Provenienzforschung an menschlichen Gebeinen führt erstmals zu heutigen Nachkommen – DNA-Analyse beweist klare Verwandtschaftsverhältnisse.
Das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin hatte in einem 2017 gestarteten Projekt gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Ruanda die Provenienz von rund 1100 Schädeln aus der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika untersucht. Jetzt gelang es durch DNA-Analysen erstmals, klare Verwandtschaftsverhältnisse zu belegen. So zeitnah wie möglich werden nun die Angehörigen und die Regierung von Tansania informiert.
Hermann Parzinger, Präsident der SPK, erklärte: „So eine Übereinstimmung zu finden ist ein kleines Wunder und wird auch trotz sorgfältigster Provenienzforschung wahrscheinlich eher ein seltener Fall bleiben. Umso mehr freuen wir uns und danken auch Konradin Kunze und Berlin Postkolonial für die Unterstützung.“
Im Rahmen der Provenienzforschung am Museum konnten zu acht Schädeln ausreichend Informationen zusammengetragen werden, dass eine Suche nach konkreten Nachfahren aussichtsreich erschien. Die SPK entschied sich daher, eine molekulargenetische Untersuchung an der Universität Göttingen durchführen zu lassen. Sie konnte in Zusammenarbeit mit Konradin Kunze und Berlin Postkolonial realisiert werden, die Speichelproben von insgesamt zehn Vergleichspersonen aus Tansania beschafften.
Für einen Schädel ließ sich vollständige genetische Übereinstimmung mit einer heute noch lebenden männlichen Person feststellen. Der auf dem Schädel überlieferte Titel „Akida“ hatte bereits darauf hingedeutet, dass es sich bei dem verstorbenen Individuum um einen hochrangigen Berater Mangi Melis handeln könnte. Die Übereinstimmung mit der DNA-Probe eines direkten Nachkommen des Akida bestätigte diese Annahme. Für eine andere, ebenfalls aus dem Volk der Chagga stammenden Familie wurde bei zwei weiteren der insgesamt acht untersuchten Schädel eine fast vollständige Übereinstimmung der väterlichen Linien (Y-STRs) identifiziert. Eine direkte biologische Verwandtschaft in ununterbrochener väterlicher Linie ist in diesen Fällen zumindest wahrscheinlich.
Informationen zu menschlichen Überresten am Museum für Vor- und Frühgeschichte
Im Rahmen eines Pilotprojektes wurde am Museum für Vor- und Frühgeschichte die Provenienz von über 1000 Schädeln aus der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika untersucht. 904 Schädel konnten Gebieten im heutigen Ruanda, 197 Tansania und 27 Kenia zugeordnet werden. Bei sieben gelang keine Zuordnung. Die Ergebnisse dieses von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Pilotprojektes wurden in der von Bernhard Heeb und Charles Mulinda Kabwete herausgegeben Publikation „Human Remains from the Former German Colony of East Africa“ (ISBN 978-3-412-52344-2) veröffentlicht.
Die untersuchten menschlichen Überreste gehören zu der anthropologischen Sammlung von rund 7.700 Schädeln, die die SPK 2011 in äußerst schlechtem Zustand von der Charité übernommen hatte. Sie waren vom Museum für Vor- und Frühgeschichte vor Beginn der Provenienzforschung zunächst aufwändig gereinigt und konservatorisch gesichert worden. Viele von Ihnen stammt aus der so genannten "S-Sammlung", die Felix von Luschan um die Jahrhundertwende aus nahezu allen Teilen der Erde zusammengetragen hat. Andere Überreste stammen aus der Schädelsammlung des ehemaligen anatomischen Instituts der Charité, sowie aus weiteren kleineren Sammlungen. Nach dem Ersten Weltkrieg ließ das wissenschaftliche Interesse an den anthropologischen Sammlungen deutlich nach und sie gerieten allmählich in Vergessenheit. Momentan arbeitet das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Herkunftsländern und mit Unterstützung der BKM an der Reidentifizierung von ca. 500 Schädeln aus den ehemaligen deutschen Kolonien in Westafrika. Die Ergebnisse hierzu sollen gegen Ende 2024 in publizierter Form vorliegen.
Dr. Bernhard Heeb B.Heeb@smb.spk-berlin.de
https://www.preussischer-kulturbesitz.de/pressemitteilung/artikel/2023/01/18/erg... Ergebnisse der Provenienzforschung an Schädeln aus Deutsch-Ostafrika veröffentlicht
https://www.preussischer-kulturbesitz.de/news-detail/artikel/2019/09/20/schaedel... Schädel des Mangi Meli nicht in SPK-Sammlung
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft
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Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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