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23.05.2023 15:47

Vermisst seit 1362

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Gemeinsame Pressemitteilung des Archäologischen Landesamts Schleswig-Holstein, des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Wissenschaftliches Gemeinschaftsprojekt lokalisiert die untergegangene Kirche von Rungholt im nordfriesischen Wattenmeer

    Der heute im UNESCO-Welterbe Wattenmeer gelegene, 1362 in einer Sturmflut untergegangene mittelalterliche Handelsplatz Rungholt ist aktuell Ziel interdisziplinärer Forschung. Durch eine Kombination aus naturwissenschaftlichen und archäologischen Methoden gelang es nun Forschenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) sowie des Archäologischen Landesamts Schleswig-Holstein (ALSH) den Standort der Rungholter Kirche zu lokalisieren – und somit eine über 100-jährige, vieldiskutierte Forschungsfrage endgültig zu klären.

    Fachübergreifende Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg

    Im Rahmen zweier von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderter interdisziplinärer Vorhaben wird seit einigen Jahren die im Wattenmeer untergegangene, mittelalterliche Kulturlandschaft erforscht. Rungholt – überregional bekannt durch seinen mythisch verklärten Untergang und eine europaweit einmalige archäologische Fundsituation – steht dabei als prominentes Beispiel für die bis heute andauernden Auswirkungen massiver menschlicher Eingriffe in den norddeutschen Küstenraum.

    Der Schlüssel zum Erfolg der Arbeiten liegt in der engen interdisziplinären Zusammenarbeit. „Unter dem Watt verborgene Siedlungsreste werden zunächst mit unterschiedlichen geophysikalischen Methoden wie magnetischer Gradiometrie, elektromagnetischer Induktion und Seismik lokalisiert und flächenhaft kartiert“, erklärt Dr. Dennis Wilken, Geophysiker an der CAU. Dr. Hanna Hadler vom Geographischen Institut der JGU ergänzt: „Auf Grundlage dieser Prospektion entnehmen wir gezielt Sedimentbohrkerne, deren Analyse nicht nur Aussagen über räumliche und zeitliche Zusammenhänge der Siedlungsstrukturen, sondern auch zur Landschaftsentwicklung ermöglicht.“ Archäologische Untersuchungen liefern an ausgewählten Stellen einmalige Einblicke in das Leben der nordfriesischen Siedler und fördern aus den Wattflächen immer wieder bedeutende neue Funde ans Licht.

    Untergegangene Kulturlandschaft um Rungholt mit zentraler Kirchwarft erstmals großflächig rekonstruiert

    Im Mai 2023 wurde nun bei Hallig Südfall durch geophysikalische Prospektion eine bislang unbekannte, zwei Kilometer lange Kette mittelalterlicher Warften, also künstlicher Siedlungshügel, erfasst. Eine dieser Warften zeigt Strukturen, die zweifelsfrei als Fundamente einer Kirche von 40 Meter mal 15 Meter Größe zu deuten sind. Bohrungen und gezielte Ausgrabungen haben erste Einblicke zum Aufbau und zu den Fundamenten des Sakralbaus ergeben.

    „Damit reiht sich der Fund in die großen Kirchen Nordfrieslands ein“, erläutert Dr. Bente Sven Majchczack, Archäologe im Exzellenzcluster ROOTS an der CAU. Dr. Ruth Blankenfeldt, Archäologin am ZBSA fügt hinzu: „Die Besonderheit des Fundes liegt in der Bedeutung der Kirche als Mittelpunkt eines Siedlungsgefüges, das in seiner Größe als Kirchspiel mit übergeordneter Funktion interpretiert werden muss.“

    Die Funde in dem über zehn Quadratkilometer großen untersuchten Gebiet umfassen bislang 54 Warften, systematische Entwässerungssysteme, einen Seedeich mit Sielhafen, zwei Standorte kleinerer Kirchen und nun auch die große Hauptkirche. Damit muss das gefundene Siedlungsgebiet als einer der überlieferten Hauptorte des mittelalterlichen Verwaltungsbezirkes Edomsharde angesehen werden.

    Starke Gefährdung der Kulturspuren durch Erosion

    Neben dem einzigartigen Archivcharakter, den die Wattflächen für die Rekonstruktion der Kulturlandschaft um Rungholt besitzen, zeigen die Projektergebnisse der letzten Jahre jedoch auch die extreme Gefährdung der über 600 Jahre alten Kulturspuren. „Um Hallig Südfall und in anderen Wattflächen sind die mittelalterlichen Siedlungsreste bereits stark erodiert und oft nur noch als Negativabdruck nachweisbar. Dies zeigt sich auch im Umfeld der Kirchwarft sehr deutlich, sodass wir die Erforschung hier dringend intensivieren müssen“, resümiert Hanna Hadler.

