idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
28.09.2023 10:00

EU-Projekt ZeroF will Ersatz für PFAS in Lebensmittelverpackungen und Textilien schaffen

Dipl.-Geophys. Marie-Luise Righi PR und Kommunikation
Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC

    Pizzakartons schützen sie gegen das Durchfetten, Outdoor-Bekleidung machen sie wetterfest und im Grundwasser und im menschlichen Körper findet man sie auch schon: Per- und Polyfluoralkylsubstanzen, kurz PFAS. Die Europäische Union will nun eine Reihe kritischer PFAS verbieten und fördert in vier großen Verbundprojekten die Entwicklung von Ersatzmaterialien für PFAS, z. B. im EU-Projekt ZeroF. In diesem Projekt entwickelt das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC im Verbund mit Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen Lösungen für PFAS-freie Lebensmittelverpackungen und Textilien.

    Per- und Polyfluoralkylsubstanzen – kurz PFAS – sind industriell hergestellte Chemikalien mit einer nahezu unüberschaubaren Vielzahl an Zusammensetzungen. Sie sind so etwas wie Universaltalente in der Chemie: verhältnismäßig günstig herzustellen und überall da einsetzbar, wo es um besonders widerstandsfähige, glatte, öl- und wasserabweisende Oberflächen und Vollmaterialien geht. Sie sind temperatur- und chemikalienbeständig, werden als Hilfsmittel in der Produktion eingesetzt und sind selbst Bestandteil vieler Produkte – z. B. in Lebensmittelverpackungen, Kosmetika, Arzneimitteln, Pflanzenschutzmitteln, Textilien, Imprägnierungsmitteln und Löschschäumen. In die Umwelt gelangen sie durch Abwässer, als Abrieb oder Aerosol, sowie über die Ackerböden ins Grundwasser und in die Nahrungskette. Dort bleiben sie bestehen – als „Ewigkeits-Chemikalien“ können sie nicht auf natürlichem Wege abgebaut werden. In der EU ließen sich PFAS in mehr als 70 % der Grundwasser-Messtellen nachweisen . Der „Nordische Ministerrat“, ein Zusammenschluss v. a. skandinavischer Länder, hat 2019 eine Studie zu den sozioökonomischen Auswirkungen von PFAS vorgestellt. Die Studie schätzt allein die Gesundheitskosten durch PFAS-bedingte Erkrankungen auf mindestens 50 Milliarden Euro in der EU und bringt rund 12 000 Todesfälle in den direkten Zusammenhang mit PFAS.

    Verbot der kritischen Substanzen – woher einen Ersatz nehmen?

    Das Verbot von besonders kritischen Vertretern aus der PFAS-Familie, das für 2023 von der EU-Kommission geplant ist, kommt also nicht unerwartet. Doch es stellt die Industrie auch vor erhebliche Schwierigkeiten, denn so einfach lassen sich PFAS aufgrund ihrer Eigenschaftsprofile und deren Bandbreite nicht ersetzen. Für besonders relevante Bereiche (Arzneimittel, Pflanzenschutz) sind Ausnahmeregelungen vorgesehen, außerdem gelten die üblichen Übergangsfristen. Doch die Umstellung auf eine PFAS-freie Produkte ist für die Industrie nicht zuletzt deshalb notwendig, weil bereits PFAS-Produzenten signalisieren, sich in naher Zukunft komplett vom europäischen Markt zurückziehen zu wollen. Um den umweltfreundlichen Ersatz von PFAS voranzubringen, fördert die EU derzeit in vier großen Verbundforschungsprojekten die Entwicklung von unschädlichen PFAS-Alternativen in ihren jeweiligen Hauptanwendungsfeldern.

    ZeroF – umweltfreundliche Beschichtungen für die Verpackungs- und Textilindustrie

    Eines dieser vier Schlüsselprojekte ist das Projekt ZeroF, das sich mit PFAS-Alternativen für Lebensmittelverpackungen und Textilien beschäftigt. Das Fraunhofer ISC ist in ZeroF maßgeblich an der Entwicklung von omniphoben (öl- und wasserabweisenden) und abriebbeständigen Beschichtungen für Textilien beteiligt. Mit der Stoffklasse der ORMOCER®-Lacke stellt das Fraunhofer ISC ein sehr vielseitiges Basismaterial zur Verfügung, das mit den vom Projektpartner VTT hergestellten cellulosebasierten Materialien kombiniert werden soll. »Die Herausforderung für uns besteht vor allem darin eine wasserabweisende Beschichtung für Textilien herzustellen, die gleichzeitig als wasserbasierte Lösung appliziert werden kann, da dies eine Vorgabe der Textilindustrie ist,« erklärt Dr. Claudia Stauch, Projektleiterin am Fraunhofer ISC. »Das ORMOCER® als hybrides Material erlaubt es uns, anorganische und organische Materialeigenschaften zu kombinieren und so unendlich viele Stellschrauben für diese komplexe Fragestellung zu generieren.« Dabei kommt den Projektbeteiligten zugute, dass ORMOCER®-Beschichtungen sehr gute Verarbeitungs-, Oberflächen- und Barriereeigenschaften mitbringen, was sie bereits in einer Reihe von Industrieprodukten unter Beweis stellen konnten.

