Forschende werteten Befragungen zu den Einstellungen der Bevölkerung in sechs sehr unterschiedlichen Ländern aus.
Gestiegene Preise und damit zusammenhängende staatliche Maßnahmen wie beispielsweise der Energiepreisdeckel haben in Deutschland eine Diskussion über Gerechtigkeit und Fairness ausgelöst. In einer ländervergleichenden Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Trier und der WHU – Otto Beisheim School of Management untersucht, wie die jeweilige Bevölkerung zu sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit steht, wie sie die Fairness von nachfrageorientierter Preisgestaltung einstuft und welche Haltung sie zur Politik der Regierung im Hinblick auf diese Aspekte einnimmt.
„Unsere Studie hat ergeben, dass wir in Deutschland recht spezielle Ansichten zu diesen Themen haben: Wenn Preise aufgrund höherer Nachfrage steigen, oder Einkommen steigen, aber nicht für alle gleich, dann finden wir das schlecht. Wenn der Staat da aber eingreift, und die Preise reguliert, dann finden wir das ebenso schlecht“, erläutert Marc Oliver Rieger, Professor für Bank- und Finanzwirtschaft an der Universität Trier, die Ergebnisse für Deutschland.
Ein Vergleich zwischen verschiedenen Ländern zeigt: Die Beurteilung von Preiserhöhungen, die eine erhöhte Nachfrage für Profite nutzen, wird dabei durch die jeweilige Kultur geprägt. Die Wahrnehmung von Fairness und die Akzeptanz von Ungleichheit wirken sich wiederum darauf aus, wie die Bevölkerung die staatliche Politik beurteilt.
Für die Studie wurden Daten aus Umfragen in Deutschland, Estland, China, Taiwan, Vietnam und Japan analysiert. Diese Länder wurden ausgewählt, weil sie sich in Bezug auf ihre kulturellen Wurzeln und ihr politisches und wirtschaftliches System wesentlich unterscheiden. Wie aufgrund dieser Konstellation zu erwarten war, bestätigten die Studienergebnisse erhebliche Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern – aber nicht immer so wie sie vermutet wurden.
Eigentlich gelten ostasiatische Länder als weniger „individualistisch“. Die Gemeinschaft spielt eine größere Rolle als zum Beispiel in Deutschland. Man könnte also vermuten, dass Ungleichheiten in Ostasien weniger gern gesehen werden als hierzulande. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: In Deutschland ist die Zustimmung zum „wirtschaftlichen Individualismus“ geringer als zum Beispiel in Taiwan, China oder Vietnam: Hierzulande werden wirtschaftliche Unterschiede kritischer gesehen.
Ein ähnlich unerwartetes Bild ergibt sich bei der Frage, ob eine nachfrageorientierte Preisgestaltung als fair empfunden wird. Auch hier ist in Deutschland die Ablehnung deutlicher ausgeprägt als in den Vergleichsländern.
Nur weil wir in Deutschland etwas als unfair betrachten, bedeutet das aber noch lange nicht, dass wir staatliche Regulierung wünschen. Im internationalen Vergleich ist der Wunsch danach in Deutschland eher gering ausgeprägt. Deutlich positiver werden staatliche Eingriffe in Ländern mit kommunistischer Geschichte wie China und Vietnam, aber auch in Taiwan, gesehen.
Die Studie
Mei Wang, Marc Oliver Rieger, Sebastian Reitz und Yanping He-Ulbricht.
Economic Individualism, Perceived Fairness, and Policy Preference: A Cross-Cultural Comparison.
Review of Behavioral Economics, 2023, 10
Prof. Dr. Marc Oliver Rieger
Bank- und Finanzwirtschaft
Tel. +49 651-201 2721
Mail: mrieger@uni-trier.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter
Gesellschaft, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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