idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
27.07.2023 15:21

Empfehlungen für wissenschaftliche Kooperationen mit China

Prof. Dr. Ralf Meyer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Allgemeiner Fakultätentag

    Die Forschungskooperation mit China kann in vielen Bereichen sehr
    fruchtbar sein. Es sind jedoch besondere Randbedingungen zu beachten,
    für die es nun eine Handreichung des AFTs gibt.

    Die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit China bietet vielfältige Möglichkeiten für den Austausch von Wissen, Förderung von Forschung und die Stärkung internationaler Kooperationen. Gleichzeitig gibt es jedoch spezifische Aspekte, die Forscher*innen und Institutionen bei der Zusammenarbeit mit chinesischen Partner*innen berücksichtigen sollten. Die folgenden Empfehlungen des Allgemeinen Fakultätentags sollen helfen, die Chancen und Herausforderungen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit China sichtbar zu machen und damit einen Beitrag für eine gewinnbringende und nachhaltige Zusammenarbeit zu leisten. Durch die Zusammenarbeit können globale Probleme wie der Klimawandel, neue Energiekonzepte und Friedensforschung angegangen werden.

    Analyse und Auswahl der Partner*innen

    Aufgrund der starken Differenzierung des chinesischen Forschungssystems, z.B. hinsichtlich Forschungsqualität und Finanzierungsmöglichkeiten, empfiehlt der AFT, potenzielle Partner*innen sorgfältig zu analysieren. Er empfiehlt, Hochschulen und Forschungsgruppen zu identifizieren, die auf ihrem Fachgebiet stark und qualitativ hochwertig sind. Dabei sollte auch das Potenzial für Synergien und Zusammenarbeit berücksichtigt werden, beispielsweise in den Bereichen Informationstechnologie, Medizin, Energiegewinnung und -konversion. Es ist wichtig, bei wissenschaftlichen Kooperationen mit China stets die rechtlichen, ethischen und politischen Aspekte im Auge zu behalten. Eine transparente und verantwortungsbewusste Zusammenarbeit wird dazu beitragen, die Vorteile der Kooperation zu maximieren und mögliche Herausforderungen zu bewältigen.

    1. Netzwerkaufbau: Der AFT empfiehlt, Zeit und Ressourcen in den Aufbau eines starken Netzwerks mit chinesischen Forscher*innen und Institutionen zu investieren und an wissenschaftlichen Konferenzen, Workshops und Seminaren teilzunehmen, um Kontakte zu knüpfen und potenzielle Kooperationspartner*innen kennenzulernen.

    2. Fördermittel und Ressourcen: Es sollte beachtet werden, dass China in bestimmten Bereichen, wie der Informationstechnologie, Medizin, Militärtechnik, Energiegewinnung und -konversion, großzügige Fördermittel bereitstellt. Gemäß dem AFT ist es ratsam, sich über die verschiedenen Förderprogramme und Stipendien zu informieren, die für internationale Kooperationen angeboten werden. Diese finanziellen Ressourcen können genutzt werden, um Forschungsprojekte voranzutreiben und den Austausch von Wissen und Fachkenntnissen zu fördern.

    3. Kulturelles Verständnis und Kommunikation: Es ist zu beachten, dass kulturelle Unterschiede eine Rolle spielen können, wenn es um die Zusammenarbeit mit chinesischen Partner*innen geht. Der AFT empfiehlt, auf eine respektvolle und offene Kommunikation zu achten und Zeit in den Aufbau eines gegenseitigen Verständnisses für kulturelle Unterschiede und Arbeitsweisen zu investieren. Dies wird dazu beitragen, effektive Kooperationen aufzubauen und Missverständnisse zu vermeiden.

    4. Internationale Zusammenarbeit: Es ist sinnvoll, die Möglichkeit einer breiteren internationalen Zusammenarbeit zu erwägen, indem Sie chinesische Partner*innen in bestehende internationale Projekte einbeziehen. Dies kann den Austausch von Know-how, Ressourcen und Fachkenntnissen fördern und zu einer umfassenderen Zusammenarbeit beitragen.

