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02.10.2023 09:25

Ein verschwundenes mittelalterliches Dorf im Harz. Weitere Forschungen bei Harzgerode, Lkr. Harz (Sachsen-Anhalt)

Dr. Oliver Dietrich Öffentlichkeitsarbeit
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt - Landesmuseum für Vorgeschichte

    Im vergangenen Jahr fanden erste archäologische Untersuchungen in einer mittelalterlichen Wüstung bei Harzgerode statt. Das Forschungsprojekt ist eine Kooperation des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und der Georg-August-Universität Göttingen. Neben Spuren des eigentlichen Dorfes konnte ein als Niederadelsburg anzusprechender kleiner, ovaler Ringwall festgestellt werden. Im Rahmen einer zweiwöchigen Grabungskampagne wurde in diesem Jahr unter anderem der Burggraben mit vorgelagertem Wall intensiv untersucht. Das Grabungsteam konnte insgesamt weit über 2000 Funde dokumentieren, darunter Hufeisen, Eisennägel, Dachziegel und zahlreiche Fragmente von Gefäßkeramik.

    Ein verschollenes Dorf bei Harzgerode
    Es handelt sich bei dem untersuchten aufgelassenen Ort um ein Reihendorf zu beiden Seiten eines kleinen Bachtals, das sich klar im Gelände abzeichnet. Auf einigen der regelmäßig angeordneten Hofparzellen zeigen sich jeweils im vorderen, dem Bach zugewandten Bereich deutliche Hausgruben. Im nordöstlichen Siedlungsbereich, vielleicht auf einer Doppel- oder übergroßen Parzelle liegend, befindet sich ein als Niederadelsburg anzusprechender kleiner, ovaler Ringwall von etwa 45 x 60 m Größe. Die Fundstelle wird in lokalhistorischen Untersuchungen mit einem ab 1216 schriftlich überlieferten Dorf in Verbindung gebracht. Spätestens zwischen 1488 und 1562 soll der Platz wüst gefallen sein.
    Die seit letztem Jahr laufenden Untersuchungen finden als Kooperationsprojekt des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) und der Georg-August-Universität Göttingen statt und werden in Zusammenarbeit mit Studenten und ehrenamtlichen Beauftragten der Bodendenkmalpflege durchgeführt.
    Das Bodendenkmal ist obertägig außergewöhnlich gut erhalten, sodass sich Funde und Befunde sehr gut fassen lassen. Zudem lässt das feuchte Milieu des Fundplatzes (durch die Lage am Bachlauf) das Vorhandensein organischer Materialien im Boden vermuten. Den Ort umgebende Wölbäcker und mögliche Hortisole (intensiv genutzte Gartenböden) geben Hinweise auf landwirtschaftliche Aktivitäten. Die parallele Existenz von bäuerlicher Siedlungsstruktur und Niederadelssitz bietet einen weiteren vielversprechenden Ansatzpunkt für archäologische Untersuchungen.

    Erste Untersuchungen
    Eine erste Oberflächenbegehung im Frühjahr 2022 erbrachte über 400 Einzelfunde – neben der typischen Siedlungskeramik des 13. bis 14. Jahrhunderts auch zahlreiche Objekte aus herrschaftlichem Kontext wie Reitersporen und Schwertortbänder als herausragende Funde. Hinzu kommen Silbermünzen und zahlreiche Eisenobjekte. Hufeisen unterschiedlichster Machart belegen weiterhin eine intensive Nutzung des Standortes auch weit über das Ende des Dorfes hinaus.
    Im Herbst 2022 schloss sich eine erste Ausgrabungskampagne an, bei der fünf Ausgrabungsschnitte geöffnet wurden. Es konnten dabei Teile der äußeren Befestigung sowie Fundamentreste der Bebauung erfasst werden. Bei dieser Kampagne kamen mehrere Tausend Funde zutage, darunter auch Dachschiefer und grün glasierte Dachziegel. Letztere stellen eine Besonderheit dar, da sie im ländlichen Kontext sehr selten sind und einen hohen repräsentativen Wert besaßen.

    Ausgrabung 2023
    In einer zweiwöchigen Ausgrabungskampagne konnten zwei Mitarbeiter des LDA, neun Studierende der Universität Göttingen und sieben ehrenamtliche Beauftragte der Bodendenkmalpflege vier Grabungsschnitte mit einer Größe von zusammen ca. 50 m2 untersuchen. Der größte dieser Schnitte verlief durch den Burggraben und den vorgelagerten Wall, sodass ein Profil von über 12 m Länge angelegt wurde. Der im Negativ freigelegte Graben war ehemals ca. 2 m tief in das anstehende Schiefergestein eingegraben worden.
    Das Grabungsteam konnte insgesamt weit über 2000 Fundstücke dokumentieren, darunter zwei eiserne Armbrustbolzen, zahlreiche Fragmente von Hufeisen, Eisennägeln, glasierten und unglasierten Dachziegeln, Dachschiefer und etliche Bruchstücke von Gefäßkeramik. Das Gros der diesjährigen Funde gehört wie die Stücke der Kampagne 2022 in das 13. bis 14. Jahrhundert. Ein kleiner Teil des Fundspektrums deutet den Beginn der Besiedlung vor Ort bereits im 11. Jahrhundert an. Ein chronologischer Ausreißer – vielleicht Zeuge einer Nachnutzung der Fläche nach Siedlungsaufgabe – ist eine Silbermünze aus dem Jahr 1560.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Anna Swieder

    Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
    – Landesmuseum für Vorgeschichte –
    Richard-Wagner-Straße 9
    06114 Halle (Saale)

    ASwieder@lda.stk.sachsen-anhalt.de


    Bilder

    Drohnenbild der Ausgrabungsfläche mit Sondageschnitt durch Burggraben und vorgelagerten Wall.
    Drohnenbild der Ausgrabungsfläche mit Sondageschnitt durch Burggraben und vorgelagerten Wall.
    R. Kunze
    Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

    Zeichen- und Vermessungsarbeiten im Bereich von Burggraben und Wall.
    Zeichen- und Vermessungsarbeiten im Bereich von Burggraben und Wall.
    A. Swieder
    Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Drohnenbild der Ausgrabungsfläche mit Sondageschnitt durch Burggraben und vorgelagerten Wall.


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    Zeichen- und Vermessungsarbeiten im Bereich von Burggraben und Wall.


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