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06.09.2023 13:28

Fehler in der forensischen Praxis vermeiden: Rechtspsychologie setzt auf Forschung

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    20. Tagung der Fachgruppe Rechtspsychologie in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie vom 27. bis 29. September 2023 in Mainz

    Immer wieder werden Menschen aufgrund von Fehlgutachten verurteilt und verbringen unter Umständen Jahre hinter Gittern, bis sich herausstellt, dass sie zu Unrecht beschuldigt wurden. In welchem Ausmaß solche Fehlurteile ergehen, ist kaum zu erfassen, allerdings zeigen Studien, wie fehleranfällig manche als sicher eingeschätzte Verfahren sind. So sind etwa Expertengutachten zu auch vermeintlich objektiven Fingerabdruck- oder DNA-Analysen nicht frei von menschlichen Urteilsfehlern. „Während sich in den USA eine Non-Profit-Organisation darum bemüht, Justizirrtümer aufzudecken und damit auch zahlenmäßig zu erfassen, liegen uns hier im deutschsprachigen Raum keine verlässlichen Angaben über das Ausmaß von Fehlurteilen vor“, sagt Prof. Dr. Roland Imhoff vom Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Wie stabile wissenschaftliche Erkenntnisse zur forensischen Praxis beitragen können und die Qualitätssicherung gewährleisten, wird unter anderem ein Thema bei der 20. Tagung der Fachgruppe Rechtspsychologie in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) sein, die Ende September in Mainz stattfindet.

    Die Rechtspsychologie befasst sich mit der Anwendung von psychologischen Erkenntnissen und Methoden auf Probleme des Justizwesens, so etwa bei der psychologischen Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen im Rahmen von Gerichtsprozessen oder bei der Vorhersage und Prävention von Kriminalität. Zu der Tagung in Mainz erwarten die Organisatorinnen und Organisatoren um Roland Imhoff rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, darunter Vertreterinnen und Vertreter aus der Forschung und ebenso aus der Praxis.

    Hochkarätige Keynote-Vorträge zu aktuellen Themen

    Zu dem Tagungsthema „Towards solid science and evidence-based application“ stehen unter anderem drei Hauptvorträge und ein öffentlicher Abendvortrag von international renommierten Expertinnen und Experten auf dem Programm.

    Der Neurowissenschaftler Dr. Itiel Dror vom University College London erklärt, weshalb Sachverständige Fehler machen und wie diese Fehler zu minimieren sind. Anhand von realen Fällen zeigt er, dass es viele verschiedene Arten von Voreingenommenheit gibt, die ein Urteil beeinflussen können. Sogenannte Bestätigungsfehler entstehen etwa, wenn eine Übereinstimmung erwartet wird und Informationen entsprechend interpretiert werden. Itiel Dror wird in seinem Vortrag zeigen, wie die Forschung dazu beitragen kann, solche Schwächen zu erkennen und Möglichkeiten zur Verbesserung zu finden.

    Schlagzeilen machten in jüngerer Vergangenheit auch Berichte über rituellen sexuellen Kindesmissbrauch beziehungsweise die Möglichkeit, dass es sich hierbei, zumindest teilweise, um von Therapeuten induzierte Scheinerinnerungen handelt. Bei der Tagung wird dieses Thema von verschiedenen Referenten aufgegriffen. Unter anderem wird hierzu Prof. Dr. Henry Otgaar von der Universität Maastricht über die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinter dem Vergessen und dem Erinnern von psychischen Traumata sprechen. Es geht dabei um die Frage, ob ein psychisches Trauma zu einer vollständigen Verdrängung autobiografischer Erinnerungen führen kann. Das Thema wird in der Psychologie kontrovers diskutiert und ist nach wie vor hoch aktuell.

    Prof. Dr. Ethel Quayle von der University of Edinburgh wird sich als dritte Hauptrednerin mit Sexualstraftaten gegen Kinder im Internet befassen. In diesem Vortrag wird die Wechselwirkung zwischen der Motivation des Täters, der Verletzlichkeit des Opfers und den Möglichkeiten der Technologie untersucht.

    Öffentlicher Abendvortrag zur Lügendetektion

    Bei einem öffentlichen Abendvortrag stellt Prof. Dr. Kristina Suchotzki von der Universität Marburg unterschiedliche Methoden der Lügendetektion vor und geht auf ihre wissenschaftlich nachgewiesene Wirksamkeit ein. Die Referentin wird darlegen, was uns Studien und Forschungsergebnisse über die Effektivität der einzelnen Methoden sagen und auch, was sie uns nicht sagen. Der Termin ist am Mittwoch, 27. September 2023 um 18:00 Uhr im Philosophicum, Raum P1 auf dem Campusgelände der JGU.

    Die Fachgruppentagung der Rechtspsychologie findet alle zwei Jahre an unterschiedlichen Orten statt, zuletzt im September 2021 pandemiebedingt online und nun vom 27. bis 29. September 2023 im Philosophicum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Wir bewegen uns bei dieser Tagung im Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit der praktischen Anwendung in der forensischen Praxis einerseits und der Grundlagenforschung mit evidenzbasierten Erkenntnissen andererseits“, so Roland Imhoff, „und wir freuen uns auf spannende Vorträge und einen angeregten Austausch darüber.“

    Hinweis für die Redaktionen:
    Die Hauptredner Dr. Itiel Dror, Prof. Dr. Henry Otgaar und Prof. Dr. Ethel Quayle stehen im Rahmen der Tagung für Interviews in englischer Sprache zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich für Terminvereinbarungen an Prof. Dr. Roland Imhoff.

    Weitere Links:
    https://www.sozrepsy.uni-mainz.de/ - Abteilung für Sozial- und Rechtspsychologie der JGU
    https://fg-rp-2023.uni-mainz.de/ - 20. Tagung der Fachgruppe Rechtspsychologie in der DGPs
    Konferenzplan – 20. Tagung der Fachgruppe Rechtspsychologie in der DGPs (uni-mainz.de) – Detailliertes Programm der Tagung
    https://www.dgps.de/fachgruppen/rechtspsychologie - Fachgruppe Rechtspsychologie in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs)

    Lesen Sie mehr:
    https://presse.uni-mainz.de/verschwoerungsmentalitaet-laenderuebergreifend-beson... - Pressemitteilung „Verschwörungsmentalität länderübergreifend besonders ausgeprägt an den politischen Rändern“ (18.01.2022)
    https://presse.uni-mainz.de/politische-gewalt-erscheint-bei-ausgepraegtem-versch... - Pressemitteilung „Politische Gewalt erscheint bei ausgeprägtem Verschwörungsglauben als plausible Option“ (31.03.2020)
    https://presse.uni-mainz.de/misstrauen-gegen-machtstrukturen-beeinflusst-wahl-me... - Pressemitteilung „Misstrauen gegen Machtstrukturen beeinflusst Wahl medizinischer Verfahren“ (06.08.2018)
    https://presse.uni-mainz.de/meinungsbildung-bei-verschwoerungstheoretikern-von-e... - Pressemitteilung „Meinungsbildung bei Verschwörungstheoretikern von Experten und Laien unbeeinflusst“ (30.05.2018)


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Roland Imhoff
    Abteilung Sozial- und Rechtspsychologie
    Psychologisches Institut
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    55099 Mainz
    Tel. 06131 39-39291
    E-Mail: roland.imhoff@uni-mainz.de
    https://www.sozrepsy.uni-mainz.de/prof-dr-roland-imhoff/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft, Medizin, Politik, Psychologie, Recht
    überregional
    Pressetermine, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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