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13.09.2023 11:22

Wie die urbane Verkehrswende Fahrt aufnimmt

Anna Riesenweber Kommunikation
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH

    Das Ziel einer urbanen Verkehrswende ist klar definiert: mehr Fläche für städtisches Leben, weniger Lärm und klimaschädliche Emissionen sowie eine saubere Luft. Jedoch stellt sich dabei immer die Frage, wie nachhaltige Mobilität attraktiver gestaltet werden kann. Dr.-Ing. Alina Wetzchewald vom Wuppertal Institut ist sich sicher: Das gelingt nur mit Exnovation – also restriktiven und reduzierenden Ansätzen – für den Autoverkehr. Dazu setzt sie sich im aktuellen Zukunftsimpuls "Weniger ist Mehrwert" mit bisher umgesetzten deutschen und europäischen Projekten auseinander, identifiziert aufgetretene Hemmnisse und Chancen und leitet entsprechende Strategie- und Handlungsempfehlungen ab.

    Im Jahr 2022 hat der Verkehrssektor Treibhausgase im Umfang von rund 148 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten emittiert. Das entspricht rund 20 Prozent der Gesamtemissionen in Deutschland. Damit lagen die Emissionen rund 1,1 Millionen Tonnen über dem Vorjahreswert – die Vorgaben aus dem Klimaschutzgesetz wurden erneut verfehlt. Diese Entwicklung macht deutlich: Ein “weiter so” darf es nicht geben.

    Um die Verkehrswende voranzutreiben, setzen Bund, Länder, Städte und Kommunen bislang meist auf innovative statt auf restriktive Ansätze. Ein gutes Beispiel ist die Förderung neuer Verkehrsträger, wie die Elektromobilität. Ein anderes gutes Beispiel ist das 9-Euro-Ticket, das im Sommer 2022 für drei Monate deutschlandweit erprobt wurde. Konterkariert wurde die Unterstützung des ÖPNV allerdings mit der zeitgleichen Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe – dem sogenannten „Tankrabatt”. Unterschiedliche Studien zeigen zwar, dass das 9-Euro-Ticket durchaus positive Effekte auf die allgemeine Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel hatte, allerdings führte es auch zu mehr Verkehrsaufkommen, da der öffentliche Verkehr häufiger genutzt, das eigene Auto aber nicht in gleichem Maße stehen gelassen wurde. Dieses Beispiel zeigt, dass das eigentliche Potenzial von Innovationen nicht voll ausgeschöpft wird, solange das Auto nicht im gleichen Zuge an Attraktivität verliert. Hier kommt Exnovation ins Spiel.

    Exnovative Maßnahmen sind wichtige Ergänzungen zu innovativen Verkehrs-Ansätzen

    Exnovation setzt darauf, nicht nachhaltige Infrastrukturen, Technologien, Produkte und Praktiken auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren und stattdessen geeignetere Alternativen zu schaffen. Wenn der Autoverkehr gezielt eingeschränkt und dadurch unattraktiver wird und gleichzeitig alternative Mobilitätsoptionen attraktiver gestaltet werden, lässt sich ein dauerhafter Verhaltenswandel herbeiführen.
    In vielen deutschen Städten wird bereits über die Zukunft des Autos in der (Innen-)Stadt diskutiert – einzelne Städte haben sich bereits konkrete Ziele gesetzt, um den Autoverkehr zu reduzieren. Bisher wurden in Deutschland jedoch eher Einzelmaßnahmen umgesetzt, etwa autofreie Straßen oder Zonen im Rahmen von Pilotprojekten. Größere Projekte sind hingegen eher im europäischen Ausland zu finden, beispielsweise in Barcelona, London, Gent, Paris und Oslo: Dort werden ganzheitliche und integrative Ansätze verfolgt, um den Autoverkehr zu reduzieren.

    "In Deutschland scheitern exnovative Konzepte oft an fehlender Rechtssicherheit und entsprechenden Klagen. Zudem dauern die Projekte zum Teil nur wenige Wochen, wodurch sich das Verkehrsverhalten nicht dauerhaft ändert", erklärt Dr.-Ing. Alina Wetzchewald, Researcherin im Forschungsbereich Mobilität und Verkehrspolitik am Wuppertal Institut und Autorin des Zukunftsimpulses. In einer so kurzen Zeit wird der Mehrwert für die Betroffenen in aller Regel nicht deutlich, und die negative Konnotation, dass das Auto verboten wird, bleibt bestimmend. Zudem reicht die Zeit häufig nicht, um Kompromissbereitschaft auszuloten. Dadurch zeigen die Maßnahmen nur wenig Wirkung, hinzu kommt eine mangelnde Transparenz und die begleitende Kommunikation ist nicht auf den partizipativen Prozess ausgelegt, wodurch Akzeptanzprobleme entstehen. Auch der häufig fehlende breite Rückhalt der Politik sowie fehlende Kontrollmechanismen spielen eine Rolle. Dies sind nur einige Beispiele, die Projekte scheitern lassen.

    Verbesserte Rahmenbedingungen und Erfahrungsaustausch schaffen

    Stattdessen braucht es Rückhalt, Rechtssicherheit und einen ganzheitlichen exnovativen Ansatz, begleitet von einer positiven, den Mehrwert in den Vordergrund stellenden Kommunikation, damit Pilotprojekte Erfolg haben und zu dauerhaften Verhaltensänderungen führen können. Auch sind Politik sowie Stadt- und Kreisverwaltungen als zentrale Akteur*innen gefragt, den Wandel aktiv mitzugestalten und auf kommunaler Ebene umzusetzen. Der Bund muss die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen und auch gezielter Erfahrungsaustausch kann helfen, aus erfolgreichen Beispielen zu lernen. Die Wissenschaft kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie über eine systematische Begleitforschung die Projektergebnisse evaluiert und den Weg zum Upscaling erfolgreicher Projekte ebnet.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    https://wupperinst.org/c/wi/c/s/cd/657 - Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik


    Originalpublikation:

    https://wupperinst.org/fa/redaktion/images_hq/publications/impulse/ZI26_Exnovati...


    Weitere Informationen:

    https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/8260 - Publikationsseite zum Zukunftsimpuls "Weniger ist Mehrwert"


    Bilder

    Cover des Zukunftsimpulses "Weniger ist Mehrwert"
    Cover des Zukunftsimpulses "Weniger ist Mehrwert"

    © Wuppertal Institut


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Energie, Meer / Klima, Politik, Umwelt / Ökologie, Verkehr / Transport
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Cover des Zukunftsimpulses "Weniger ist Mehrwert"


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