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06.06.2023 14:28

„Der Glaube an ein säkulares Leben ist zu einer Art Religion geworden“

Trixi Steil Zentrum für Wissenschaftskommunikation
Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

    New Yorker Rechtswissenschaftler Joseph H.H. Weiler zum christlichen Erbe in Europa – „Das Verständnis für jüdisches, christliches oder islamisches Leben ist weithin verloren“

    Der Glaube an ein säkulares Leben ist in Europa nach Einschätzung des amerikanischen Rechtswissenschaftlers Joseph H.H. Weiler selbst zu einer Art Religion geworden. „Das Verständnis für das Spezifische religiösen Lebens, ob jüdisch, christlich oder islamisch, ist in der säkularen Gesellschaft weithin verloren“, sagte der an der New York University lehrende Wissenschaftler am Montagabend an der Uni Münster in einem Vortrag über das christliche Erbe in Europa. „Was religiöse Menschen bewegt und was ihre religiöse Erfahrung bedeutet, wird kaum noch verstanden“, so der in Südafrika geborene Professor für Europarecht. Die Besonderheit des Religiösen liege nicht nur im Bekenntnis, sondern beziehe sich auch auf „das Heilige“, das Sakrale, und schließe die im Alltag gelebte religiöse Praxis ein.

    Der Rechtswissenschaftler jüdischen Glaubens verwies darauf, dass das Christentum in Europa als tatsächlich gelebte Religion heute bereits in der Minderheit sei. Auf diesen gesellschaftlichen Umstand habe es selbst noch keine angemessene Antwort gefunden. Zu beobachten sei ein zunehmendes gesellschaftliches Unverständnis für religiöses Leben, das sich teilweise als Intoleranz auch gegenüber dem Christentum zeige. Das habe Folgen: „Viele gläubige Menschen verheimlichen ihre Religiosität im öffentlichen Diskurs, statt sich zu bekennen.“ Das sei Ergebnis eines verinnerlichten sozialen Drucks und verbinde sich oft mit der Überzeugung, Religion sei Privatsache, „ein Erbe der Französischen Revolution“.

    Auch werde Religion zunehmend als Sache von Ethik und Moral verstanden, so Weiler, die sich aber auch ohne Religion begründen ließen. „In dieser Sichtweise geht das spezifisch Religiöse verloren. Es verbindet sich nicht mit Zwang, sondern mit Freiheit. Wer religiös ist, wird Intoleranz gegenüber anderen gerade aus religiösen Gründen ablehnen.“ Den politischen Diskurs könnten Religionen nach Einschätzung des Forschers bereichern, weil sie Menschen Pflichten und Verantwortung zuschrieben. „Das kann den auf individuelle Rechte fixierten Blick des säkularen Liberalismus korrigieren. Der religiöse Diskurs befasst sich weniger mit Rechten als mit Pflichten und Verantwortlichkeiten.“

    Der Vortrag über das christliche Erbe in Europa in den „Münsterischen Gesprächen zum Öffentlichen Recht“ trug den Titel „Christian Heritage in Europe Today – Religion, Politics, Law“. Eingeladen hatten die Juristische Fakultät, das Centrum für Religion und Moderne (CRM) und der Exzellencluster „Religion und Politik“ der Universität Münster. Joseph Weiler kam auf Einladung von Politikwissenschaftler Prof. Dr. Mariano Barbato im Rahmen des Forschungsprojektes „Die Legionen des Papstes. Eine Fallstudie sozialer und politischer Transformation“, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert und am CRM angesiedelt ist. (tec/vvm)


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Politik, Recht, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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