    Herausforderungen bei der Zusammenarbeit mit China

    Bei der Zusammenarbeit mit chinesischen Partner*innen ist es wichtig, sich folgender Probleme bewusst zu sein und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die Qualität, Integrität und Sicherheit der gemeinsamen Forschung zu gewährleisten. Offene Kommunikation, klare Vereinbarungen und eine verantwortungsvolle Zusammenarbeit sind entscheidend, um diese Herausforderungen zu bewältigen.

    1. Unethisches Verhalten: Das Belohnungssystem im chinesischen Forschungssystem, insbesondere die finanzielle Belohnung für Publikationen, hat zu einer erhöhten Tendenz zu unethischem Verhalten geführt. Dies umfasst Plagiate, Fälschungen und sogar den Versuch, sich bei Publikationen anderer Arbeitsgruppen einzukaufen. Das Problem unethischen Verhaltens wird in China tendenziell eher hingenommen als in westlichen Ländern.

    2. Dual-Use-Forschung: Forschungen mit möglichem dualen Verwendungszweck, insbesondere im Bereich der Militärtechnik, werden in China nicht als problematisch angesehen, solange es gute Fördermöglichkeiten gibt. Dies kann zu Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und des potenziellen Missbrauchs von Forschungsergebnissen führen. Hierzu verweisen wir auf die Empfehlungen der DFG und der Akademie Leopoldina: https://www.leopoldina.org/presse-1/nachrichten/sicherheitsrelevante-forschung-d....

    3. Mangelndes Verständnis für internationale Konflikte und Kontroversen: Es besteht wenig Verständnis für die Problematik im Zusammenhang mit dem Russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der Taiwan-Frage. Dies kann zu Herausforderungen bei der Zusammenarbeit führen, insbesondere wenn politische oder geopolitische Faktoren involviert sind.

    4. Schutz des geistigen Eigentums: Bei Kooperationen mit China ist es wichtig, den Schutz des geistigen Eigentums ernst zu nehmen. Der AFT empfiehlt, vorab rechtliche Fragen zu klären und sicher zu stellen, dass angemessene Vereinbarungen und Vertraulichkeitsvereinbarungen getroffen werden, um das geistige Eigentum aller beteiligten Parteien zu schützen.

    5. Mangelnde Offenheit für Open Access und Datenrepositorien: Es gibt wenig Neigung, Open-Access-Journale als gleichwertig anzusehen, und es gibt derzeit wenig Interesse daran, wissenschaftliche (Roh-)Daten in offenen Repositorien zu veröffentlichen. Dies steht im Gegensatz zu den Bestrebungen in der westlichen Welt, den freien Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen und Daten zu fördern.

    6. Hybridisierung der Forschungskulturen: Während viele chinesische Wissenschaftler in der westlichen Welt ausgebildet wurden und westliche Praktiken und Standards in die chinesische Forschung integrieren, gibt es keine vollständige Übernahme des westlichen Modells. Stattdessen entsteht eine Hybridisierung der Forschungskulturen, die zu unterschiedlichen Erwartungen und Arbeitsweisen führen kann. In China ist es abhängig von der Hochschule möglich, dass sich die Forschung auf inkrementelle Variationen bereits existierender, publizierter Systeme konzentriert, anstatt große Innovationsschritte zu unternehmen. Die finanzielle Förderung erfolgt weniger aufgrund von Exzellenz, sondern basiert häufig auf persönlichen Netzwerken, was zu einer starken Ungerechtigkeit führt. Staatliche Institutionen kontrollieren zudem die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen zu heiklen Themen wie COVID-19, künstliche Intelligenz und militärischer Forschung. Außerdem gibt es Berichte über Repressionen und Sanktionen gegen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich nicht konform verhalten.

    7. Rückgang der internationalen Förderprogramme: Die chinesische Regierung hat nach der Pandemie weniger Anreize, Wissenschaftler*innen in westliche Länder zu senden, da in China mittlerweile Exzellenz im eigenen Land erzeugt werden kann. Als Ergebnis werden typische internationale Förderprogramme, wie zum Beispiel das China Scholarship Council (CSC), deutlich gekürzt, was die Möglichkeiten für internationale Kooperationen einschränken kann.

