Im Auftrag der International Union for Conservation of Nature's Species Survival Commission (IUCN) haben mehr als 100 Forschende – darunter Mark-Oliver Rödel vom Berliner Naturkundemuseum - den Bedrohungsstatus der Amphibienarten erneut untersucht. Sie stufen mehr als 40% aller bekannten Arten als vom Aussterben bedroht ein. Die Zerstörung und Verschlechterung von Lebensräumen sind immer noch die wichtigsten Bedrohungsfaktoren. Aber auch der globale Klimawandel wird für den Amphibienrückgang immer wichtiger. Innerhalb der Amphibien sind Salamander die am stärksten bedrohte Gruppe. Eine neu auftretende Pilzkrankheit könnte verheerende Folgen für Salamander in Europa und den USA haben.
Die Studie, koordiniert von der IUCN, basiert auf einer zweiten globalen Bewertung des Gefährdungsstatus und der Gefährdungsursachen von über 8000 Amphibienarten, darunter 2286 Arten, die erstmals bewertet wurden. Mehr als 1000 Expert:innen auf der ganzen Welt haben ihre Daten und ihr Fachwissen eingebracht. Sie fanden heraus, dass zwei von fünf Amphibienarten (40%) vom Aussterben bedroht sind.
Zwischen 2004, der Veröffentlichung der ersten globalen Amphibienbewertung, und 2022 haben verschiedene Faktoren dazu geführt, dass mehr als 300 Amphibien stärker vom Aussterben bedroht sind. Für 39% dieser Arten war der Klimawandel die Hauptbedrohung. Für Amphibien ist der Klimawandel besonders bedrohlich, da sie vergleichsweise sehr empfindlich auf Veränderungen in ihrer Umwelt reagieren. Es wird auch erwartet, dass sich die Zahl der vom Klimawandel bedrohten Arten als sogar noch höher erweist, sobald bessere Daten verfügbar sind.
„Während der Mensch Veränderungen im Klima und in Lebensräumen vorantreibt, werden Amphibien zu Klimagefangenen. Sie können sich nicht weit bewegen, um der durch den Klimawandel verursachten Zunahme von Extremwetterereignissen oder ausbleibendem Regen zu entkommen“, sagte Jennifer Luedtke Swandby, Koordinatorin der Red List Authority der IUCN SSC Amphibian Specialist Group und Erstautorin der Studie. „Unsere Studie zeigt, dass wir diese Bedrohung nicht weiter unterschätzen dürfen. Der Schutz und die Wiederherstellung der Wälder ist nicht nur für den Schutz der biologischen Vielfalt, sondern auch für die Bekämpfung des Klimawandels von entscheidender Bedeutung.“
Die Zerstörung und Umwandlung von Lebensräumen als Folge der Landwirtschaft, der Infrastrukturentwicklung und der Umweltverschmutzung ist nach wie vor die wichtigste Bedrohung für Amphibien. Dies betrifft 93% aller bedrohten Amphibienarten. Für den Schutz der Amphibienvielfalt wird es besonders wichtig sein, essentielle Lebensräume zu erhalten und Korridore zwischen diesen zu schaffen, über die sich Amphibien ausbreiten können. Auch Krankheiten, wie die, die durch den Chytrid-Pilz verursacht werden, und Übernutzung tragen weiterhin zum Rückgang der Amphibienarten bei. Zerstörung und Umwandlung von Lebensräumen, Krankheiten und Übernutzung sind Bedrohungen, die durch die Auswirkungen des Klimawandels noch verschärft werden.
Die Studie ergab außerdem, dass drei von fünf Salamanderarten (60%) vom Aussterben bedroht sind, vor allem aufgrund der Zerstörung von Lebensräumen und des Klimawandels. Dies macht Salamander zur weltweit am stärksten bedrohten Amphibiengruppe. In Asien und Europa wurde vor wenigen Jahren ein neuer, tödlicher Salamanderpilz namens Batrachochytrium salamandrivorans (Bsal) entdeckt. „Bsal hat bereits dazu geführt, dass Feuersalamanderpopulationen in Belgien, den Niederlanden und in Westdeutschland vom Aussterben bedroht oder nahezu ausgerottet sind“, sagt Mark-Oliver Rödel, Kurator für Amphibien und Reptilien am Museum für Naturkunde Berlin und Koautor der Studie. „Derzeit beobachten wir, dass sich die Krankheit in Süddeutschland ausbreitet und weitere Populationen und Arten von dieser Krankheit bedroht sind.“
Die Studie ist eine Aktualisierung der ersten globalen Bewertung der Amphibiengefährdung aus dem Jahr 2004. Letztere zeigte zum ersten Mal die sich abzeichnende Amphibienkrise und war die Grundlage für die Überwachung von Populationsveränderungen von vielen Amphibienarten und deren Ursachen. Sie legte damit auch die Grundlage für den Schutz vieler Arten. Laut der neuen Studie gelten derzeit fast 41% aller untersuchten Amphibienarten weltweit als bedroht, als stark gefährdet oder gefährdet. Im Vergleich dazu sind es bei Säugetieren 26,5%, bei Reptilien 21,4% und bei Vögeln 12,9%.
Die Studie dokumentiert, dass vier weitere Amphibienarten seit 2004 ausgestorben sind: die Chiriquí-Harlekin-Kröte (Atelopus chiriquiensis) aus Costa Rica, der Spitzschnauzen-Tagfrosch (Taudactylus acutirostris) aus Australien, Craugastor myllomyllon und der Falsche Jalpa-Bachsalamander (Pseudoeurycea exspectata) aus Guatemala; 27 weitere Arten gelten als möglicherweise ausgestorben. Insgesamt gelten mehr als 160 Amphibienarten als möglicherweise ausgestorben. Die Bewertung ergab jedoch auch, dass 120 Arten ihren Status auf der Roten Liste seit 1980 verbessert haben. Von den 63 Arten, deren Populationen sich als direkte Folge von Erhaltungsmaßnahmen erholten, war dies größtenteils auf Lebensraumschutz und –managementmaßnahmen zurückzuführen.
So hoffen die Autor:innen auch, dass Naturschützer:innen die Informationen aus dieser Studie nutzen werden, um den globalen Aktionsplan zum Schutz der Amphibien zu verbessern, Schutzmaßnahmen auf globaler Ebene zu priorisieren, zusätzliche Ressourcen für Schutzmaßnahmen zu akquirieren und politische Entscheidungen zu beeinflussen, die dazu beitragen können, den negativen Trend für Amphibien umzukehren.
„Amphibien verschwinden schneller, als wir sie erforschen können, aber die Liste der Gründe, sie zu schützen, ist lang, einschließlich ihrer Rolle in der Medizin, der Schädlingsbekämpfung, und der Warnung vor – auch uns betreffenden – Umweltveränderungen“, sagte Kelsey Neam, Koautorin der Studie. „Und während sich unser Artikel auf die Auswirkungen des Klimawandels auf Amphibien konzentriert, ist auch das Gegenteil von entscheidender Bedeutung: dass der Schutz und die Wiederherstellung von Amphibien aufgrund ihrer Schlüsselrolle bei der Gesunderhaltung kohlenstoffspeichernder Ökosysteme eine Lösung für die Klimakrise ist. Als globale Gemeinschaft ist es an der Zeit, in die Zukunft der Amphibien zu investieren, und das ist eine Investition in die Zukunft unseres Planeten.“
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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