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20.06.2023 16:23

Augsburger Universitätsbibliothek öffnet vier Ausstellungen zu "Bücher. Namen. Orte. 1933"

Dr. Manuela Rutsatz Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Augsburg

    Im Mai 1933 brannten in ganz Deutschland Bücher, es waren Romane und Gedichte, Dramen und Essays - geschrieben von Autorinnen und Autoren, die die nationalsozialistische Ideologie zum Feind erklärt hatte. Eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek Augsburg rückt anlässlich des 90. Jahrestages die NS-Bücherverbrennungen und ihre Folgen ins Licht.

    Wie blicken wir heute, 90 Jahre nach den nationalsozialistischen Bücherverbrennungen auf die Ereignisse? Wie erinnern wir? Welche einst verfemten Werke werden heute in Schule und Studium gelesen – welche nicht? Diesen Fragen nähert sich die Ausstellung „Bücher. Namen. Orte. 1933“ in der Universitätsbibliothek Augsburg. Ein Kooperationsnetz von Hamburg bis Augsburg und Beiträge von zahlreichen Studierenden haben eine vierteilige Schau aus physischen und digitalen Präsentationen ermöglicht. Alle vier Teile unterstreichen mit ihren je eigenen Zugängen, wie wichtig das Fragenstellen und Erinnern, das Forschen, Spurensuchen und Sichtbarmachen auch Jahrzehnte nach der NS-Diktatur ist für eine Gesellschaft, die offen und demokratisch sein will, sich angesichts politischer Entwicklungen und globaler Krisen hierin fortwährend bewähren muss.

    Nur wenige Wochen nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten hetzten im Frühjahr 1933 deutsche Studenten gegen jüdische, linke und andersdenkende Autorinnen und Autoren. In ganz Deutschland sollten ,undeutsche‘ Schriften aus Buchhandlungen, Leihbüchereien und Bibliotheken entfernt und am 10. Mai 1933 öffentlich verbrannt werden. In 22 Universitätsstädten ist dies auch geschehen. Bis zum Jahresende 1933 fanden über 160 nationalsozialistisch begründete Bücherverbrennungen statt. Constance Dittrich, Leiterin der UB Augsburg, erklärt: „Obwohl die UB Augsburg zu dieser Zeit noch nicht existierte, beherbergt sie seit 2009 doch eine wichtige Sammlung zu diesen Gewaltakten gegen Schriften und Ideen: die Bibliothek der verbrannten Bücher von Georg Salzmann.“ Die Sammlung führt die Fülle verbrannter und verbannter Literatur in Originalausgaben an einem Ort zusammen. Auf dem Campus steht sie in einem eigenen Bibliotheksleseraum allen Interessierten offen – online kann sie zudem in einer Dauerausstellung jederzeit besichtigt werden. Ihren Kern bilden Werke jener Autorinnen und Autoren, die seit 1933 auf den Schwarzen Listen der Nationalsozialisten standen, darunter zum Beispiel Lion Feuchtwanger, Irmgard Keun, Hermann Kesten, Anna Seghers und Stefan Zweig. Ein kleiner Ausschnitt aus dieser vielfältigen, rund 9.700 Titel umfassenden Büchersammlung wird vor Ort in fünf Vitrinen ausgestellt: Exilliteratur und Antikriegsromane, bekannte Kinder- und Jugendlbücher sowie einzelne, besonders seltene Erstausgaben.

    Die große Kooperationsausstellung plant Fachreferentin Dr. Andrea Voß seit dem Frühjahr 2022: „Unsere virtuelle Dauerausstellung zur Salzmann-Sammlung hatte gerade eröffnet und binnen kurzer Zeit sehr hohe Besucherzahlen. Diese neue Sichtbarkeit im Netz spürten wir deutlich, viele neue Kontakte sind auf diesem Weg zustande gekommen“. Ein wichtiger Partner ist der Fotograf und Erlebnispädagoge Jan Schenck, der seit 2013 als Erinnerungsprojekt den Online-Atlas „Verbrannte Orte“ betreibt. Eine Seminarkooperation mit der Literaturwissenschaftlerin Dr. Annina Klappert (Universität Augsburg) legte den Fokus auf die Autorinnen in der Sammlung Salzmann. „Da schreibende Frauen in der Literaturgeschichte oftmals ausgeblendet werden, wollten wir mit Augsburger Studierenden bewusst die heute wenig bekannten verfemten Autorinnen behandeln und in einer eigenen Online-Ausstellung sichtbar machen“, so Voß. „Im Sommer kamen schließlich Hamburger Gestaltungsstudierende auf mich zu – auf der Suche nach Buchtiteln und Covergestaltungen einst verbrannter Bücher.“

