Ein neuer El Niño hat offiziell begonnen und wird das Wetter auf dem gesamten Planeten für das nächste Jahr oder länger bestimmen – unter anderem mit Hitze und Trockenheit im westpazifischen Raum. Ein El-Niño-ähnliches Verhalten kann auch auf längeren Zeitskalen von Jahrzehnten oder Jahrhunderten auftreten. Das zeigt ein internationales Forschungsteam um Ana Prohaska von der Universität Kopenhagen und Dirk Sachse vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) anhand von Sedimentanalysen eines philippinischen Sees für die Zeit zwischen 1600 und 1900 n.Chr. Ihre Studie erschien heute in Communications Earth and Environment.
Ein neuer El Niño hat offiziell begonnen. Das im Abstand weniger Jahre zyklisch wiederkehrende Klimaphänomen hat seinen Ursprung im tropischen Pazifik und wird das Wetter auf dem gesamten Planeten für das nächste Jahr oder länger bestimmen – unter anderem mit Hitze und Trockenheit im westpazifischen Raum. Ein El-Niño-ähnliches Verhalten kann auch auf längeren Zeitskalen von Jahrzehnten oder Jahrhunderten auftreten. Das zeigt ein internationales Forschungsteam um Ana Prohaska von der Universität Kopenhagen und Dirk Sachse vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) für die jüngste Vergangenheit: das Ende der Kleinen Eiszeit zwischen 1600 und 1900 n.Chr. Ihre Analyse molekularer Pflanzenfossilien in den Sedimenten eines Sees auf den Philippinen deutet auf eine ungewöhnlich trockene Phase in der Region hin. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachmagazin Communications Earth and Environment erschienen. Sie zeigen, wie wichtig das Verständnis der komplexen Zusammenhänge von Ozean und Klima aus der Vergangenheit für die Verbesserung von Klimamodellen und die Vorhersage künftiger Klimaveränderungen ist.
Hintergrund: Das Phänomen El Niño
Ein auffälliges Merkmal des Klimas im äquatorialen Pazifik ist seine Ost-West-Asymmetrie, mit wärmerem Oberflächenwasser im Westen und kälterem im Osten. Die Ostwinde treiben das Oberflächenwasser nach Westen, dadurch kann der äquatoriale Auftrieb kühleres Wasser auf die Ostseite bringen. Diese Asymmetrie bricht im heutigen Klima regelmäßig zusammen und führt zu vorübergehenden El-Niño-Bedingungen, die zyklisch aber in unregelmäßigem Rhythmus von einigen Jahren auftreten:
Entlang des Äquators erhöhen sich die Meeresoberflächentemperaturen von der peruanischen Küste bis in den zentralen Pazifik. Der Südostpassat schwächt sich stark ab, es können sogar leichte Westwinde entstehen. Im westlichen äquatorialen Pazifik, der ansonsten durch reichhaltige Niederschläge charakterisiert ist, hält eine außergewöhnliche Trockenheit Einzug, wohingegen es an den sonst trockenen Ost-Rändern des Pazifiks zu heftigen Regenfällen kommen kann.
Vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung wird erwartet, dass El Niño zunehmend rekordverdächtig hohe Temperaturen und verschiedene extreme Klimaereignisse wie Dürren, Überflutungen und Waldbrände mit sich bringen wird, die das Leben und Wohlergehen von Millionen von Menschen erheblich beeinträchtigen werden.
El-Niño-ähnliche Phänomene auf längeren Zeitskalen
El Niño ist zwar ein jahreszeitlich bedingtes Klimaphänomen, aber das Klimasystem des tropischen Pazifiks zeigt auch auf längeren Zeitskalen von Jahrzehnten und Jahrhunderten ein El-Niño-ähnliches Verhalten, das mit dem Ost-West-Gefälle der Meeresoberflächentemperaturen im Pazifik zusammenhängt. Das zeigt jetzt ein Team um Ana Prohaska, Assistenzprofessorin an der Universität Kopenhagen und vormals Gastwissenschaftlerin am GFZ, und Dirk Sachse, Arbeitsgruppenleiter in der GFZ-Sektion 4.6 „Geomorphologie“ sowie Direktor von Topic 5 „Landschaften der Zukunft“ des Helmholtz-Forschungsprogramms „Changing Earth – Sustaining our Future“, in der Zeitschrift Communications Earth and Environment.
