idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
23.05.2023 15:17

Ältester Hinweis auf Gusseisenherstellung in Europa: In Südtirol 500 Jahre früher als nördlich der Alpen

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Säbener Eisenhütte markiert die Schwelle eines neuen Zeitalters – Leistungsfähige Hochöfen verhütten auch Erze mit geringerem Eisengehalt

    500 Jahre bevor nördlich der Alpen die ersten Hochöfen glühten, produzierten Hüttenleute in Südtirol bereits Gusseisen nach dieser damals revolutionären Technologie. So fasst der Mainzer Archäologieprofessor Dr. Hans-Peter Kuhnen das Hauptergebnis einer archäologischen Ausgrabung zusammen, die er im Auftrag des Südtiroler Archäologiemuseums Bozen seit 2019 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) wissenschaftlich auswertet. Die Ausgrabung fand 1978 bis 1982 unter Leitung der Universität Bonn auf dem Burgberg von Säben in der Südtiroler Gemeinde Klausen statt, blieb aber aus technischen Gründen lange in der Schublade und konnte erst jetzt durch Kuhnen und ein kleines Forschungsteam abschließend bearbeitet werden.

    Die Ausgrabung erbrachte auf dem felsigen Steilhang des Burgbergs die Überreste einer spätantiken Höhensiedlung des 4. bis 8. Jahrhunderts n. Chr. mit einer Eisenhütte, mindestens einer frühchristlichen Bischofskirche, mit Wohn- und Handwerkerbauten sowie einem zugehörigen Gräberfeld. Hier waren neben Latein sprechenden Einheimischen auch Zuwanderer aus Bayern mit Goldschmuck und Prunkbewaffnung beigesetzt. Aufgrund von Schlacken- und Roheisenuntersuchungen des Mannheimer Curt-Engelhorn-Zentrums Archäometrie konnte das Team nachweisen, dass in den aus Lehm und Steinen gesetzten Verhüttungsöfen Gusseisen hergestellt wurde. „Das Besondere an dieser Siedlung ist die Eisenhütte. Sie bietet den bislang ältesten Hinweis auf Gusseisenherstellung in Europa, was von den Medien in Südtirol als kleine Sensation gewertet wurde“, kommentiert Kuhnen die neuen Ergebnisse, die er zeitnah in Buchform vorlegen will.

    Technikgeschichtlich steht die Säbener Eisenhütte damit an der Schwelle eines neuen Zeitalters, in dem leistungsfähige Hochöfen auch Erze von geringerem Eisengehalt verhütten und damit die Verfügbarkeit des Rohstoffs Eisen enorm steigern konnten. Vor dem Aufkommen von Hochöfen gab es zur Eisenverhüttung nur sogenannte Rennfeueröfen, die hochwertiges Erz benötigten und aufgrund ihrer niedrigeren Betriebstemperaturen nur geringen Ertrag brachten. Dass die Hüttenleute und mit ihnen der örtliche Bischof ausgerechnet den Säbener Burgberg für ihren innovativen Betrieb wählten, ist nach Meinung Kuhnens kein Zufall: „Immerhin lag der Säbener Burgberg dem berühmten mittelalterlichen Montanrevier des Villanderer Berges genau gegenüber und kontrollierte den Zugang zu ihm.“ Die genauen Abbaustellen der Eisenerze sind indes noch nicht identifiziert. Hierfür setzt Kuhnen auf die Lagerstättenkunde der Südtiroler Montanforscher, die bereits Interesse an dem Thema signalisiert haben.

