Die Funktion fast aller bekannten Proteine des Menschen ist maßgeblich von unterschiedlichen, in der Regel mehrschrittigen Reifungsprozessen innerhalb der Zelle abhängig. Einer dieser Prozesse beinhaltet den Anbau von komplexen Zuckerketten, welche etwa die Proteinstabilität erhöhen oder auch eine Signalfunktion ausüben können. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Uniklinik Köln konnte nun einen Defekt dieses Systems als Ursache für eine schwere Syndromerkrankung bei zwei Patienten identifizieren. Sie veröffentlichen ihre Ergebnisse in dieser Woche (23. Mai 2023) in der renommierten Fachzeitschrift The Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).
Der Arbeitsgruppe für „Seltene und erbliche Nierenerkrankungen“ um Dr. Florian Erger und Priv.-Doz. Dr. Bodo Beck am Institut für Humangenetik und Mitarbeitern der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, des Cologne Centers for Genomics (CCG) und des Centers for Molecular Medicine Cologne (CMMC) gelang in nationaler und internationaler Zusammenarbeit mit dem Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Aachen und dem National Center for Functional Glycomics der Harvard Universität (Boston, USA) die Entdeckung eines neuen Gendefektes.
Wie die Forscherinnen und Forscher zeigen konnten führen Mutationen im X-chromosomalen Gen C1GALT1C1 bei männlichen Betroffenen zu einer Wachstumsverzögerung, geistigen Entwicklungsstörung, Blutungsneigung, Immunschwäche und einem erhöhten Risiko für plötzliche schwere Episoden von Nierenversagen. Diese akute Nierenschwäche lässt sich aber mit einem speziellen Medikament behandeln und in der Regel rasch wieder vollständig normalisieren. Den Patienten bleibt eine Dialyse oder Nierentransplantation erspart.
C1GALT1C1 ist in der Zelle unverzichtbarer Bestandteil eines Enzymapparats, der den Anbau von Zuckerketten zahlreicher Proteine in Gang setzt. Mittels funktioneller Analysen an Zellen der betroffenen Patienten konnte nun der Zuckerkettendefekt genau beschrieben werden. Dies ermöglichte auch, den Entstehungsprozess der akuten Nierenfunktionsstörungen besser zu verstehen und weitere Experimente zu planen.
Die Aufklärung der Erkrankung und ihrer genetischen Hintergründe hat bereits jetzt zur besseren Behandlung der Nierenschwäche der betroffenen Patienten beigetragen. Diese Erfahrungswerte lassen sich in Zukunft aber möglicherweise auch auf andere, häufigere Formen des Nierenversagens übertragen und können so einer deutlich größeren Gruppe an Patienten zugutekommen.
Die Forschungsarbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der an der Uniklinik Köln angesiedelten Klinischen Forschungsgruppe „KFO 329: Molekulare Mechanismen von Podozyten-Erkrankungen“ unterstützt.
Originalarbeit:
Germline C1GALT1C1 mutation causes a multisystem chaperonopathy.
Erger F, Aryal RP, Reusch B, Matsumoto Y, Meyer R, Zeng J, Knopp C, Noel M, Muerner L, Wenzel A, Kohl S, Tschernoster N, Rappl G, Rouvet I, Schröder-Braunstein J, Seibert FS, Thiele H, Häusler MG, Weber LT, Büttner-Herold M, Elbracht M, Cummings SF, Altmüller J, Habbig S, Cummings RD, Beck BB. Proc Natl Acad Sci U S A. 2023 May 30;120(22):e2211087120.
doi: 10.1073/pnas.2211087120.
PMID: 37216524.
Dr. Florian Erger und Priv.-Doz. Dr. Bodo Beck
doi: 10.1073/pnas.2211087120
PMID: 37216524
Dr. Florian Erger und Priv.-Doz. Dr. Bodo Beck
Michael Wodak
Uniklinik Köln
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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