    Empfehlungen für die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit China

    1. Gemeinsame Herausforderungen angehen: Die Zusammenarbeit mit chinesischen Partner*innen kann dabei helfen, große globale Probleme wie den Klimawandel, neue Energiekonzepte, Gesundheitsfragen, Biodiversität und Friedensforschung anzugehen. Eine gemeinsame Herangehensweise ermöglicht einen umfassenderen Blick auf diese Herausforderungen und eröffnet neue Lösungsansätze.

    2. Auswahl der Kooperationspartner*innen: Bei der Auswahl von Kooperationspartner*innen ist Sorgfalt geboten. Es ist wichtig, seriöse Partner*innen auszuwählen und potenzielle Risiken, insbesondere im Bereich des dualen Nutzens, zu berücksichtigen. Dies betrifft vor allem Bereiche wie Informationstechnologie, Ingenieurswissenschaften und Medizin. Die deutsche Seite sollte die Verantwortung für eine sorgfältige Bewertung übernehmen.

    3. Nutzung der ASPI-Datenbank: Die ASPI-Datenbank (https://unitracker.aspi.org.au/) kann genutzt werden, um mögliche Verbindungen zu Sicherheits- und Militärapparaten zu überprüfen. Dies hilft bei der Einschätzung potenzieller Risiken und der Sicherstellung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.

    4. Aufbau von langjährigen Beziehungen: Eine solide Basis für eine Zusammenarbeit ist eine langjährige Bekanntschaft und gegenseitiges Vertrauen. Es ist ratsam, Beziehungen über einen längeren Zeitraum aufzubauen, um ein besseres Verständnis der Arbeitsweisen und Erwartungen der Partner*innen zu entwickeln.

    5. Vereinbarung zur Offenlegung und Publikation von Forschungsdaten: Eine unverzichtbare Bedingung für die Zusammenarbeit sollte eine Vereinbarung zur Offenlegung und Publikation von Forschungsdaten sein. Dies fördert Transparenz, Reproduzierbarkeit und den Austausch von Wissen.

    6. Einhaltung guter wissenschaftlicher Praxis: In der Zusammenarbeit sollte die Einhaltung der Regeln zur guten wissenschaftlichen Praxis vereinbart werden. Dabei kann man sich an den Leitlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) orientieren, um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu gewährleisten.

    7. Individuelle Verantwortung:
    Jede/r Wissenschaftler*in sollte sich bewusst sein, dass er oder sie einen Beitrag zur Integrität und Qualität der Forschung leistet und daher auch die Verantwortung für die Umsetzung guter und ethischer wissenschaftlicher Praxis wahrnehmen.

    8. Verantwortung der Universitäten: Es ist wichtig, dass die Universitäten, aufbauend auf den vielfältigen institutionellen, fachlichen und persönlichen Kenntnissen und Erfahrungen ihrer Einrichtungen, ein Informations- und Beratungsangebot für Wissenschaftler*innen bereitstellen. Dies trägt dazu bei, ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen und die Forschenden bei der Einhaltung ethischer Standards zu unterstützen. Zudem sollten auch Vorgesetzte ihre Verantwortung erkennen und ihre Mitarbeiter*innen auf die Bedeutung der Thematik hinweisen.

    Fazit

    Die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit China bringt sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich. Es ist wichtig, die Potenziale für Kooperationen in verschiedenen Fachbereichen zu erkennen, jedoch auch die damit verbundenen Risiken, insbesondere im Hinblick auf ethisches Verhalten, dualen Nutzen und politische Kontroversen, zu beachten. Eine verantwortungsvolle und transparente Zusammenarbeit, basierend auf gegenseitigem Verständnis und klaren Vereinbarungen, ist entscheidend, um die Qualität und Sicherheit der Forschung zu gewährleisten. Durch die sorgfältige Auswahl von Partner*innen, den Aufbau von langfristigen Beziehungen und die Einhaltung guter wissenschaftlicher Praxis können Kooperationen mit China zu einer erfolgreichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit führen, die sowohl zur wissenschaftlichen Entwicklung als auch zu globalen Lösungen beiträgt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Ralf Meyer


    Originalpublikation:

    https://allgemeiner-fakultaetentag.de/2023/07/25/empfehlungen-fuer-wissenschaftl...


    Bilder

    Anhang
    attachment icon Empfehlungen für wissenschaftliche Kooperationen mit China

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).