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21.07.2023 12:41

NOSTER & Science Microbiome Prize für Sara Clasen

Sophia Jahns Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen

    Sara Clasen aus der Abteilung für Mikrobiomforschung am Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen wird mit dem NOSTER & Science Microbiome Prize geehrt. Prämiert wird ihre herausragende Arbeit zur Frage, wie das angeborene Immunsystem zwischen nützlichen und krankheitserregenden Darmbakterien unterscheiden kann. Clasens preisgekrönter Essay, nun in Science erschienen, beschreibt, wie sogenannte „stille Flagelline“ harmloser Mikroben vermeiden, eine proentzündliche Reaktion in ihrem Wirt auszulösen. Ein genaueres Verständnis dieser Flagelline könnte Fortschritte in der Entwicklung von Impfstoffen ermöglichen.

    Das angeborene Immunsystem ist die erste Verteidigungslinie im Kampf gegen Krankheitserreger: Es reagiert unverzüglich auf Antigene, die in den Körper eindringen. Das geschieht, indem Immunrezeptoren an sogenannte Liganden der Pathogene binden. Doch diese Bindungsproteine werden nicht nur von Krankheitserregern produziert, sondern gehören oft zu harmlosen oder sogar dem Menschen nützlichen Mikroben. Wie genau das menschliche Immunsystem die Liganden nicht-pathogener Bakterien dulden und gleichzeitig diejenigen von Pathogenen erkennen kann, ist bislang nicht vollumfänglich verstanden.
    Um dieses Rätsel dreht sich Clasens Essay “The sound of silence”, in dem sie ihre jüngste Forschung in der Abteilung für Mikrobiomforschung am Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen beleuchtet. Der Text gewann den NOSTER & Science Microbiome Prize, eine Auszeichnung für innovative Forschung über funktionale Merkmale von Mikrobiota, die zu unserem Verständnis von Gesundheit und Krankheit beitragen oder neue therapeutische Maßnahmen anregen könnten.

    Freund von Feind unterscheiden

    Obwohl ihr Beitrag sich an der Schnittstelle von Immunologie und Mikrobiologie bewegt, ist Clasen von Haus aus studierte Zellbiologin; ihre Liebe zur Mikrobiologie entdeckte sie eher zufällig während ihrer Zeit als Doktorandin an der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore. Dass sie sich daraufhin Ruth Leys Abteilung in Tübingen anschloss, war ein wahrer Glücksfall, denn hier trafen ergänzende Interessen aufeinander: „Damals fragte sich Ruth, die ja eine bekannte Koryphäe der Mikrobiom-Community ist, wie die Immunrezeptoren des Wirts nützliche Mikroben tolerieren und sich dennoch gegen Feinde verteidigen können“, erinnert sich Clasen. „Ich konnte mit Methoden aus der Zell- und Molekularbiologie zur Lösung beitragen.“
    Leys Arbeitsgruppe befasste sich insbesondere mit dem angeborenen Immunrezeptor TLR5, der an den Liganden Flagellin bindet. Viele Bakterien – pathogene ebenso wie nicht-pathogene – verwenden Flagellin zum Bau von haarartigen Strukturen, mit denen sie sich fortbewegen. Wenn TLR5 dieses Protein erkennt, kann es eine proentzündliche Reaktion einleiten, um den mutmaßlichen Eindringling in den Körper abzuwehren.
    Clasen und ihre Kollaborationspartner*innen konnten Interaktionen zwischen TLR5 und über 100 Flagellinen von harmlosen Darmbakterien charakterisieren. Das Team entdeckte sogenannte „stille Flagelline“, denen eine sekundäre Bindungsstelle für TRL5 fehlt. Dadurch können sie zwar an TLR5 binden, doch die resultierende proentzündliche Reaktion ist stark abgeschwächt.
    Weitere Analysen zeigten, dass stille Flagelline im menschlichen Darm allgegenwärtig sind, aber in der Bevölkerung von industrialisierten Regionen weniger reichlich vorkommen.

    Stille oder Flüstern?

    Während die Gründe für diesen Rückgang und seine Konsequenzen für die menschliche Gesundheit noch unklar sind, zeichnen sich bereits mögliche künftige medizinische Anwendungen der stillen Flagelline ab. „Wirklich faszinierend ist, dass das angeborene Immunsystem eine adaptive Immunantwort immer erst anschubsen muss“, hebt Clasen hervor. Flagelline werden oft als Hilfsstoffe in Impfungen verwendet, um die Reaktion des Körpers auf das verabreichte Antigen anzukurbeln. „Das Mikrobiom ist ein riesiger Fundus potentieller Hilfsstoffe. Stille Flagelline zu identifizieren, die eine adaptive Immunreaktion unterstützen, ohne zu Entzündungen zu führen, könnte die unerwünschten Nebenwirkungen von Impfungen verringern.“
    Für ihren nächsten Karriereschritt wird Clasen an die Georgia State University (Atlanta) wechseln, um dort die Signalantwort zu untersuchen, die stille Flagelline im Wirt auslösen könnten. “Vielleicht sind sie gar nicht still”, sinniert Clasen. “Sie flüstern uns womöglich zu.”


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Sara Clasen, Ph.D.
    Max-Planck-Institute für Biologie Tübingen
    Abteilung für Mikrobiomforschung
    Max-Planck-Ring 5
    72076 Tübingen
    sara.clasen@tuebingen.mpg.de


    Originalpublikation:

    [1] Clasen SJ: The sound of silence. Science 381,37-38 (2023). DOI: 10.1126/science.adi6265
    [2] Clasen SJ, Bell MEW, Borbón A, Lee D, Henseler ZM, De La Cuesta-Zuluaga J, Parys K, Zou J, Wang Y, Altmannova V, Youngblut ND, Weir JR, Gewirtz AT, Belkhadir Y, Ley RE: Silent recognition of flagellins from human gut commensal bacteria by Toll-like receptor 5. Sci. Immunol. 8 (79), 2023. DOI: 10.1126/sciimmunol.abq7001.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Medizin
    überregional
    Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

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