    Unterstützung für betroffene Unternehmen

    Der Einsatz der neu entwickelten ZeroF Materialien hängt jedoch nicht alleine von deren Eigenschaftsprofil, sondern auch von der Akzeptanz in der Industrie ab. Um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden, dürfen die Unternehmen, die jetzt PFAS einsetzen, nicht mit dem Verbot und seinen Folgen allein gelassen werden. »Nicht immer wird der volle Funktionsumfang von PFAS auch wirklich benötigt. Für manche der jetzigen Anwendungsfelder, in denen es nur um ein oder zwei Schlüsseleigenschaften aus dem ganzen PFAS-Spektrum geht, gibt es bereits jetzt gute und kurzfristig einsetzbare Lösungen,« erklärt die Wissenschaftlerin.
    Aktuell beraten die Forscherinnen und Forscher vom Fraunhofer ISC bereits Unternehmen, um diese bei der schnellen Umsetzung von umweltfreundlichen und wirtschaftlichen PFAS-Alternativen zu unterstützen.

    Projektinformationen:

    ZeroF – Development of verified safe and sustainable PFAS-free coatings for food packaging and upholstery textile applications
    Grant agreement ID: 101092164

    TEKNOLOGIAN TUTKIMUSKESKUS VTT OY (Koordination), Finnland
    FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR SILICATFORSCHUNG ISC, Deutschland
    ASSOCIACIO AGRUPACIO D'EMPRESES INNOVADORES TEXTILS (AEI), Spanien
    E.CIMA SA, Spanien
    IDEAconsult, Bulgarien
    KEMIRA OYJ, Finnland
    ACONDICIONAMIENTO TARRASENSE ASSOCIACION (LEITAT), Spanien
    LGI SUSTAINABLE INNOVATION, Frankreich
    LUXEMBOURG INSTITUTE OF SCIENCE AND TECHNOLOGY LIST, Luxemburg
    TEMAS Solutions, Schweiz
    Università di Bologna, Italien
    YANGI, Schweden



    Funded by the European Union. Views and opinions expressed are however those of the author(s) only and do not necessarily reflect those of the European Union or the European Health and Digital Executive Agency. Neither the European Union nor the granting authority can be held responsible for them.

    Funded by the Swiss State Secretariat for Education, Research and Innovation (SERI). Views and opinions expressed are however those of the author(s) only and do not necessarily reflect the official views of the SERI.

    Das Fraunhofer ISC im Profil

    Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC (Leitung Prof. Dr. Gerhard Sextl) ist eines der führenden FuE-Zentren für materialbasierte Forschung und Entwicklung in den Bereichen Ressourceneffizienz, Energie, Umwelt und Gesundheit. Mit rund 400 Wissenschaftlern und Technikern arbeitet das Institut daran, innovative Funktionsmaterialien und Technologien für nachhaltigere Produkte mit weniger Ressourceneinsatz zu entwickeln und wesentliche Beiträge zur Lösung der großen globalen Fragen und Herausforderungen der Zukunft zu leisten. Mit dem Mutterinstitut und dem Fraunhofer-Translationszentrum für Regenerative Therapien in Würzburg sowie dem Zentrum für Hochtemperaturwerkstoffe und -design HTL in Bayreuth verbindet das Fraunhofer ISC erstklassige materialwissenschaftliche Kompetenz mit langjähriger Erfahrung in der Materialverarbeitung, der industriellen Anwendung und dem Upscaling von Produktions- und Prozesstechnologien in den Pilotmaßstab sowie in der Materialanalytik und -charakterisierung. Mit einem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit ist das Institut ein starker F&E-Partner für Industriepartner und unterstützt mit seinen Entwicklungen weniger Ressourcenverbrauch und verantwortungsvolle Produktion.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Claudia Stauch l Telefon +49 931 4100-597 l claudia.stauch@isc.fraunhofer.de | Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC | Werkstoffchemie


    Weitere Informationen:

    https://www.zerof.eu/index.php Internetseite des Projekts ZeroF


    Bilder

    Technische Textilien und Textilien für den Möbelbau benötigen besonderen Schutz durch funktionelle Beschichtungen. In diesem Bereich einen funktionellen Ersatz für PFAS zu schaffen ist Ziel des Projekts ZeroF.
    Technische Textilien und Textilien für den Möbelbau benötigen besonderen Schutz durch funktionelle B ...
    K. Dobberke
    Fraunhofer ISC


    Anhang
    attachment icon Pressemitteilung als PDF

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Chemie, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Technische Textilien und Textilien für den Möbelbau benötigen besonderen Schutz durch funktionelle Beschichtungen. In diesem Bereich einen funktionellen Ersatz für PFAS zu schaffen ist Ziel des Projekts ZeroF.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).