Auch bei Patient:innen mit schweren Schlaganfällen zeigt die Behandlung mittels eines Katheters zur Öffnung des Gefäßverschlusses Erfolge. Bei knapp 20 Prozent der behandelten Patient:innen konnte durch ein entsprechendes Verfahren der Tod oder eine Pflegebedürftigkeit verhindert werden. Das ergab die erste Auswertung einer internationalen klinischen Studie unter Leitung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD). Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler:innen im Fachjournal The Lancet publiziert und parallel auf dem World Stroke Congress in Toronto vorgestellt.
Die von der Europäischen Union mit sechs Millionen Euro geförderte TENSION-Studie (Efficacy and safety of ThrombEctomy iN Stroke with extended leSION and extended time window: a randomized, controlled trial) wurde in 40 Schlaganfallzentren in acht Ländern Europas sowie in Kanada durchgeführt. Untersucht wurde die Behandlung von Patient:innen mit einem akuten ischämischen Schlaganfall (Hirninfarkt), dem ein großer Gefäßverschluss zugrunde lag, der bereits zu einem größeren Infarktkern geführt hatte. Die Patient:innen wurden nach dem bei klinischen Studien üblichen Zufallsprinzip entweder der medikamentösen Standardtherapie oder zusätzlich einer Katheterbehandlung zugeteilt. Bei dieser sogenannten endovaskulären Thrombektomie schieben Ärzt:innen unter Röntgenkontrolle von der Leiste aus einen Katheter in die Arterien des Gehirns vor, um anschließend das Blutgerinnsel zu entfernen, das den Gefäßverschluss verursacht hat. Bislang wurde die Katheterbehandlung von Schlaganfallpatient:innen gemäß internationaler Leitlinien nur dann angewandt, wenn nachweisbar erst wenig Hirngewebe durch den Schlaganfall geschädigt worden war.
Katheterbehandlung kann Krankheitsverlauf verbessern
Im Zuge der Auswertung des Krankheitsverlaufs von 253 Patient:innen zeigte sich bei der zusätzlichen Katheterbehandlung 90 Tage nach Abschluss der Therapie ein deutlich besseres klinisches Ergebnis gemäß der modifizierten Rankin-Skala (mRS), die das Maß einer Behinderung nach einem Schlaganfall beschreibt. In der Gruppe mit zusätzlicher Katheterbehandlung waren deutlich mehr Patient:innen nach dem Schlaganfall nicht auf dauerhafte Hilfe angewiesen (2 Prozent gegenüber 17 Prozent); 31 Prozent waren selbstständig gehfähig (gegenüber 13 Prozent in der Vergleichsgruppe). Der Anteil an Patient:innen, die in Folge des Schlaganfalls gestorben sind oder pflegebedürftig wurden, war in dieser Gruppe um fast 20 Prozent reduziert (69 gegenüber 87 Prozent), die Zahl der Todesfälle lag um 11 Prozent niedriger (40 gegenüber 51 Prozent). Aufgrund der so bereits frühzeitig nachgewiesenen Wirksamkeit der endovaskulären Thrombektomie bei schweren Schlaganfällen wurde die Studie nach der ersten geplanten Zwischenanalyse vorzeitig beendet.
„Die Ergebnisse der TENSION-Studie zeigen, dass eine Katheterbehandlung auch bei schweren Schlaganfällen wirksam ist. Diese Behandlungsmethode kann dazu beitragen, dass die betroffenen Patient:innen weniger Folgeschäden entwickeln und ein Leben in größerer Selbstständigkeit führen. Auf dieser Grundlage kann die Standardtherapie bei schweren Schlaganfällen erweitert und so die Patient:innenversorgung verbessert werden“, sagt Studienkoordinator Prof. Dr. Götz Thomalla, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie des UKE.
„Die TENSION-Studie leistet einen wichtigen Beitrag, um die akute Schlaganfallversorgung nachhaltig zu verbessern. Sie belegt eindrucksvoll den unmittelbaren Nutzen, den gut gemachte und international angelegte Studien für die Patientinnen und Patienten haben können“, sagt Prof. Dr. Martin Bendszus, klinischer Studienleiter von TENSION und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Neuroradiologie am UKHD.
Ein Großteil der jährlich rund 270.000 Schlaganfälle in Deutschland wird durch ein Blutgerinnsel ausgelöst. Dieser sogenannte Thrombus verschließt ein Blutgefäß im Gehirn, sodass Teile des Gehirns nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden können. Je länger der Gefäßverschluss andauert, desto mehr Nervengewebe wird unterversorgt und stirbt ab. Ob die Katheterbehandlung auch bei Patient:innen mit bereits größeren Hirninfarkten hilft, war bislang unklar. Dank der neuen Studienergebnisse werden auch diese Patient:innen künftig von einer Katheterbehandlung profitieren können, so das Fazit der Studienleiter.
Prof. Dr. Götz Thomalla
Direktor Klinik und Poliklinik für Neurologie
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Telefon: 040 7410-50137
thomalla@uke.de
Prof. Dr. Martin Bendszus
Ärztlicher Direktor der Abteilung für Neuroradiologie
Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD)
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg
Telefon: 06221 56-7565
Martin.Bendszus@med.uni-heidelberg.de
Bendszus, Thomalla et al. Endovascular thrombectomy for acute ischaemic stroke with established large infarct: multicentre, open-label, randomised trial. The Lancet. 2023.
DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)02032-9
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).