Schwitzend greift Silke Schlirf zur Spitzhacke. Das Loch im Boden muß noch tiefer werden, denn sie braucht den Mergel frisch und unverwittert. Eine Probe dieses Ton-Kalk-Gesteins füllt die Diplom-Geologin dann in einen Plastikbeutel - erneut hat sie der Erde Tausende von Fossilien entrissen.
Diese Fossilien sind so winzig, daß selbst Spezialisten sie erst nach einer langwierigen Präparation als solche erkennen können. Silke Schlirf von der Universität Würzburg gehört zu diesen Spezialisten: Sie arbeitet im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes über Mikrofossilien aus der Jurazeit im westlichen Indien.
Mikrofossilien sind Organismenreste, die so klein sind, daß sie mit dem Mikroskop untersucht werden müssen. Die oft nur wenige Zehntel Millimeter großen Schalen stammen von Foraminiferen - diese Einzeller mit meist kalkigem Gehäuse heißen auch Kammerlinge - sowie von Muschelkrebsen und finden sich in den meisten Meeresablagerungen.
Die winzigen Fossilien lassen sich am besten aus feinkörnigen Lockersedimenten wie Ton oder Mergel gewinnen, die zunächst mit Wasserstoffsuperoxid in feinste Partikel zerlegt werden. Anschließend schlämmt die Würzburger Wissenschaftlerin ihre Proben - ähnlich wie beim Goldwaschen - mit Hilfe eines dosierten Wasserstrahls durch mehrere Siebe unterschiedlicher Maschenweite. Damit entfernt sie den Großteil des feinkörnigen Sediments, während die Mikrofossilien im Sieb hängenbleiben und zusammen mit anderen größeren Partikeln getrocknet und verpackt werden. Im Labor schließlich liest Silke Schlirf die einzelnen Mikrofossilien aus der angereicherten Restprobe aus. Erst dann kann sie mit der wissenschaftlichen Bearbeitung anfangen.
"Mikrofossilien haben gegenüber vielen anderen Fossilgruppen den entscheidenden Vorteil, daß sie sich gewöhnlich in hoher Anzahl gewinnen lassen und sich deshalb sehr gut für quantitative Analyseverfahren eignen", sagt der Paläontologe Prof. Dr. Franz Theodor Fürsich von der Universität Würzburg. Wie bei vielen anderen Organismen ist auch die Verbreitung der Kammerlinge und Muschelkrebse von Licht, Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt, Salzgehalt oder Wasserenergie bestimmt. Sind die bevorzugten Umweltbedingungen der einzelnen Formen bekannt, läßt sich die Umwelt eines Ablagerungsraumes und ihre zeitliche Veränderung in der Erdgeschichte rekonstruieren.
Solche Veränderungen aufzuspüren ist das Ziel der Forschungen über den Jura von Indien unter Leitung von Prof. Fürsich. Mitglieder des Instituts für Paläontologie der Universität Würzburg wie auch mehrerer indischer Hochschulen sind seit mehr als zehn Jahren dabei, die Ablagerungsgeschichte und Lebewelt eines kleinen Meeresbeckens für den Zeitraum von 155 bis 140 Millionen Jahren vor heute zu rekonstruieren. Dieses sogenannte Becken von Kachchh im Bundesstaat Gujarat lag damals am Südrand eines breiten, äquatornahen, in Ost-West-Richtung verlaufenden Ozeans, dessen Überreste heute zum Beispiel in Hochgebirgen wie den Alpen oder dem Himalaya zu finden sind.
Der Fossilreichtum des Beckens lockte schon Mitte des 19. Jahrhunderts Geologen an. Silke Schlirf soll bereits vorliegende Ergebnisse, die mit Muscheln, Schnecken oder Armfüßlern gewonnen wurden, nun mit Hilfe der Mikrofauna überprüfen und erweitern. Dies sei sinnvoll, so Prof. Fürsich, weil geologisches und paläontologisches Arbeiten zum großen Teil auf detektivischem Spürsinn beruhe, mit dessen Hilfe ein Datensatz, der durch die verschiedenen geologischen Prozesse in Jahrmillionen oft bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurde, wie ein Puzzle neu zusammengesetzt werde. Und mit jedem neu gefundenen Teil des Puzzles steige die Wahrscheinlichkeit einer Rekonstruktion.
Weitere Informationen: Prof. Dr. Franz Theodor Fürsich, T (0931) 31-2596, Fax (0931) 31-2504, E-Mail:
franz.fuersich@mail.uni-wuerzburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geowissenschaften
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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