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13.07.2023 15:00

Die aktuelle Reform des WissZeitVG gefährdet die Zukunft der Osteuropaforschung. DGO fordert Nachbesserungen

Sebastian Lambertz Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e.V. (DGO)

    Auch wenn ihre Expertise aktuell mehr denn je gefragt ist, sind die Arbeits- und Ausbildungsbedin-gungen für Osteuropaexpert*innen weiterhin prekär. Zwar hat das BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) einen Reformvorschlag für das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (Wiss-ZeitVG) vorgelegt, dieser verschlechtert in seiner jetzigen Form die Bedingungen für Forschende in den Regionalwissenschaften (Area Studies) aber noch weiter.

    Die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO e.V.) fordert in einem Statement weitere Nach-besserungen an der Reform des WissZeitVG. Dieses regelt die Befristung von Arbeitsverträgen an staat-lichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Der Fachverband kritisiert, dass der aktuelle Entwurf die ohnehin schlechten Bedingungen für die Forschung zu einer spezifischen Region wie dem östlichen Europa weiter verschärft. Das Statement benennt dabei die folgenden Faktoren:

    - Forschungsdauer: Der Aufbau einer umfassenden Regionalexpertise erfordert intensive For-schungsaufenthalte und umfassende Reisetätigkeiten
    - Zugang zum Feld: Konflikte, Kriege und autoritäre Regime erschweren den Zugang zum Forschungsfeld
    - Spracherwerb: Um zum östlichen Europa forschen zu können, müssen Wissenschaftler*innen zumeist Fremdsprachen erlernen, die sich signifikant von den erlernten Schulsprachen unter-scheiden und über ein anderes Schriftsystem verfügen (z.B. Russisch, Ukrainisch, Georgisch)
    - Zweites Forschungsfeld: In den Regionalwissenschaften wird erwartet, dass sich Postdocs nach Abschluss der Promotion mit einem neuen Untersuchungsraum befassen. Das bedeutet, dass sie weitere landeskundliche Kenntnisse erwerben und Fremdsprachen erlernen müssen

    Befristungsregelungen als größtes Problem
    Forschungsvorhaben zum östlichen Europa verlängern sich unter diesen Bedingungen im Vergleich zu anderen Disziplinen signifikant. Die im aktuellen Referentenentwurf des WissZeitVG vorgesehene Höchstbefristungsdauer von vier Jahren für Post-Docs berücksichtigt dies nicht. Vielmehr erhöht sie den Druck auf junge Wissenschaftler*innen, von denen erwartet wird, in dieser Zeit nicht nur möglichst viel zu publizieren, sondern auch zu lehren, sich an der akademischen Selbstverwaltung zu beteiligen und Drittmittel einzuwerben. Die vorgesehene Anschlusszusage für eine unbefristete Stelle wer-den Universitäten und Hochschulen ohne tiefgreifende Veränderungen des Systems kaum aussprechen, was de facto dazu führt, dass junge Wissenschaftler*innen nach Abschluss der vier Jahre keine Perspektiven in der Wissenschaft mehr haben. Vorschläge für alternative Karrieremöglichkeiten abseits der Professur fehlen. Viele Post-Docs entscheiden sich daher bereits jetzt gegen einen regionalen Schwerpunkt und widmen sich Forschungsfeldern, die leichter zugänglich sind.

    Die Zukunft der Osteuropaforschung steht auf dem Spiel
    Diese Entwicklung ist für die Zukunft der Osteuropaforschung höchst problematisch. Die in den nächsten Jahren freiwerdenden Stellen können unter den aktuellen Umständen nicht mehr mit qualifizierten Bewerber*innen besetzt werden, was gravierende Auswirkungen auf den Wissenschaftsstandort Deutschland haben wird. In letzter Konsequenz fehlt regionale Expertise in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und damit die Fähigkeit, adäquat auf Entwicklungen im östlichen Europa reagieren zu können. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat deutlich gezeigt, welche Auswirkungen dies haben kann.

    Das WissZeitVG in Kürze:
    Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz regelt seit dem Jahr 2007, wie die Arbeitsverträge für das wis-senschaftliche und künstlerische Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen zeitlich befristet werden können, welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen und wo die Gren-zen der Befristung sind. Das WissZeitVG stellt dabei eine Ausnahmeregelung vom geltenden Arbeits-recht dar, da der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vorsieht, dass Arbeitsverhältnisse grundsätzlich unbefristet geschlossen werden. In der aktuell gültigen Version ist eine Höchstbefristungsdauer von sechs Jahren für Doktorand*innen und Post-Docs gleichermaßen vorgesehen. Da es neben der Professur nur wenige Karrierewege mit unbefristeten Stellen gibt, bedeutet dies für viele Betroffene das Ende ihrer wissenschaftlichen Karriere mit Ende 30 oder Anfang 40. Protest gegen das Gesetz hat sich unter anderem unter den Hashtaghs #IchBinHanna und #IchBinReyhan formiert. Auch die vom BMBF bisher vorgelegten Reformvorschläge stoßen auf breite Kritik.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Gabriele Freitag
    Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde
    Schaperstraße 30
    10719 Berlin
    Tel.: +49(0)30 214 784 12
    Fax: +49(0)30 214 784 14
    Mail: freitag@dgo-online.org


    Weitere Informationen:

    https://dgo-online.org/neuigkeiten/aktuelles/stellungnahme-der-dgo-zur-geplanten...


    Bilder

    Anhang
    attachment icon Stellungnahme der DGO WissZeitVG Juli 23

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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