idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
26.05.2023 10:00

Basis für Haut- und Organherstellung: TU Graz Forschende revolutionieren Herstellung biokompatibler Mikrofasern

Mag. Falko Schoklitsch Kommunikation und Marketing
Technische Universität Graz

    Mittels einer neu entwickelten Methode zur effizienten und kostengünstigen Herstellung biokompatibler Mikrofasern kann die Produktion von Eigenhaut und Organen deutlich beschleunigt werden.

    In der Biomedizintechnik gewinnt das Thema Tissue Engineering zur ex-vivo Produktion von Haut oder Organen zusehends an Bedeutung. Dafür werden biokompatible Mikrofasern mit eingeschlossenen Mikrokapseln in kontrollierter Größe und Form benötigt, da die für das Tissue Engineering verwendeten Zellen in Material eingelagert sein müssen, das der natürlichen Anordnung in-vivo möglichst ähnlich ist. Bislang war die Herstellung solcher Fasern bei niedrigem Output recht aufwändig und zeitintensiv. Forschende der TU Graz haben nun eine neue Methode zur Herstellung von pharmazeutisch und biomedizinisch einsetzbaren Mikrofasern mit den gewünschten Eigenschaften entwickelt, die bei wesentlich geringerem Produktionsaufwand einen deutlich höheren Ertrag als bei bisherigen Verfahren abwirft.

    In einem von der American Physical Society veröffentlichten Paper (https://journals.aps.org/prapplied/abstract/10.1103/PhysRevApplied.19.054006) legen Carole Planchette und ihr Team vom Institut für Strömungslehre und Wärmeübertragung der TU Graz dar, wie sie mit ihrer vom Wissenschaftsfonds FWF und der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft aws geförderten Entwicklung in Sekunden mehrere Meter dieser Mikrofaser herstellen können. Die gängigen Methoden schaffen im gleichen Zeitraum höchstens ein paar Zentimeter. Möglich gemacht hat diese Beschleunigung die Abkehr von der Produktion der Mikrofasern in Flüssigkeitsumgebung mittels mikrofluidischer Chips hin zu einer Herstellung, die in steriler Raumluft möglich ist. Dadurch konnten die notwendigen Prozessschritte sowie die Kosten stark reduziert und potenzielle Fehler- und Verstopfungsquellen minimiert werden.

    Tröpfchen treffen auf Flüssigkeitsstrahl

    In der nun vorgestellten Methode verbindet sich ein regelmäßiger Tröpfchenstrom, in dem sich Zellen oder Wirkstoffe befinden, mit einem Flüssigkeitsstrahl aus Alginsäurelösung. Die aus Braunalgen gewonnene Alginsäure bildet in Verbindung mit Calcium Kationen ein elastisches Gel mit dem Namen Alginat – ähnlich dem in der Molekularküche üblichen Verfahren zur Herstellung von Kaviarperlen. Dieses Hydrogel ist einerseits voll biokompatibel und verhindert andererseits, dass die eingelagerten Tröpfchen miteinander verschmelzen. Zur Aushärtung des Stroms aus Alginsäurelösung wird daher kontinuierlich ein zweiter Strahl mit Calcium Kationen darauf geschossen. Die so entstandene Faser, von der bis zu 5 Meter pro Sekunde wachsen, kann danach einfach auf einem Drehteller gesammelt werden. All diese Schritte erfolgen an der Luft und nicht wie bisher in mikrofluider Herstellung.

    In ein paar Jahren soll sich mittels der neuen Methode eine der Haut ähnelnde Faser aus menschlichen Zellen herstellen lassen. Dieser Einbau von Zellen in die Mikrofaser ist der nächste Forschungsschritt für Carole Planchette und ihr Team. Das daraus erwartete Ergebnis kann beispielsweise eine große Hilfe für Brandopfer sein, da aus ihren eigenen, unversehrten Hautzellen neue und personalisierte Haut für eine Transplantation in sehr kurzer Zeit produziert werden kann. Bei der Erforschung der Herstellung von künstlicher Haut arbeiten die Forschenden der TU Graz mit der Med Uni Graz zusammen. In der weiter entfernten Zukunft - wohl mehr als zehn Jahre - kann es dann auch möglich sein, künstliche Organe mit dieser Mikrofaser herzustellen.

    Ersatz für Tierversuche

    Neben Tissue Engineering bieten sich aufgrund der neuen und schnelleren Herstellungsmethode noch weitere Anwendungsbereiche für die biokompatible Mikrofaser, beispielsweise Zellscreening. Schon recht zeitnah wird es möglich sein, wesentlich umfangreicher neue Moleküle für medizinische Wirkstoffe an Zellen darauf zu testen, ob oder ab wann sie toxisch sind. Aufgrund der verfügbaren Faserlänge können unterschiedliche Temperaturen oder Konzentrationen in einem Durchgang getestet werden. Für derartige Tests in großen Maßstäben wird bislang auf Tierversuche zurückgegriffen, dies ließe sich damit größtenteils umgehen.

    Die wichtige Rolle der Grundlagenforschung

    „Für mich ist es besonders interessant, wenn ich grundlegende Aspekte der Strömungslehre dazu nutzen kann, neue und innovative Lösungen für bisher ungelöste Probleme zu finden“, erklärt Carole Planchette. „Dadurch lassen sich Wege zu neuen Anwendungen entdecken und unsere Herstellungsmethode von biokompatiblen Mikrofasern mit regelmäßigen Einschlüssen bei hohem Output und niedrigen Kosten zeigt das. Die Möglichkeiten für Zellscreening, Gewebekonstruktion und irgendwann auch Organherstellung, die sich damit eröffnen, können für viele Disziplinen von großem Nutzen sein. Für mich ist das auch ein klares Zeichen dafür, wie wichtig die Rolle der multidisziplinären Grundlagenforschung ist, um damit das Fundament für bahnbrechende Anwendungen zu schaffen.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Carole PLANCHETTE
    Assoc.Prof. Dr.
    TU Graz | Institut für Strömungslehre und Wärmeübertragung
    Tel.: +43 316 873 7357
    carole.planchette@tugraz.at


    Originalpublikation:

    Originalpublikation: In-Air Microfluidic Strategy for the Production of Sodium Alginate Fibers with Regular Inclusions at Very High Throughput
    Autor*innen: Carole Planchette, Francesco Marangon und David Baumgartner

    The American Physical Society: https://journals.aps.org/prapplied/abstract/10.1103/PhysRevApplied.19.054006

    DOI: https://doi.org/10.1103/PhysRevApplied.19.054006


    Bilder

    Die Entstehung der biokompatiblen Mikrofaser aus der Nähe betrachtet.
    Die Entstehung der biokompatiblen Mikrofaser aus der Nähe betrachtet.
    Baumgartner, Marangon
    David Baumgartner, Francesco Marangon - TU Graz

    Carole Planchette vom Institut für Strömungslehre und Wärmeübertragung der TU Graz.
    Carole Planchette vom Institut für Strömungslehre und Wärmeübertragung der TU Graz.
    Renate Trummer
    Fotogenia - Renate Trummer


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Medizin, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Die Entstehung der biokompatiblen Mikrofaser aus der Nähe betrachtet.


    Zum Download

    x

    Carole Planchette vom Institut für Strömungslehre und Wärmeübertragung der TU Graz.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).