idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
20.06.2023 09:37

Verfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist wesentlicher Faktor für den Zusammenbruch vergangener Gesellschaften

Ebru Esmen Arbeitsbereich Kommunikation
Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)

    Eine neue Studie gibt Aufschluss über die Gründe für regelmäßige gesellschaftliche Zusammenbrüche vergangener Gesellschaften. Bisher wurden entweder klimabedingte Umweltveränderungen oder sozialer Wandel als ausschlaggebend angenommen. Eine aktuelle Metastudie zeigt aber, dass der Zusammenbruch vergangener Bevölkerungsgruppen hauptsächlich mit dem Verfall von gesellschaftlichem Zusammenhalt einhergeht.

    Die open access publizierte Untersuchung beruht auf der Analyse großer Datenmengen zu Populationsdynamiken aus Europa zwischen 7000 und 3000 v. Chr. (mittleres Holozän) und wurde vom Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) gemeinsam mit dem Complexity Science Hub (CSH) Vienna, der University of Washington und dem Evolution Institute Tampa durchgeführt.

    „Wir haben die zwei Hypothesen, nämlich klimabedingte oder gesellschaftliche Faktoren, mithilfe von Simulationen in ihren Auswirkungen auf Populationsdynamiken überprüft. Im Nachgang konnten wir diese Simulationen mit archäologischen Daten zu Populationsdynamiken im mittleren Holozän in Europa vergleichen“, erläutert Mitautor Prof. Dr. Detlef Gronenborn (LEIZA) die Methode. Peter Turchin, Projektleiter am Complexity Science Hub (CSH) in Wien ergänzt: „Unsere Studie zeigt, dass periodischer gesellschaftlicher Verfall und die daraus folgende Zunahme von gewaltsamen Konflikten die beobachteten Zusammenbrüche vergangener europäischer Gesellschaften erklären – und eben keine Klimafluktuationen“.

    Vielmehr passen die simulierten Muster eindeutiger zu den beobachteten Bevölkerungsdynamiken: Auf einen beginnenden gesellschaftlichen Verfall folgt eine Zunahme von gewaltsamen Konflikten, beides hat unmittelbare Auswirkungen auf die Bevölkerungszahl.

    Verfall gesellschaftlichen Zusammenhalts als wiederkehrendes Muster

    „Die Metastudie Explaining population booms and busts in Mid-Holocene Europe bestätigt die Ergebnisse verschiedener Fallstudien, die wir am LEIZA seit langem durchführen. Langfristig betrachtet, können wir sagen, dass im Rückblick Entwicklungen durch bislang immer wiederkehrende gesellschaftliche Verfallsprozesse bestimmt werden. Auch wenn es sich in unseren Studien um nicht-staatliche, landwirtschaftsbasierte Gesellschaften handelt, so lassen sich diese Muster problemlos auf spätere Perioden, bis zur Gegenwart übertragen,“ stellt Gronenborn fest. Mitautor der Studie und Wissenschaftler am CSH Dániel Kondor bestätigt „Tatsächlich war diese Zeit sehr viel dynamischer, als bislang vielfach vermutet.“

    Für die Metastudie wurden Daten verwendet, die vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig, im Rahmen eines Kooperationsprojektes, ermittelt wurden. Als Einzelstudien wurden das Massengrab von Kilianstädten (5000 v. Chr.) und die laufenden Forschungen zur befestigten Höhensiedlung Kapellenberg (4000 v. Chr.) einbezogen.

    Publikation
    Kondor, D., Bennett, J.S., Gronenborn, D. et al. Explaining population booms and busts in Mid-Holocene Europe. Sci Rep 13, 9310 (2023).
    https://doi.org/10.1038/s41598-023-35920-z



    Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)

    Das LEIZA erforscht als Leibniz-Forschungsinstitut und -museum für Archäologie die materiellen Hinterlassenschaften aus 3 Mio. Jahren Menschheitsgeschichte. Ziel ist es, anhand archäologischer Funde und Befunde menschliches Verhalten und Handeln, menschliches Wirken und Denken sowie die Entwicklung und Veränderung von Gesellschaften aufzuzeigen und zu verstehen. Als eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft verbindet das LEIZA exzellente Wissenschaft mit Ausstellungen und ist mit seinem Bildungsauftrag gleichzeitig ein Ort des Dialoges mit der Öffentlichkeit. Das LEIZA ist weltweit tätig und betreibt bislang erfolgreich und umfassend Forschungen in verschiedenen Regionen Afrikas, Asiens und Europas. Die einzigartige Konzentration archäologischer, naturwissenschaftlicher, restauratorischer und informationstechnologischer Kompetenzen verbunden mit bedeutenden Werkstätten, Laboren und Archiven, erlaubt es dabei, objektorientierte Forschung zur Archäologie der Alten Welt (Asien, Afrika, Europa) von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit zu betreiben.

    Das LEIZA war bis zur Umbenennung zum 1. Januar 2023 international bekannt als Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) und wurde im Jahr 1852 auf Beschluss der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Mainz gegründet. www.leiza.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Detlef Gronenborn
    detlef.gronenborn@leiza.de


    Originalpublikation:

    Kondor, D., Bennett, J.S., Gronenborn, D. et al. Explaining population booms and busts in Mid-Holocene Europe. Sci Rep 13, 9310 (2023).
    https://doi.org/10.1038/s41598-023-35920-z


    Weitere Informationen:

    https://www.leiza.de/presse/details-pressmeldungen/verfall-des-gesellschaftliche... Pressemitteilung auf leiza.de


    Bilder

    Anhang
    attachment icon Pressemitteilung als PDF

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).