    Bildmaterial:
    https://download.uni-mainz.de/presse/07_iaw_vor_und_fruehgeschichte_saeben_01.jp...
    Der Burgberg von Säben, nahe der Stadt Klausen im Eisacktal in Südtirol gelegen, hier in der Ansicht von Osten: Das Benediktinerinnenkloster auf der Kuppe des Berges steht seit 2021 leer.
    Foto/©: Hans-Peter Kuhnen

    https://download.uni-mainz.de/presse/07_iaw_vor_und_fruehgeschichte_saeben_02.jp...
    Die Freilegung der frühchristlichen Kirche im Weinberg unterhalb der spätantiken Eisenhütte während der Ausgrabung der Universität Bonn 1982
    Foto/©: Hans Nothdurfter

    https://download.uni-mainz.de/presse/07_iaw_vor_und_fruehgeschichte_saeben_03.jp...
    Blick von Norden auf die Grundmauern der spätantiken Eisenhütte, darüber die spätmittelalterliche Zinnenmauer
    Foto/©: Hans Nothdurfter

    https://download.uni-mainz.de/presse/07_iaw_vor_und_fruehgeschichte_saeben_04.jp...
    Werkraum der spätantiken Eisenhütte mit mehreren, teilweise übereinander liegenden Grundplatten von Schmelzöfen zur Eisenverhüttung
    Foto/©: Hans Nothdurfter

    https://download.uni-mainz.de/presse/07_iaw_vor_und_fruehgeschichte_saeben_05.jp...
    Hans-Peter Kuhnen zeigt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung „Säben – Wirtschaft, Gesellschaft, Kirche“ den Standort der Eisenhütte auf dem Grabungsgelände von 1978 bis 1987.
    Foto/©: Thomas Bethge

    Weiterführende Links:
    http://www.altertumswissenschaften.uni-mainz.de – Institut für Altertumswissenschaften
    https://www.vfg-mz.de/?cat=10 – Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie
    https://www.youtube.com/watch?v=TQisIAelvJI&list=PL_XR6tETg6ThK9FeOTUA_ZM08V... – Video Landesmuseum Bergbau – Südtirol

    Lesen Sie mehr:
    https://presse.uni-mainz.de/vor-der-schwelle-des-kalifenpalasts-archaeologen-ent... – Pressemitteilung „Vor der Schwelle des Kalifenpalasts: Archäologen entdecken antike Mosaiken am Ufer des Sees Genezareth“ (21.09.2022)
    https://presse.uni-mainz.de/mainzer-archaeologen-liefern-neue-erkenntnisse-zur-g... – Pressemitteilung „Mainzer Archäologen liefern neue Erkenntnisse zur Geschichte des frühislamischen Kalifenpalasts Khirbat al-Minya“ (12.10.2016)
    https://presse.uni-mainz.de/auswaertiges-amt-foerdert-konservierung-des-fruehisl... – Pressemitteilung „Auswärtiges Amt fördert Konservierung des frühislamischen Kalifenpalasts im Nationalpark Khirbat al-Minya“ (01.03.2016)
    https://www.magazin.uni-mainz.de/rettung-fuer-das-wuestenschloss-im-gruenen/ – JGU-Magazin-Beitrag „Rettung für das Wüstenschloss im Grünen“ (9. November 2015)
    https://presse.uni-mainz.de/mainzer-archaeologen-restaurieren-fruehislamischen-k... – Pressemitteilung „Mainzer Archäologen restaurieren frühislamischen Kalifenpalast am See Genezareth“ (27.05.2015)


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Hans-Peter Kuhnen
    Arbeitsbereich Vor- und Frühgeschichtliche / Biblische Archäologie
    Institut für Altertumswissenschaften
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    55099 Mainz
    Tel. +49 6131 39-30198 (Büro) oder +49 171 9161718 (Mobil)
    E-Mail: kuhnen@uni-mainz.de
    https://www.vfg-mz.de/?cat=109


    Originalpublikation:

    Hans-Peter Kuhnen
    Eisenschmelzer, Schmiede, Beinschnitzer und Drechsler: Die Höhensiedlung um die spätantike Bischofskirche von Säben, Gemeinde Klausen (Südtirol) nach den Ausgrabungen der Jahre 1978 - 1982
    Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 38, 2022
    https://www.academia.edu/93776005/Eisenschmelzer_Schmiede_Beinschnitzer_und_Drec...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).