Säbener Eisenhütte markiert die Schwelle eines neuen Zeitalters – Leistungsfähige Hochöfen verhütten auch Erze mit geringerem Eisengehalt
500 Jahre bevor nördlich der Alpen die ersten Hochöfen glühten, produzierten Hüttenleute in Südtirol bereits Gusseisen nach dieser damals revolutionären Technologie. So fasst der Mainzer Archäologieprofessor Dr. Hans-Peter Kuhnen das Hauptergebnis einer archäologischen Ausgrabung zusammen, die er im Auftrag des Südtiroler Archäologiemuseums Bozen seit 2019 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) wissenschaftlich auswertet. Die Ausgrabung fand 1978 bis 1982 unter Leitung der Universität Bonn auf dem Burgberg von Säben in der Südtiroler Gemeinde Klausen statt, blieb aber aus technischen Gründen lange in der Schublade und konnte erst jetzt durch Kuhnen und ein kleines Forschungsteam abschließend bearbeitet werden.
Die Ausgrabung erbrachte auf dem felsigen Steilhang des Burgbergs die Überreste einer spätantiken Höhensiedlung des 4. bis 8. Jahrhunderts n. Chr. mit einer Eisenhütte, mindestens einer frühchristlichen Bischofskirche, mit Wohn- und Handwerkerbauten sowie einem zugehörigen Gräberfeld. Hier waren neben Latein sprechenden Einheimischen auch Zuwanderer aus Bayern mit Goldschmuck und Prunkbewaffnung beigesetzt. Aufgrund von Schlacken- und Roheisenuntersuchungen des Mannheimer Curt-Engelhorn-Zentrums Archäometrie konnte das Team nachweisen, dass in den aus Lehm und Steinen gesetzten Verhüttungsöfen Gusseisen hergestellt wurde. „Das Besondere an dieser Siedlung ist die Eisenhütte. Sie bietet den bislang ältesten Hinweis auf Gusseisenherstellung in Europa, was von den Medien in Südtirol als kleine Sensation gewertet wurde“, kommentiert Kuhnen die neuen Ergebnisse, die er zeitnah in Buchform vorlegen will.
Technikgeschichtlich steht die Säbener Eisenhütte damit an der Schwelle eines neuen Zeitalters, in dem leistungsfähige Hochöfen auch Erze von geringerem Eisengehalt verhütten und damit die Verfügbarkeit des Rohstoffs Eisen enorm steigern konnten. Vor dem Aufkommen von Hochöfen gab es zur Eisenverhüttung nur sogenannte Rennfeueröfen, die hochwertiges Erz benötigten und aufgrund ihrer niedrigeren Betriebstemperaturen nur geringen Ertrag brachten. Dass die Hüttenleute und mit ihnen der örtliche Bischof ausgerechnet den Säbener Burgberg für ihren innovativen Betrieb wählten, ist nach Meinung Kuhnens kein Zufall: „Immerhin lag der Säbener Burgberg dem berühmten mittelalterlichen Montanrevier des Villanderer Berges genau gegenüber und kontrollierte den Zugang zu ihm.“ Die genauen Abbaustellen der Eisenerze sind indes noch nicht identifiziert. Hierfür setzt Kuhnen auf die Lagerstättenkunde der Südtiroler Montanforscher, die bereits Interesse an dem Thema signalisiert haben.
Bildmaterial:
https://download.uni-mainz.de/presse/07_iaw_vor_und_fruehgeschichte_saeben_01.jp...
Der Burgberg von Säben, nahe der Stadt Klausen im Eisacktal in Südtirol gelegen, hier in der Ansicht von Osten: Das Benediktinerinnenkloster auf der Kuppe des Berges steht seit 2021 leer.
Foto/©: Hans-Peter Kuhnen
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Die Freilegung der frühchristlichen Kirche im Weinberg unterhalb der spätantiken Eisenhütte während der Ausgrabung der Universität Bonn 1982
Foto/©: Hans Nothdurfter
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Blick von Norden auf die Grundmauern der spätantiken Eisenhütte, darüber die spätmittelalterliche Zinnenmauer
Foto/©: Hans Nothdurfter
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Werkraum der spätantiken Eisenhütte mit mehreren, teilweise übereinander liegenden Grundplatten von Schmelzöfen zur Eisenverhüttung
Foto/©: Hans Nothdurfter
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Hans-Peter Kuhnen zeigt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung „Säben – Wirtschaft, Gesellschaft, Kirche“ den Standort der Eisenhütte auf dem Grabungsgelände von 1978 bis 1987.
Foto/©: Thomas Bethge
Weiterführende Links:
http://www.altertumswissenschaften.uni-mainz.de – Institut für Altertumswissenschaften
https://www.vfg-mz.de/?cat=10 – Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie
https://www.youtube.com/watch?v=TQisIAelvJI&list=PL_XR6tETg6ThK9FeOTUA_ZM08V... – Video Landesmuseum Bergbau – Südtirol
Lesen Sie mehr:
https://presse.uni-mainz.de/vor-der-schwelle-des-kalifenpalasts-archaeologen-ent... – Pressemitteilung „Vor der Schwelle des Kalifenpalasts: Archäologen entdecken antike Mosaiken am Ufer des Sees Genezareth“ (21.09.2022)
https://presse.uni-mainz.de/mainzer-archaeologen-liefern-neue-erkenntnisse-zur-g... – Pressemitteilung „Mainzer Archäologen liefern neue Erkenntnisse zur Geschichte des frühislamischen Kalifenpalasts Khirbat al-Minya“ (12.10.2016)
https://presse.uni-mainz.de/auswaertiges-amt-foerdert-konservierung-des-fruehisl... – Pressemitteilung „Auswärtiges Amt fördert Konservierung des frühislamischen Kalifenpalasts im Nationalpark Khirbat al-Minya“ (01.03.2016)
https://www.magazin.uni-mainz.de/rettung-fuer-das-wuestenschloss-im-gruenen/ – JGU-Magazin-Beitrag „Rettung für das Wüstenschloss im Grünen“ (9. November 2015)
https://presse.uni-mainz.de/mainzer-archaeologen-restaurieren-fruehislamischen-k... – Pressemitteilung „Mainzer Archäologen restaurieren frühislamischen Kalifenpalast am See Genezareth“ (27.05.2015)
Prof. Dr. Hans-Peter Kuhnen
Arbeitsbereich Vor- und Frühgeschichtliche / Biblische Archäologie
Institut für Altertumswissenschaften
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-30198 (Büro) oder +49 171 9161718 (Mobil)
E-Mail: kuhnen@uni-mainz.de
https://www.vfg-mz.de/?cat=109
Hans-Peter Kuhnen
Eisenschmelzer, Schmiede, Beinschnitzer und Drechsler: Die Höhensiedlung um die spätantike Bischofskirche von Säben, Gemeinde Klausen (Südtirol) nach den Ausgrabungen der Jahre 1978 - 1982
Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 38, 2022
https://www.academia.edu/93776005/Eisenschmelzer_Schmiede_Beinschnitzer_und_Drec...
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geschichte / Archäologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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