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12.09.2023 08:00

Halbzeitbilanz der Ampel-Regierung: Koalition setzt trotz Streits viele Versprechen um

Jochen Lange Pressestelle
Bertelsmann Stiftung

    Die Ampel hat zur Halbzeit der Legislaturperiode bereits fast zwei Drittel ihres
    ambitionierten Koalitionsvertrages entweder umgesetzt oder angepackt. Das zeigt eine
    aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit der Universität Trier und dem Progressiven Zentrum. Überlagert wird die vielversprechende Halbzeitbilanz allerdings durch den öffentlich inszenierten Koalitionsstreit. Entsprechend unzufrieden und enttäuscht zeigen sich die Wähler:innen in Deutschland.

    Gütersloh / Berlin, 12.09.2023. Zur Halbzeit der Legislaturperiode hat die Ampel bereits knapp zwei Drittel (64 Prozent) ihres ambitionierten Koalitionsvertrages entweder umgesetzt (38 Prozent) oder mit der Umsetzung ihres Vertrages begonnen (26 Prozent). Das ist das zentrale Ergebnis der Analyse "Mehr Koalition wagen - Halbzeitbilanz der Ampel-Koalition zur Umsetzung des Koalitionsvertrages 2021“ der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit der Universität Trier und dem Progressiven Zentrum.

    Im Einzelnen zeigt sich in der Analyse folgendes Bild: Von ihren insgesamt 453 Koalitionsversprechen sind 174 bereits voll oder teilweise erfüllt (38 Prozent). Darüber hinaus befinden sich weitere 55 Vorhaben (12 Prozent) im Prozess ihrer Erfüllung. Weitere 62 (14 Prozent) wurden substanziell angegangen, ihre Erfüllungsgrad ist aber noch nicht absehbar. Insgesamt 162 Versprechen (36 Prozent) wurden bislang weder erfüllt noch angegangen.

    Vielversprechende Halbzeitbilanz

    "Im Vergleich zur Halbzeitbilanz ihrer Vorgängerregierung hat die Ampel mit 38 statt 53 Prozent bereits erfüllter Versprechen damit anteilig zwar weniger, aber mit 174 statt 154 erfüllten Versprechen in absoluten Zahlen gerechnet, sogar etwas mehr geschafft. Das gilt für die großen Reformprojekte der Regierung ebenso wie für die eher kleineren Regierungsvorhaben“, sagt Robert Vehrkamp, Demokratie-Experte der Bertelsmann Stiftung. "Eine insgesamt sehr vielversprechende Halbzeitbilanz, die aber überschattet und geprägt ist von öffentlich inszeniertem Koalitionsstreit und vielen offenen Baustellen“, fasst Vehrkamp die Ergebnisse zusammen.

    Ambitionierter Koalitionsvertrag

    Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung aus dem Jahr 2021 enthält insgesamt 453 "echte“ Regierungsversprechen. Als „echte“ Versprechen hat das Forscher:innen-Team nur solche Vorhaben eingestuft, deren Erfüllung anhand klarer Kriterien nachprüfbar ist. Im Ampel-Vertrag sind das gut 50 Prozent mehr als die 296 Versprechen der Großen Koalition im Koalitionsvertrag von 2018. Gegenüber dem Koalitionsvertrag 2013 mit 188 Versprechen hat die Ampel sogar fast zweieinhalb Mal so viele Regierungsvorhaben vereinbart. "Die große Anzahl der Versprechen spiegelt zum einen die Komplexität der Ampel als einer lagerübergreifenden Koalition aus drei programmatisch eigenständigen Parteien, zum anderen aber auch das höhere Ambitionsniveau des Ampel-Vertrages, wider“, erläutert Theres Matthieß von der Universität Trier, Mitautorin der Studie.

    Vertrauen in die Umsetzungstreue eingebrochen

    Im Kontrast zum Ambitionsniveau und Umsetzungsstand ihres Koalitionsvertrages steht die Ampel-Regierung in der öffentlichen Wahrnehmung als „Streitkoalition“ dar: Nur noch 12 Prozent aller Menschen in Deutschland meinen, dass von den vereinbarten Koalitionsversprechen „alle, fast alle oder ein großer Teil“ umgesetzt werden. 43 Prozent aller Befragten gehen sogar davon aus, es werde nur „ein kleiner Teil oder kaum welche“ umgesetzt. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. "Der öffentlich inszenierte Koalitionsstreit führt dazu, dass die tatsächliche Regierungsleistung und Umsetzungstreue unterschätzt wird. Deshalb braucht die Ampel einen Neustart in ihrer koalitionsinternen Zusammenarbeit und Selbstdarstellung“, sagt Wolfgang Schroeder vom Progressiven Zentrum.

    Bevölkerung unzufrieden mit Regierungsparteien

    Gleichzeitig zeigen sich nur jeweils etwa ein Viertel der Menschen in Deutschland mit der Arbeit von SPD (25 Prozent), BÜNDNIS 90/GRÜNE (23 Prozent) und FDP (22 Prozent) "sehr oder eher“ zufrieden. Mehr als sechs von zehn der Befragten sind dagegen "eher oder sehr“ unzufrieden mit der Performanz der Regierungsparteien (SPD: 62 Prozent, GRÜNE: 67 Prozent, FDP: 62 Prozent). "Auffällig ist dabei, wie wenig die meisten Menschen zwischen den drei Regierungsparteien differenzieren. Die Regierung wird von den meisten Menschen als eine Einheit gesehen und beurteilt“, erläutert Vehrkamp und ergänzt abschließend: "Nur wenn die Ampel mehr Koalition wagt, wird sie bei den Wählern auch das Vertrauen ernten, das ihre vielversprechende Halbzeitbilanz eigentlich verdient hätte“.

    Zusatzinformationen:

    Für die Studie "Mehr Koalition wagen, Halbzeitbilanz der Ampel-Regierung zur Umsetzung des Koalitionsvertrages 2021“, haben Robert Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung und Theres Matthieß von der Universität Trier den aktuellen Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 und seine bisherige Umsetzung analysiert. Dazu wurden in einem mehrstufigen Kodierverfahren empirisch überprüfbare "echte“ Regierungsversprechen aus dem Koalitionsvertrag identifiziert und auf ihre Erfüllung bis zum Stichtag 16. August 2023 überprüft. In einem zweiten Kodierverfahren wurden die Koalitionsversprechen den jeweiligen Wahlprogrammen der drei Ampel-Parteien SPD, GRÜNE und FDP zugeordnet. Die Vergleichswerte zur Vorgängerregierung beziehen sich auf die von denselben Autor:innen verfasste Studie „Besser als ihr Ruf – Halbzeitbilanz der Großen Koalition zur Umsetzung des Koalitionsvertrages 2018“ aus dem Jahr 2019. Zusätzlich liegt der Studie eine Umfrage durch das Institut für Demoskopie Allensbach zugrunde für die im Zeitraum 7. bis 19. Juli 2023 insgesamt 1.011 Personen in mündlich-persönlichen Interviews ("face-to-face“) befragt wurden. Die Umfrage ist repräsentativ für die deutsche Gesamtbevölkerung ab 16 Jahren.

    Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Robert Vehrkamp, Telefon: 0172 563 78 64
    E-Mail: robert.vehrkamp@bertelsmann-stiftung.de


    Weitere Informationen:

    http://www.bertelsmann-stiftung.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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