Sie beschreiben eine solch ausgeprägte Klimaverschiebung zum Ende der Kleinen Eiszeit von etwa 1630 bis 1900 n.Chr für die Philippinen. Besonders bemerkenswert ist demnach der kurze Zeitraum von nur einer Generation, innerhalb dessen sich die Bedingungen für die Dauer von mehr als 200 Jahren geändert haben.
Klima-Einblicke in die Vergangenheit durch Untersuchungen an Sedimentbohrkernen
Das Forschungsteam untersuchte dafür Sedimentbohrkerne aus dem Bulusan See im Norden der Philippinen, die im Jahr 2013 gewonnen wurden. Ihre Sedimentabfolge gibt Einblicke in die klimatischen Entwicklungen der vergangenen 1.400 Jahre in einer Region, die heute stark von El-Niño-Ereignissen betroffen ist. Insbesondere analysierten die Forschenden die Zusammensetzung von stabilen Wasserstoff-Isotopen in Blattwachs-Biomarkern (δDwax). Dabei handelt es sich um molekulare Fossilien, die von den Blattoberflächen höherer Pflanzen stammen und dort als Schutzschicht fungieren. Die Analysen ermöglichen Erkenntnisse darüber, wie und wie gut die Pflanzen zu ihren Lebzeiten mit Wasser versorgt waren.
Trockenere Bedingungen in der zweiten Hälfte der Kleinen Eiszeit
Die Studie zeigt einen plötzlichen und signifikanten Anstieg der δDwax-Werte zwischen 1600 und 1650, was auf eine Verschiebung hin zu trockeneren Bedingungen im westlichen tropischen Pazifik während der zweiten Hälfte der Kleinen Eiszeit hindeutet. Die Forschenden führen diese Veränderung auf Änderungen des mittleren Zustands des tropischen Pazifiks zurück, die insbesondere mit zonalen Gradienten, also den Ost-West-Veränderungen der Meeresoberflächentemperatur zusammenhängen.
Die Bedeutung der aktuellen Studie für Klimavorhersagen
Ana Prohaska, Hauptautorin der Studie, unterstreicht die Bedeutung dieser Untersuchung: „Unsere Studie liefert überzeugende Beweise für die komplizierte Beziehung zwischen zonalen Gradienten der Meeresoberflächentemperatur und der Niederschslagsverteilung im tropischen Pazifik. Das Verständnis der Art und des Tempos der Klimaveränderungen in der Vergangenheit ist entscheidend für die Vorhersage künftiger Klimaveränderungen und ihrer potenziellen Auswirkungen auf diese empfindliche Region.“
Dirk Sachse vom GFZ fügt hinzu: „Obwohl es immer mehr Belege für solche plötzlichen Veränderungen in der Vergangenheit gibt, die das regionale Klima auch über längere Zeiträume stark beeinflusst haben, können aktuelle Klimamodelle die zugrundeliegenden abrupten Verschiebungen des mittleren Zustands im tropischen Pazifik nicht reproduzieren. Dies unterstreicht, dass das Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen noch immer begrenzt ist. Vor dem Hintergrund des anthropogenen Klimawandels ist ein besseres Verständnis der Triebkräfte und Folgen, den die komplexe Dynamik des mittleren Zustands des tropischen Pazifiks hat, von großer Bedeutung. Hierfür spielt die Integration paläoklimatologischer Daten in moderne Klimamodelle eine entscheidende Rolle.“
Dr. Ana Prohaska
Globe Institute, University of Copenhagen
Øster Voldgade 7, 1350 København, Denmark
E-Mail: ana.prohaska@sund.ku.dk
Dr. Dirk Sachse
Arbeitsgruppenleiter in Sektion 4.6 Geomorphologie
Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
Telegrafenberg, 14473 Potsdam
Tel.: +49 331 6264-28823
E-Mail: dirk.sachse@gfz-potsdam.de
Ana Prohaska, Alistair W.R. Seddon, Bernd Meese, Katherine J. Willis, John C. H. Chiang, Dirk Sachse: Abrupt change in tropical Pacific climate mean state during the Little Ice Age. Commun Earth Environ 4, 227 (2023). DOI: 10.1038/s43247-023-00882-7
https://doi.org/10.1038/s43247-023-00882-7
Der Bulusan See im Norden der Philippinen
Jamesbourne1986
CC-BY-SA: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bulusan_Volcano_Natural_Park.jpg
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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