    So öffnet die Universitätsbibliothek am 21. Juni 2023 ein mehrdimensionales Ausstellungsprogramm:

    1)
    Wanderausstellung „Verbrannte Orte“ von Verbrannte Orte e.V. unter der Leitung von Jan Schenck. Die Plakatausstellung zu den NS-Bücherverbrennungen 1933 ist 2023 in über 20 deutschen Städten zu sehen. Aus einer demokratisch-partizipativen Perspektive bietet sie nicht nur Hintergrundinformationen zu den Verbrennungsaktionen und ihren Folgen für die Betroffenen und die Gesellschaft. In großformatigen Fotografien wird auch gezeigt, wie die historischen Orte der Verbrennungen heute aussehen. Betrachten wir diese Orte anders, wenn wir wissen, was hier einst geschah?


    2)
    Illustrationen „feuerfest“ – Kunst zum Anfassen
    Ein besonderer Blickfang in der Ausstellungshalle sind die an Holzkuben in Szene gesetzten sogenannten Zines (Kurzform von „Magazine“). Illustrationsstudierende der HAW Hamburg haben sie für das Festival „Hamburg liest verbrannte Bücher“ nach eigenen Lektüren, Recherchen und Interviews erstellt. Die Kleinstmagazine entstehen durch eine bestimmte Falt- und Schneidetechnik von Papier. Wie Bücher können sie in die Hand genommen, durchblättert und gelesen werden. Visualisiert sind darin Lektüren der verbrannten Werke, Begegnungen mit (fast) vergessenen Autorinnen und Autoren, Erinnerungen an historische Ereignisse.

    3)
    "akuell, poetisch, selbstbestimmt“ – Autorinnen im Fokus
    Ein großformatiger Touchscreen lädt in die virtuelle Literaturausstellung „aktuell, poetisch, selbstbestimmt ein. Literaturstudierende der Universität Augsburg haben sie im Wintersemester 2022/23 in einem Projektseminar unter der Leitung von Dr. Annina Klappert und Dr. Andrea Voß erarbeitet. Karin Michaëlis, Gertrud Kolmar und Adrienne Thomas sind Autorinnen und drei Frauen von vielen, die ab 1933 um Leib und Leben, Arbeit und Heimat fürchten mussten. Diese Online-Ausstellung holt ihre Werke aus dem Regal.

    4)
    Re-Archivierung im Künstlerbuch: „What Was Left“
    Die Künstlerinnen Eda Aslan und Nurgül Dursun fragten 2022 in ihrem Kunstprojekt, welche Spuren frühere Leserinnen und Leser in den Büchern der Sammlung Georg Salzmann hinterlassen haben. Sie fanden unzählige Widmungen, Anstreichungen und Notizen, vielfältige Objekte und vergessene Lesezeichen – sammelten und digitalisierten diese. Ihr handgearbeitetes, vom Buchgestalter "Kiki" Park designtes Buch „What Was Left“ dokumentiert hunderte der materiellen Überreste und geht als Re-Archivierung selbst in die Sammlung ein. Drei Vitrinen präsentieren einen Ausschnitt der gefundenen Objekte, die den regen Umlauf der Bücher, das Gelesen- und Geliebtwerden der Geschichten, auf vielfältige Art bezeugen.

    Am 21. Juni findet um 16 Uhr die Vernissage mit Grußwort der Präsidentin Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel und Kurzvorträgen von Jan Schenck, Dr. Andrea Voß, PD Dr. Annina Klappert und den Literaturstudentinnen Lucia Matischok, Dorothea Kappel und Raphaela Deffner statt.

    Die Ausstellung kann vom 22. Juni bis 14. Juli in den gesamten Öffnungszeiten der Bibliothek besucht werden (Montag – Freitag: 8.30 – 24 Uhr, Samstag: 9.30 – 24 Uhr, Sonntag: 12 – 18 Uhr).

    Der Eintritt ist frei. Für Schulklassen bietet die Bibliothek auf Anfrage auch Führungen an.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Andrea Voß
    Fachreferat Germanistik; Öffentlichkeitsarbeit
    Universitätsbibliothek
    Telefon: +49 821 598 - 5432
    E-Mail: andrea.voss@bibliothek.uni-augsburg.de


    Weitere Informationen:

    https://www.uni-augsburg.de/bibliothek/buecher-namen-orte-1933/
    https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/vergessene-autorinnen/
    https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/verbrannte-buecher/


    Bilder

    Ausstellung in der Universitätsbibliothek Augsburg
    Ausstellung in der Universitätsbibliothek Augsburg

    Universität Augsburg


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

    Ausstellung in der Universitätsbibliothek Augsburg


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