Mountainbiken ist heute eine der beliebtesten Freizeitaktivitäten. Sportökolog*innen der Universität Bayreuth haben jetzt ein breites Spektrum bisher veröffentlichter Erkenntnisse zu den ökologischen Folgen dieser Sportart zusammengetragen und ausgewertet. Zahlreiche direkte und kurzfristige Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen und Böden lassen sich eindeutig nachweisen. Einschätzungen langfristiger Folgen bleiben jedoch wegen der Komplexität von Ökosystemen und ihrer jeweiligen Eigendynamik schwierig. In der Zeitschrift „Global Ecology and Conservation“ ist der Review-Artikel erschienen.
Besonders gravierende Folgen sind zu beobachten, wenn naturnahe Flächen erstmals für das Mountainbiken genutzt werden. Sobald Gebiete durch das Anlegen neuer Wege für das Mountainbiken erschlossen werden oder Mountainbiker*innen auf bisher unbefahrenem Gelände in eine intakte Tier- und Pflanzenwelt eindringen, beginnen Wildtiere ihr Verhalten zu ändern. Die Vegetation wird sichtbar beeinträchtigt, die Tendenz zur Bodenerosion steigt. Diese Auswirkungen sind umso auffälliger, als insbesondere Gebiete mit einer ausgeprägten landschaftlichen Vielfalt für Outdoor-Sportarten wie das Mountainbiken attraktiv sind und genutzt werden.
In einer der ausgewerteten Studien wurde eine Verringerung der mikrobiellen Biomasse in den Böden auf einem Geländestreifen von bis zu 20 Metern neben den Wegen nachgewiesen. Dies schwächt die Versorgung von Pflanzen mit Nährstoffen und beeinflusst daher deren Wachstum und Vermehrung. Die Ausdünnung der Pflanzendecke verstärkt wiederum die Bodenerosion, die ohnehin durch neue, unbefestigte Wege gefördert wird. Folgen für die Vegetation entstehen aber nicht allein durch das Anlegen von Wegen, sondern – wie weitere Untersuchungen gezeigt haben – auch dadurch, dass Mountainbiker*innen die vorgegebenen Wege teilweise verlassen und stattdessen das angrenzende Gelände nutzen. Wie die Relevanz der dabei entstehenden Schäden einzuschätzen ist, hängt im Einzelfall immer vom jeweiligen Schutzstatus und der Funktion der betroffenen Pflanzen ab. Eine Zerstörung der Pflanzendecke in dem für das Mountainbiken genutzten Gelände ist insbesondere für gefährdete Arten relevant, kann sich aber auch vorteilhaft auf die Artenvielfalt auswirken.
Auch auf die Tierwelt hat das Mountainbiken in vieler Hinsicht direkte Auswirkungen, wie der Überblick über die bisherige Forschung zeigt. Häufig reagieren Wildtiere auf das Mountainbiken, indem sie die Nähe zu den Sportler*innen und ihren Wegen meiden. Nicht selten verkürzt der Radsport ihre Ruhezeiten und stört sie bei ihrer Nahrungsaufnahme zu den gewohnten Tageszeiten. Einige Arten ändern deshalb sowohl ihre Lebensräume als auch ihren Tagesrhythmus. Besonders häufig sind solche Auswirkungen des Mountainbikens bei Säugetieren und Vögeln untersucht worden. Mögliche Änderungen im Verhalten müssen allerdings nicht unbedingt negative Auswirkungen auf den Bestand der jeweiligen Art haben.
In ihrer Bilanz zur bisher verfügbaren Forschungsliteratur weisen die Bayreuther Sportökolog*innen ausdrücklich auf Erkenntnislücken hin. Viele Aspekte der Wechselwirkungen zwischen Mountainbiken, Pflanzen und Tieren sind nicht ausreichend untersucht und dürften sich erheblich zwischen einzelnen Arten unterscheiden. Auch ist bisher wenig darüber bekannt, welche Folgen die rasch wachsende Beliebtheit von Mountainbikes mit Elektroantrieb hat. „Es gibt zwar viele Indizien dafür, dass die in bisherigen Studien ermittelten sportökologischen Effekte durch das e-Mountainbiken verstärkt werden. Doch bis allgemeingültige Aussagen möglich sind, bedarf es noch zahlreicher Forschungsarbeiten. Diese müssten nicht zuletzt auch Änderungen des Sportverhaltens untersuchen, die mit dem Umstieg auf elektrobetriebene Mountainbikes verbunden sind“, sagt Veronika Mitterwallner, korrespondierende Autorin des Review-Artikels und Doktorandin an der Professur für Sportökologie der Universität Bayreuth.
Die Autor*innen der neuen Veröffentlichung betonen, dass die bisher vorliegenden Erkenntnisse zu unmittelbaren Umweltwirkungen des Mountainbikens selten ausreichen, um Schlussfolgerungen in Bezug auf langfristige Folgen für ökologische Systeme zu ermöglichen. In vielen Fällen müssten sehr viel mehr Daten, als heute zur Verfügung stehen, erhoben werden, um begründete Aussagen über Art und Umfang potenzieller langfristiger Auswirkungen treffen zu können. „Grundsätzlich ist zu erwarten, dass die Wirkungen des Mountainbikens sich erheblich zwischen verschiedenen Arten und abhängig vom Kontext unterscheiden. Die gezielte Untersuchung seltener oder schützenswerter Arten ist bisher oft unzureichend, und die langfristige Relevanz kurzfristiger Störungen bleibt mithin offen“, sagt Mitterwallner.
Die Bayreuther Sportökolog*innen geben überdies zu bedenken, dass Outdoor-Sportarten wie das Mountainbiken langfristig dazu beitragen könnten, die Menschen für den ästhetischen und ökologischen Wert von Landschaften zu sensibilisieren. In diesem Fall hätten diese Sportarten sogar das Potenzial, einen achtsamen, ökologisch bewussten Umgang mit der Natur zu stärken.
Veronika Mitterwallner M.Sc.
Sportökologie
Universität Bayreuth
Telefon: +49 (0)921 / 55-3478
E-Mail: veronika.mitterwallner@uni-bayreuth.de
Lukas F. Kuwaczka, Veronika Mitterwallner, Volker Audorff, Manuel J. Steinbauer: Ecological impacts of (electrically assisted) mountain biking. Global Ecology and Conservation (2023), DOI: https://doi.org/10.1016/j.gecco.2023.e02475
Mountainbiken im Allgäu.
Foto: Volker Audorff.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Sportwissenschaft, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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