    Die Forschungsprojekte im Nordfriesischen Wattenmeer

    An den Forschungen im Rahmen des DFG-Projektes „RUNGHOLT – Kombinierte geophysikalische, geoarchäologische und archäologische Untersuchungen im nordfriesischen Wattenmeer im Umfeld des mittelalterlichen Handelsplatzes Rungholt” sind Dr. Hanna Hadler und Prof. Dr. Andreas Vött aus der Arbeitsgruppe Naturrisikoforschung und Geoarchäologie der JGU, Dr. Dennis Wilken aus der Arbeitsgruppe Angewandte Geophysik der CAU sowie Dr. Ruth Blankenfeldt vom Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie und Dr. Stefanie Klooß und Dr. Ulf Ickerodt vom Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein beteiligt. Im Rahmen des Projekts „Socio-environmental Interactions on the North Frisian Wadden Sea Coast” im Exzellenzcluster ROOTS der Uni Kiel beteiligen sich Dr. Bente Sven Majchczack und Prof. Dr. Wolfgang Rabbel an der Kooperation.

    Bildmaterial:
    https://download.uni-mainz.de/presse/09_geographie_geomorphologie_rungholt_kirch...
    Ein Messwagen in Leichtbauweise liefert großflächig magnetische Kartierungen von Kulturspuren, die unter der heutigen Wattoberfläche verborgenen sind.
    Foto/©: Dirk Bienen-Scholt, Schleswig

    https://download.uni-mainz.de/presse/09_geographie_geomorphologie_rungholt_kirch...
    Sedimentbohrkerne werden zur Erfassung von Siedlungsresten und der Rekonstruktion der Landschaftsentwicklung an ausgewählten Stellen im Watt gewonnen.
    Foto/©: Justus Lemm, Berlin

    https://download.uni-mainz.de/presse/09_geographie_geomorphologie_rungholt_kirch...
    Ein spezieller Metallrahmen ermöglicht im Watt archäologische Grabungen von einem Quadratmeter Größe, wobei die Funde während einer Ebbe ausgegraben und dokumentiert werden können.
    Foto/©: Ruth Blankenfeldt, Schleswig

    Kontakt:
    Dr. Hanna Hadler
    Geographisches Institut
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    55099 Mainz
    Tel. +49 6131 39-24496
    E-Mail: hadler@uni-mainz.de
    https://www.geomorphologie.uni-mainz.de/arbeitsgruppe/dr-hanna-hadler/

    Dr. Dennis Wilken
    Institut für Geowissenschaften
    Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
    24118 Kiel
    Tel. +49 431 880-4648
    E-Mail: dennis.wilken@ifg.uni-kiel.de
    https://www.appliedgeophysics.ifg.uni-kiel.de/de/team/dr-rer-nat-dennis-wilken

    Dr. Ruth Blankenfeldt
    Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie
    Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen
    Schloss Gottorf
    24837 Schleswig
    Tel. +49 4621-813 289
    E-Mail: ruth.blankenfeldt@zbsa.eu
    https://zbsa.eu/ruth-blankenfeldt/

    Dr. Bente Sven Majchczack
    Cluster of Excellence ROOTS / Institut für Geowissenschaften
    Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
    24118 Kiel
    Tel. +49 431 880 6705 oder +49 175 5901865
    E-Mail: bmajchczack@roots.uni-kiel.de
    https://www.ufg.uni-kiel.de/de/mitarbeiterinnen/wissenschaftliche-mitarbeiter/dr...

    Weiterführende Links:
    https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/ALSH/... - Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH)
    https://www.appliedgeophysics.ifg.uni-kiel.de/de - Applied Geophysics an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)
    https://www.geomorphologie.uni-mainz.de/ - Geomorphologie an der JGU
    https://zbsa.eu/das-nordfriesische-watt/ - Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA)
    https://www.cluster-roots.uni-kiel.de/en/research-projects/projects-roots-of-soc... - Wattenmeerprojekt im Exzellenzcluster ROOTS der CAU
    https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/442822276?context=projekt&task=showDeta...; - DFG-Förderung für das RUNGHOLT-Projekt


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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