im Gespräch mit Dr. Anika König Einblicke in den Regelungsbedarf des deutschen Straf- und Familienrechts.
Die Aufzeichnung der Veranstaltung kann hier eingesehen werden:
Teil 1 (Vormittag): https://youtu.be/5IbhPd9vDzQ
Teil 2 (Nachmittag): https://youtu.be/1tX4KxCQ5g8
Ergebnisse des Symposiums – Forderungen an die Politik
Trotz des sehr komplexen Themenfeldes wurde einheitlich von den Organisator:innen, Panelist:innen und Teilnehmenden der klare Wunsch nach Beteiligung am Prozess der Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft geäußert.
Konkret bedarf es:
· einer klaren und umfänglichen gesetzlichen Neuregelung
· der Beachtung aller Perspektiven, auch der der Betroffenen
· einer Diskussion und Regelung auf Grundlage von Erfahrungen aus dem Ausland, in dem bereits Regelungen bestehen und aus denen man lernen kann
· keiner neuen Konstrukte oder Sonderwege, die in der Praxis womöglich Probleme bereiten. Diese sollen vermieden werden
· Werkzeugen der Nachjustierung, um getroffene Regelungen überarbeiten und der Praxis entsprechend anpassen zu können
· einer wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation in praktisch realisierbarer Form.
„Wenn wir wollen, dass eine realistische und praktikable Regelung erarbeitet wird, die für die betroffenen Personen eine Entlastung bringt, dann muss bei der Ausgestaltung des Gesetzes pragmatisch und praxisnah vorgegangen werden“, gibt Prof Dr. med. Mathias Freund, Vorsitzender des Kuratoriums der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, zu bedenken. Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin sollte zu diesem Zweck die Stimmen und Erfahrungen der Betroffenen mit in ihre Diskussion einbeziehen und Anhörungen unter Beteiligung eben dieser betroffenen Personengruppen zulassen.
Über die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs
Jedes Jahr erkranken in Deutschland nahezu 16.500 junge Frauen und Männer im Alter von
18 bis 39 Jahren an Krebs. Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs ist Ansprechpartnerin für Patient:innen, Angehörige, Wissenschaftler:innen, Unterstützer:innen und die Öffentlichkeit. Die Stiftungsprojekte werden in enger Zusammenarbeit mit den jungen Betroffenen, Fachärztinnen und Fachärzte sowie anderen Expertinnen und Experten entwickelt und bieten direkte und kompetente Unterstützung für die jungen Patient:innen. Die Stiftung ist im Juli 2014 von der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. gegründet worden. Alle Stiftungsprojekte werden ausschließlich durch Spenden finanziert. Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs ist als gemeinnützig anerkannt.
Über den Verein zur Förderung der Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland
Gegründet im Jahr 2017 richtet sich der Verein sich an alle Menschen mit Kinderwunsch, die sich aus eigener Kraft den Wunsch nach eigenen biologischen Kindern nicht erfüllen können und daher auf die fremde Hilfe einer Leihmutter angewiesen sind. Dies kann zum Beispiel einerseits bedeuten, dass die Frau eines Heteropaars unfruchtbar ist oder aus anderen Gründen keine eigenen Kinder bekommen kann oder andererseits, dass ein homosexuelles Paar eigene Kinder bekommen möchte, aufgrund der fehlenden weiblichen Hälfte jedoch diesen Kinderwunsch nicht umsetzen kann. Auch alleinstehende Männer haben durchaus einen Kinderwunsch, den sie sich erfüllen möchten, aber nicht können. Der VFLLD e.V. bietet Unterstützung, Rat und Informationen, wobei er ausdrücklich auf das derzeitige gesetzliche Verbot der Leihmutterschaft in Deutschland hinweist.
Spendenkonto der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs:
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE33 1002 0500 0001 8090 01, BIC: BFSW DE33
- Aufzeichnung Symposium „Zukunft Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland“ Teil 1 (12.5.2023, Vormittag)
- Aufzeichnung Symposium „Zukunft Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland“ Teil 2 (12.5.2023, Nachmittag)
http://www.junge-erwachsene-mit-krebs.de - Stiftungswebsite
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Politik
überregional
Pressetermine, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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